Über die Macht der Sprache

[Mod Gloria]

Liebe Forumsmitglieder,

wir sprechen im Affärenforum öfter über die psychologischen Effekte von Sprache. Es ist schon oft aufgefallen, dass z. B. beim Formulieren von Mails oder Textnachrichten die Wahl der Worte sehr entscheidend ist (auch Satzzeichen und Smileys/Emojis gehören dazu). Wir haben überlegt, dass es schön wäre, diesem wichtigen Thema einen eigenen Strang hier in der Plauderecke zu geben.

Wir können hier z. B. Links zu Internetseiten, Videos oder Büchern einstellen, aber auch selbst Beispiele geben und auch ganz allgemein über die Wichtigkeit und die Wucht der Worte sprechen.

Zum Einstieg möchte ich etwas Allgemeines berichten:

Wir alle wissen, dass Gesprächspausen unangenehm sind. Man kann dies sehr gut für sich nutzen, indem man selbst schweigt. Ich habe das vor einiger Zeit im beruflichen Kontext einmal ausprobiert, und es lief wie am Schnürchen - ich habe selbst einfach praktisch nichts gesagt und mein Gegenüber, der die Stille offensichtlich nicht aushielt, reden lassen, was im Endeffekt dazu führte, dass ich erreicht habe, was ich wollte.
Das kann man auch aufs Zwischenmenschliche übertragen. Wie oft kommt es vor, dass das OdB sich meldet, wenn man selbst stumm bleibt? Genau - ständig

Ich freue mich auf den Austausch mit euch!

Liebe Grüße
Gloria

 

[Mod Goldstück]

Liebe Gloria,

danke für dieses äußerst interessante Thema. Ich finde es sehr spannend und mag gleich etwas dazu aus meinem Strang beitragen. Dort schrieb ich:

Indem einer die Redewendungen des anderen aufgreift, bildet man eine Einheit, man ist sich beim Schreiben enger verbunden, fühlt sich vom anderen verstanden. Ich habe dies, bevor ich das Forum kennenlernte, unbewusst praktiziert und fühle mich nun hier bestärkt, dass dies der richtige Weg ist.

Durch meine Arbeit im diplomatischen Dienst durfte ich außerdem erfahren, wie wichtig es ist, die Bedürfnisse des Gegenübers zu erkennen und in der eigenen Antwort wiederzuspiegeln. Unterbewusst vermitteln Menschen ihre Gefühlslage beim Sprechen. Wenn man Acht gibt und diese Emotionen vorsichtig aufgreift, können wunderbare Verbindungen zueinander entstehen, da sich das Gegenüber verstanden fühlt. Das Thema der Konversation kann hierbei komplett uninteressant sein.

Generell denke ich, dass unsere Gedanken und unsere Sprache ganz entscheidend an der Erschaffung unserer eigenen Wirklichkeit beteiligt sind. Man kann ein entsprechendes Bewusstsein dafür entwickeln, mit unserer Sprache einen positiven oder negativen Impuls für ein Gespräch, einen Vortrag oder Vorhaben zu setzen. Man sollte sich hier der Kraft der eigenen Gedanken und der Macht der eigenen Worte bewusst werden, anstatt das, was wir denken, sagen oder tun, dem Zufall zu überlassen.

Werden wir uns der Wirkung der eigenen Worte erst einmal gewahr, können wir sie achtsam und gezielt einsetzen. Wie wir lernen können, uns selbst beim Denken und Sprechen zu beobachten und korrigierend einzugreifen, können wir mit Hilfe professioneller Lektüre lernen. Dadurch verhindern wir, dass wir uns unklar ausdrücken, einen schlechten Eindruck hinterlassen, unsere eigene Aussage verwässern und andere blockieren.

GLG

 

[Girlwithnoname]

Sehr interessantes Thema! Als Texterin/Lektorin beschäftige ich mich auch ständig mit Sprache und Kommunikation.

Dass man beim Schreiben den anderen spiegeln und seine Ausdrucksweise aufgreifen soll, habe ich selbst schon erfolgreich ausprobiert.

Mir wurde auch mal als Faustregel empfohlen, immer einen Tick knapper zurückzuschreiben als der Absender. Das war im Zusammenhang mit Ex-Back, kann man aber auch gut in jedem anderen Kontext praktizieren, wenn man jemandem das Oberwasser abgraben will.

 

[Neele2.0]

Sehr interessantes Thema! Als Texterin/Lektorin beschäftige ich mich auch ständig mit Sprache und Kommunikation.

Dass man beim Schreiben den anderen spiegeln und seine Ausdrucksweise aufgreifen soll, habe ich selbst schon erfolgreich ausprobiert.

Mir wurde auch mal als Faustregel empfohlen, immer einen Tick knapper zurückzuschreiben als der Absender. Das war im Zusammenhang mit Ex-Back, kann man aber auch gut in jedem anderen Kontext praktizieren, wenn man jemandem das Oberwasser abgraben will.

Sehr interessantes Thema

Mein Ex ist gerade sehr großkotzig (herablassend) und zugerne würde ich ihm das Oberwasser abgraben.

Was meint ihr mit spiegeln?

 

[Admin Wolfgang]

Ich habe auf meiner Hauptseite unter der Rubrik "Psychosomatik" einen Artikel über die Sprache, der heißt:

"Mit der Eigensprache bis zu den Wurzeln einer psychosomatischen Erkrankung."

In diesem Artikel geht es allgemein um die Sprache, ihre neurobiologische Verankerung in der linken Hirnhemisphäre und darum, wie die "gefühlhafte" rechte Hemisphäre sich in die Sprechweise der linken Hemisphäre einmischt und sie unbewusst in ihrer sachlichen Botschaft verzerrt, sodass wir Menschen, ohne dass wir es bemerken, auch in anscheinend sachlichen Mittteilungen rechtshemisphärische Elemente einbauen. Mit diesem Phänomenen beschäftigt sich die Idiolektik. Eine therapeutische Richtung, die mein früherer Mentor begründet hat.

Am Ende des Artikels habe ich ein psychodiagnostisches Gespräch verkürzt wiedergegeben, das ich in meiner Praxis mit einer Psychosomatikerin geführt habe, die an unerklärlichen Bauchschmerzen gelitten hat. Hier bekommt ihr einen Einblick, wie man als guter Idiolektiker bei einem Patienten oder Klienten die Eigensprache benutzen kann, um eine psychosomatische Störung ausfzudecken.

 

[Mod Gloria]

Was meint ihr mit spiegeln?

Hallo Neele,

ich kann dir jetzt nicht sagen, wie du bei deinem Ex vorgehen sollst, also nimm das hier bitte nicht als "Gebrauchsanleitung"

Spiegeln bedeutet einfach, sich ganz ähnlich zu verhalten wie er es tut. Schreibt er kurz, schreiben wir auch kurz. Schickt er Kusssmileys oder ähnliches, tun wir das etwas reduzierter auch. Ist er sachlich und pragmatisch, sind wir das auch.
Wenn man die Worte benutzt, von denen man weiß, dass sie für den anderen positiv besetzt sind, erzeugt man damit beim anderen gute Gefühle, ohne dass er es merkt.

Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen!

 

[Neele2.0]

danke

 

[Girlwithnoname]

Danke für den Link Wolfgang! Mega interessantes Thema, genau das Richtige für mich

 

[River]

Die Macht der Sprache! Ein schönes Thema. Für alle, die Spaß daran haben, hier ein Text von Robert Pirosh, einem Werbetexter. Er schrieb ihn 1934 als Bewerbung - denn er wollte viel lieber Drehbücher schreiben:

„Ich liebe Worte“ von Robert Pirosh

Sehr geehrter Herr:

Ich liebe Worte. Ich liebe fette, buttrige Worte wie träufeln, Sündenpfuhl, schmuddelig, schaurig. Ich liebe althergebrachte, eckige, sperrige Worte wie bockbeinig, kommod, Quacksalber, piesacken. Ich liebe zwielichtige, fadenscheinige Worte wie schlüpfrig, Leichenbestatter, aalglatt, abwickeln. Ich liebe elegante weltmännische V-Worte wie Bravour, Verve, Verleumdung, Vornehmheit. Ich liebe brüchige, spröde, knisternde Worte wie Splitter, Zwist, Keilerei, krustig. Ich liebe mürrische, schmollende, verdrießliche Worte wie brüten, Grobian, Geizhals, griesgrämig, Finsterling. Ich liebe elegante, blumige Worte wie übersommern, flanieren, paradiesisch, Elysium. Ich liebe sich windende, wurmige, mehlige Worte wie krümmen, winden, kringeln, kriechen. Ich liebe kichernde, giggelnde Worte wie Pupsen, Gurgeln, Blubbern, Rülpsen.

Ich liebe das Wort Drehbuchautor mehr als das Wort Werbetexter. Daher habe ich beschlossen, meinen Job in einer New Yorker Werbeagentur an den Nagel zu hängen und mein Glück in Hollywood zu versuchen. Aber bevor ich hier ins kalte Wasser gesprungen bin, war ich noch ein Jahr in Europa unterwegs, um zu studieren, nachzudenken und mir die Hörner abzustoßen.

Ich bin gerade von dort zurückgekehrt und liebe nach wie vor Worte.

Darf ich ein paar mit Ihnen wechseln?

Robert Pirosh …

 

[Admina Schneewittchen]

WOW, River! Das ist ja genial!

 

[Admina Schneewittchen]

Die letzten zwei Sätze am Schluss, nach dem sowieso schon wundervollen Text...Einfach toll!

 

[River]

WOW, River! Das ist ja genial!

Ja, nä? Aber auch die deutsche Übersetzung ist grandios. Ich weiß leider nicht, von wem die ist.

Ach - die Bewerbung war übrigens erfolgreich

 

[Admina Schneewittchen]

Nachdem ich jetzt ein wenig mehr Zeit habe als die letzten Tagen, Wochen und Monate und ein riesiger Druck von mir abgefallen ist, kann ich mich endlich mal wieder mit den wichtigen Dingen des Lebens beschäftigen - so hab ich aktuell mein sehr geschätztes Bücherregal durchstöbert und mir ist ein kleines Büchlein in die Hände gefallen, was mich schon vor Jahren sehr erfreut hat: Es heißt "Der weiße Neger Wumbaba" und handelt von falsch verstandenen Liedtexten. Ich hab mich damals beim Lesen köstlich amüsiert und als ich mir gerade eben den Klappentext nach langer Zeit nochmal durchgelesen habe, wurde mir (wieder) bewusst, wie wichtig es neben aller strategischen Vorgehensweisen, neben all dem guten und wichtigem aktiven Zuhören usw. ist, wie Worte die Phantasie beflügeln können und jeder - seine ganz ureigenen- Assoziationen und vor allem Missverständnisse zum Gesagten hat. Dass diese Assoziationen und Missverständnis aus einem selbst herauskommen und einem somit einiges über einen selbst verraten können, wenn man sich spielerisch auf die Suche danach macht.

Hier der sehr sympathische Klappentext, das Fettgedruckte find ich am allersympathischsten:

"Seit ich das erste Mal darüber schrieb, wie sehr Menschen Liedtexte falsch verstehen - wie etwa in eines Lesers Ohren Matthias Claudius' Zeile 'der weiße Nebel wunderbar' zu 'der weiße Neger Wumbaba' wurde und so eine unvergessliche, radikal poetische Traumgestalt entstand, deren Schöpfung Claudius selbst wohl nicht möglich war - erreichte mich eine solche Flut von Leserbriefen, gefüllt mit Beispielen für falsch verstandene Liedtexte, dass ich nun der Meinung bin: "Im Grunde versteht kaum ein Mensch je einen Liedtext richtig, ja Liedtexte sind überhaupt nur dazu da, falsch verstanden zu werden. Aufgabe eines Liedtexters ist es, den Menschen Material zu liefern, damit ihre Fantasie wirken kann." Axel Hacke.

 

[Stripes]

"Der weiße Neger Wumbaba"

Ich hatte sofort die Melodie und den richtigen Text im Kopf herrlich

 

[Admina Schneewittchen]

herrlich

So süß, gell, diese Freudsch'en "Versteher"

Da gab es noch eine Stelle, wo ich auch so lachen musste...wenn ich Zeit habe, such ich sie später mal raus.

 

[River]

...und man schleppt die falschen Versteher jahrelang mit sich herum.

Ich kam jedes Jahr Weihnachten ans Grübeln:
Stille Nacht, heilige Nacht
Gottes Sohn, Owie lacht.

Ich fand diesen Owie sehr respektlos.

Hier gibt es auch ein paar nette Verhörerchen:

 

[Admina Felis]

Oh Gott, River hör auf mit Owie -

dieser Text, ehrlich, viele Weihnachten war das ein Lied, bei dem es mich immer gruselte, so komisch dieser Text - zu Jesus Geburt wurde irgendwie geschlagen, von der Stund oder dem göttlichen Mund, ich habs nicht kapiert - ...und am schlimmsten die vierte Strophe , als sich die ' Macht der väterlichen Liebe ergoß und Bruder 'Huldvoll' umschloß irgendwas. undsoweiter. Oh Mann...
am Ende war ja immerhin Jesus, der Retter da - doch wovon wir ausgerechnet an Weihnachten gerettet werden mussten und wieso so düstere Lieder singen - das große Rätsel

 

[Admina Schneewittchen]

Das "Owie" kenn ich auch

Hier noch was:

Leise rieselt der Schnee...

Im Original heißen die Zeilen:
"In den Herzen ist's warm
Still schweigt Kummer und Harm"

Verstanden wurde jahrelang:
"In den Herzen ist's warm
still schweigt Kummer und Darm"


Wie soll ein Kind auch wissen, was "Harm" bedeutet. Also, macht es flugs unbewusst den "Darm" daraus um einen Sinn zu geben.

Dann hier noch ein Ausschnitt aus dem Buch (zitiert aus "der weiße Neger Wumbaba" von Axel Hacke und Michael Sowa):

"In einem der ersten Briefe, die mich zu diesem Thema erreichten, schrieb Leser B., er habe als Kind oft das Lied vom Hänschen klein gehört, darin die Zeilen:
Da besinnt
sich das Kind,
eilet heim geschwind.

B. aber verstand den Text immer anders, er hörte:
Dabesin
sieht das Kind,
eilet heim geschwind.

B. hatte dafür nur eine Erklärung: Es müsse einen Herrn Dabesin (wohl ein Bekannter der Eltern) geben, der das entlaufene Kind sehe und zu den Eltern eile, die es dann holten. ()
(...)
Kaum hatte ich das veröffentlicht, meldete sich bei mir Herr W., der mir den kompletten Text der zweiten Hänschen-Strophe zur Verfügung stellte, jedenfalls wie er sie verstand:
"Aber Mutter Weinezehr
hat ja nun kein Hänschen mehr!
Dabesin sieht das Kind,
eilet heim geschwind."

Damit wurde die Sache plötzlich viel klarer: Dabesin ist der Geliebte von Frau Weinezehr, Hänschens Mutter, der zu ihr eilt, nachdem er Hänschen hat gehen sehen. Nun aber werden neue Fragen aufgeworfen: Ist Dabesin Hänschen's Vater? Warum nimmt er Hänschen nicht mit zur weinenden Mutter? Hat er ihn gehasst? Hat Hänschen ihn gestört, wenn er mit Mutter Weinezehr allein sein wollte? Ist Hänschen am Ende seinetwegen gegangen, weil er den Stiefvater nicht mehr ertrug? Das muss offen bleiben."

Dann fuhren meine beste Freundin und ich vor Jahren mal zusammen im Auto und es lief im Radio Herbert Grönemeyer:

Originaltext:
Sein Pyjama liegt in meinem Bett
Sein Kamm in meiner Bürste steckt
Was soll das, was soll das?

Meine Freundin sang lauthals mit:
Sein Schamhaar liegt in meinem Bett...

Ich musste sie aufklären, wie es richtig heißt und wir haben uns beömmelt vor Lachen.

Und, dann noch ein kleiner, aber nicht so witziger Verhörer von mir:

Originaltext:

(..) Cause we're going to Ibiza!

Ich verstand jedes Mal und hab das auch nie hinterfragt, bis ich die Wahrheit erfuhr:

we're going to eat Pizza!

War für mich völlig logisch: Da geht es ja um's Fliegen (nach Ibiza) und für mich war völlig klar, dass da ne Gruppe junger Yuppies mal zum Pizza essen irgendwohin fliegt.

 

[Mod Terminator]

Sehr geil, Herr Dabesin und Mutter Weinezehr.

Mein Bruder hatte in den 80ern einen drolligen Verhörer. Er hatte die damalige Grönemeyer-Single "Alkohol" völlig missverstanden und dachte, es sei eine Art Spitzname gemeint (ähnlich wie Rudi Ratlos oder Jonny Conntroletti von Udo L.). Seine Textfassung, die er mit glühendem Eifer verteidigte und für die er gegen mich damals 10 Mark verwettete, ging so:

"Hacke Hohl ist der Sanitäter in der Not
Hacke Hohl ist Dein Fallschirm und Dein Rettungsboot, usw"

Arnie

 

[Admina Schneewittchen]

Seine Textfassung, die er mit glühendem Eifer verteidigte und für die er gegen mich damals 10 Mark verwettete, ging so:

"Hacke Hohl ist der Sanitäter in der Not
Hacke Hohl ist Dein Fallschirm und Dein Rettungsboot, usw"

Musste gerade laut auflachen ! Wie geil! Hacke Hohl!

Der Grönemeyer-Gesang scheint wohl prädestiniert für allerlei Verhörer zu sein .