Elternschule

Herzlein

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Da ich den Film auch nicht gesehen habe möchte ich garnicht viel dazu sagen. Nur ein kleiner Einwurf, dass ich das was hier geschrieben wurde sehr wertvoll finde.
Felis Beschreibung ihrer Erziehungsleitgedanken ist wunderschön!

Dazu möchte ich sagen, aus meiner persönlichen Erfahrung als Tochter heillos überforderter Eltern die sich größte Mühe gegeben haben keine Grenzen zu setzen und darüber an den Rand des völligen Zusammenbruchs gekommen sind (und teils darüber hinaus) kann ich nur sagen, das war trotz aller guten Absichten dabei schlicht dysfunktionaler Mist. Aber mir wurde dann jahrelang eingeredet ich wäre schwer erziehbar und schuld an allem was im Leben meiner Eltern schief läuft weil ich angeblich nicht angepasst genug war. Dabei ging es eigentlich um die eigene Traumen und unaufgearbeitete Probleme mit den eigenen Eltern, der Vergangenheit. Ich war kein Tyrann, ich hatte nur ganz normale kindliche Bedürfnisse aber dabei keine Orientierung, keine Perspektive, mich absolut unverstanden und unerwünscht gefühlt.

Richtig verzeihen konnte ich meinen Eltern erst als ich "Auf der Suche nach dem verlorenen Glück" von Jean Liedloff gelesen habe und verstanden habe dass sie es nicht besser konnten weil in ihrer Kindheit ihre grundlegendsten Bedürfnisse schlimm missachtet wurden. Sie wollten alles besser machen und es ging mir tatsächlich viel besser als ihnen selbst damals. Es ist wahr, meine Kindheit war weit weg vom Optimum und meine verletzten Gefühle deswegen berechtigt, aber auch wahr ist dass sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten getan haben was sie konnten. Das zu verstehen hat mir wirklich sehr geholfen.

Die Message des Buches in kürzester Kurzform zusammengefasst:
Babys brauchen Körperkontakt, dürfen nicht gezwungen werden alleine zu schlafen und lange schreien müssen ohne die gewünschte Zuneigung zu bekommen. Seelische Grausamheit und das Kind als Feind ansehen ist absolut kontraproduktiv. Kinder wollen altersgerecht ihre Fähigkeiten erproben, nicht in Watte gepackt werden, sich erwünscht und beachtet fühlen. Grenzen ja aber liebevoll. Wenn sie sich schlecht verhalten vermitteln dass dieses Verhalten unerwünscht ist aber sie trotzdem als Mensch bedingungslos geliebt werden.

Das Buch mag ja auch nicht der Weisheit letzter Schluss sein, die beschriebene Indianergesellschaft hatte auch so ihre unschönen Muster und die verwendete Sprache der Siebzigerjahre etwas gewöhnungsbedürftig. Aber es war absolut wertvoll zu lesen wie eine naturnahe Gesellschaft funktionieren kann, was man als Erwachsener über die natürlichen Bedürfnisse und Gefühle von Kindern wissen sollte.
 
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Admin Wolfgang

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In der Doku arbeiten die Psychologen daran den Kindern ihren unguten und selbstzerstörerischen Rang wieder wegzunehmen, um ihnen wieder ein normales Familienleben zu ermöglichen. Sie machen das so schonend wie möglich, aber, das Podest zu räumen und die Macht wieder fahren zu lassen, an die man sich schon so gewöhnt hat, geht bei manchen nicht ohne Tränen.
 

Admina Schneewittchen

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Eltern müssen ihre Kinder bedingungslos lieben, aber, sie auf Augenhöhe mit den Eltern zu stellen, wird ihnen einen Rang einnehmen lassen, für den sie kein seelisches Rüstzeug im Gepäck haben.

Ja und ich denke, dass viele das missverstehen: Niedrigere Rang bedeutet für viele, dass damit gemeint ist, dass das Kind weniger wert ist. Das ist aber mitnichten der Fall. Natürlich ist das Kind ganz genau so viel wert, unbezahlbar viel wert, ebenso wie ein Erwachsener.

Das erinnert mich an einen wichtigen Satz aus der Doku: Nicht nach dem Motto handeln: "Wenn es meinem Kind gut geht, geht es mir gut, sondern: Wenn es mir gut geht, geht es meinem Kind gut."

Das viele Reden mit kleinen Kindern, das viele Erklären, die Entscheidungen, die kleine Kinder selbst treffen sollen, weil die Eltern meinen, sie haben es mit einem kleinen Erwachsenen zu tun, überfordert Kinder i.d.R. völlig.

Babys brauchen Körperkontakt

Ja, natürlich brauchen Babys das. Und da gibt es dann ein weiteres Missverständnis, was die Doku eben auch gut zeigt: Es wird eine Mutter gezeigt, deren Kind Neurodermitis hat. Sie erklärt dem Psychologen, dass sie und ihr Mann ihrem "Kind alles recht machen wollten" (-->auf Podest gestellt), weil sie ihm Stress vermeiden wollten (und durch diese Einstellung erst recht Stress verursacht haben) wegen der Neurodermitis. Das Kind hatte auch Einschlafstörungen. Es konnte laut Aussage der Mutter nämlich "nur dann!" einschlafen, wenn die Mutter dem Kind ein bis zwei Stunden den Rücken und die Füße massiert hat. Jeden Abend. Die Mutter war völlig fertig von der Gesamtsituation, sie konnte nicht mehr (Leitsatz war: "Mir geht es nur gut, wenn es dem Kind gut geht und nicht: Dem Kind geht es gut, wenn es mir gut geht").

Eine andere Mutter schaukelt ihr Kind ununterbrochen in ihren Armen hin und her (also viel Körperkontakt). Sie war die Mutter, die die Phantomschreie gehört hat, weil ihr Kind 13-14 Std am Tag geschrien hat. Ist die Folge daraus jetzt, dass das Kind also noch mehr! Körperkontakt benötigt? Ich glaube nicht. Da ist eine Interaktionsstörung vorhanden und vielleicht schreit das Kind ja, weil es einfach mal sich selbst spüren möchte, ohne ständig in Körperkontakt zu sein.

Also, ich meine bloß: Es gibt nicht das Generalkonzept: Lieben Sie ihr Kind, haben sie Respekt und viel Körperkontakt mit ihm und alles wird gut. Weil, da müsste man erstmal operationalisieren/messbar machen, was es eigentlich genau bedeutet, das Kind "gesund" zu lieben, "gesunden" Körperkontakt zu haben und "gesund" zu respektieren. Respektieren bedeutet für viele moderne Eltern, dass sie ihr Kind wie kleine Erwachsene behandeln, was eben nicht optimal ist, da es i.d.R. Überforderung für (kleinere) Kinder bedeutet.

Ist es Liebe, wenn es mir nur dann gut geht, wenn es meinem Kind gut geht (und damit meine ich nicht, dass es nicht völlig normal ist, dass ich möchte, dass es meinem Kind gut geht) und ich meinem Kind alles recht machen möchte, merke, dass alles nur noch schlimmer wird und ich meinem Kind in Folge immer noch mehr recht machen möchte? Oder ist da was aus dem Ruder geraten und es handelt sich eher um missverstandene Liebe? Und um missverstandenen Respekt, wenn ich nicht respektiere, dass mein Kind ein Kind ist und gar nicht die Weitsicht und die geistigen und seelischen Kapazitäten hat, wie ein Erwachsener und deshalb Orientierung (und dazu gehört eben auch "gesund" Grenzen setzen) und auch Konsequenz benötigt. Ohne diese natürlichen Begrenzungen, die viele Eltern ja intuitiv richtig machen, mäandert das Kind in seiner Entwicklung ziellos, orientierungslos und unbegrenzt vor sich hin und das nennt man dann "verhaltensauffällig", "gestört" oder "schwieriges Kind". Es sucht sich Grenzen und Orientierung in der Kita, daheim, in der Schule und kann sie dann doch nicht annehmen, wenn man sie setzt. Das wird dann immer schwieriger.

Es werden dort keine Familien gezeigt, die ihre Kinder verwahrlosen lassen (also wenig bis keine Liebe, wenig bis keine Zuneigung, wenig bis kein Körperkontakt, wenig bis keine Fürsorge usw. zeigen). Es werden Eltern gezeigt, die sich wirklich und ehrlich um ihre Kinder sorgen und dieses sogar sehr lieben.

Die Verwahrlosungen landen dort gar nicht, weil sie sich gar nicht die Mühe machen, mit ihrem Kind in eine Klinik zu gehen, sich und ihr Kind behandeln zu lassen. Also, Verwahrlosung im üblichen Sinne fällt weg. Aber genau auf die Verwahrlosungen würde zutreffen, was immer als Generalrezept genannt wird: Liebe, Körperkontakt und Fürsorge usw. geben.

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Übrigens: Ich denke, dass der Film auf viele krass wirkt, weil eben in erster Linie dort verhaltenstherapeutisch gearbeitet wird bzw. mit einem Gemisch aus systemisch, tiefenpsychologisch.

Da bei diesen Familien therapeutisch alles bereits ausgeschöpft ist (Aufnahmebedingung in der Klinik), ist das eben das Konzept, welches wohl am zügigsten einen eher schnellen Erfolg verspricht. Würde man das Kind milimeterweise aus dieser chronifzierten Störung heraus holen, könnte das Jahre dauern! Verhaltenstherapie hat vergleichsweise schnellere Erfolge als z.B. die tiefenpsychologische Behandlung. Diese Familien haben keine Zeit mehr auf eine völlig sanfte, jahrelange Therapie. Das haben sie in den meisten Fällen schon erfolglos hinter sich gebracht. Sie stehen kurz davor, ihr Kind ins Heim zu geben oder sonstwas schlimmes passiert.

Bei mir in der Arbeit akzeptieren sie z.B. nur verhaltenstherapeutsch arbeitende Psychotherapeuten. Eine Kollegin von mir musste ihre tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapieausbildung abbrechen und in die Verhaltenstherapie wechseln. Das hat unter anderem folgenden Grund: Man hat die Zeit nicht, die sehr lange Jahre andauernde tiefenpsychologische Behandlung durchzuführen. Der andere Grund ist, dass es wissenschaftlich erwiesen ist, dass die VT in meinem Arbeitskontext tatsächlich die nachhaltigeren und größeren Erfolge erzielt hat, als andere Schulen. Man benötigt wahrscheinlich auch bei diesen Familien ein Therapieverfahren, welches vergleichsweise schnellere Erfolge zu verzeichnen hat. Und das ist die Verhaltenstherapie.

Meine Vermutung ist also, dass dies u.a. der Grund ist, wieso die Klinik vorwiegend mit den Kindern verhaltenstherapeutisch arbeitet (und somit "krasser" wirkend), weil es zügiger gehen muss. Bei einem länger andauerenden Verfahren würden die Kinder älter und älter werden und sich die Störung somit immer weiter manifestieren. Diese Zeit hat man nicht. Da ist die vergleichsweise oberflächlichere Therapieform VT das kleinere Übel.
 

Herzlein

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Alles sehr richtig Schneewittchen. Ich wollte auch gewiss nicht sagen dass Körperkontakt das Allheilmittel ist, im Gegenteil.
vielleicht schreit das Kind ja, weil es einfach mal sich selbst spüren möchte, ohne ständig in Körperkontakt zu sein
Zu viel ist genauso schlimm wie zu wenig. Ein Kind das umklammert und erdrückt wird, sich nicht frei entfalten kann wird sich auch gegen die falsche Behandlung wehren. Liedloff schreibt sobald das Kind krabbeln kann braucht es die Möglichkeit sich altersgerecht zu erproben und keinen aufgezwungenen Körperkontakt wenn es Freiraum will, nicht aufs Podest gestellt werden wo man ihm alles recht machen will, das wäre fatal. Aber vor der Krabbelphase ist es unbedingt darauf angewiesen durch Körperkontakt beruhigt zu werden.

Aus missverstandener Liebe und missverstandenem Respekt kann man, mit allerbesten Absichten, so unglaublich viel falsch machen und die Folgen davon erzeugen unglückliche Erwachsenen und eine kranke Gesellschaft.
Ohne diese natürlichen Begrenzungen, die viele Eltern ja intuitiv richtig machen, mäandert das Kind in seiner Entwicklung ziellos, orientierungslos und unbegrenzt vor sich hin und das nennt man dann "verhaltensauffällig", "gestört" oder "schwieriges Kind". Es sucht sich Grenzen und Orientierung in der Kita, daheim, in der Schule und kann sie dann doch nicht annehmen, wenn man sie setzt.
Absolut zutreffend. :(
 
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Admina Schneewittchen

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Wenn sie sich schlecht verhalten vermitteln dass dieses Verhalten unerwünscht ist aber sie trotzdem als Mensch bedingungslos geliebt werden.
Ja, ich stimme dir vollkommen zu, Herzlein. :smile:

Ich sehe nur das Problem bei solchen richtigen aber dann doch wieder nichtssagenden Plattitüden, dass sie eben zu Missverständnissen führen können.

Denn, wie konkret sieht das dann aus: "Dem Kind vermitteln, dass dieses Verhalten unerwünscht ist, aber als Mensch bedingungslos geliebt wird"? (Solche und ähnliche Aussagen kamen auch immer von den Kritikern der Doku).

Was macht man da in einer spezifischen Situation konkret und wie vor allem bei Familien, die völlig aus dem Ruder gelaufen sind? Erklärst du dem Kind zum 30.000mal, dass es nicht mit einem Messer nach dir zu werfen hat, es aber ganz sicher sehr liebst und alles wieder gut wird?

Wie genau zeigt sich denn 'bedingungslose Liebe'? Warum muss man das überhaupt erwähnen in einem Buch oder sonstwo. Ist das nicht sowieso selbstverständlich und wohnt einer gesunden Mutter sowieso inne?

Also, diesen Satz liest jetzt eine frischgebackene Mama in dem Buch. Sie wird das ganz individuell interpretieren, auf Basis ihrer ganz individuellen Brille lesen und umsetzen.

Und deshalb mag ich auch diese allgemeinen Phrasen nicht, die ständig in irgendwelchen Mama-Blogs oder Kinderratgebern zu finden sind. Weil eigentlich keiner wirklich weiß, wie genau man dann eigentlich handeln muss, wenn dem Kind klargemacht werden muss, dass es falsch handelt und dennoch bedingungslos geliebt wird. Die Eltern verlieren dann eher ihre eigene Intuition, so meine Erfahrung.

Das interpretiert z.B. dann eine Mutter möglicherweise folgendermaßen: Ich mache meinem Kind alles recht (=bedingungslose Liebe) und erkläre ihm immer wieder (erfolglos), dass es nicht mit einem Messer nach mir zu werfen hat.
Tja, Satz leider irgendwie missinterpretiert.

Also, ein weites Feld mit x Missverständnissen, vielen schönen Worten, vielen hässlichen Worten auch und doch weiß keiner so wirklich, wie man eigentlich Kinder behandelt, deren Eltern eigentlich auch dachten, sie machen alles richtig. Und da setzt dann die "grausame" Therapie an, die eben für manch einen nicht zu verstehen ist.

Vielen Dank für eure tollen Beiträge! :smile: Vielleicht schaut sich ja der ein oder andere noch die Doku an!

Gute Nacht :herz:
 

Admina Schneewittchen

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Hat sich überschnitten...

Alles sehr richtig Schneewittchen. Ich wollte auch gewiss nicht sagen dass Körperkontakt das Allheilmittel ist, im Gegenteil.

Ich weiß, Herzlein. Ich hab jetzt nur deinen Post als Beispiel genommen, ohne dich aber persönlich zu meine, weil das zum Teil die Argumente der Kritiker waren. Und weil das alles eben nicht so einfach ist. Und das wollte ich nochmal allgemein aufdröseln! :smile:
 

Admina Schneewittchen

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Absolut zutreffend.
Dazu möchte ich sagen, aus meiner persönlichen Erfahrung als Tochter heillos überforderter Eltern die sich größte Mühe gegeben haben keine Grenzen zu setzen und darüber an den Rand des völligen Zusammenbruchs gekommen sind (und teils darüber hinaus) kann ich nur sagen, das war trotz aller guten Absichten dabei schlicht dysfunktionaler Mist.
:(
 

Herzlein

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Schon ok so hatte ich das auch verstanden, wollte dich auch nicht denken lassen ich bügel deinen langen klugen Beitrag mit einer Phrase ab.
 

Admina Schneewittchen

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Schon ok so hatte ich das auch verstanden, wollte dich auch nicht denken lassen ich bügel deinen langen klugen Beitrag mit einer Phrase ab.

Nein, das weiß ich doch und hatte ich auch nicht gedacht. Ehrlich nicht. :smile: Es war nur grad ein guter Aufhänger, weil ich eben immer diese Debatte im Kopf habe.

Ich freu mich sogar sehr, dass du hier schreibst und deine Gedanken und Erfahrungen hier teilst! :smile: Also, ehrlich sorry, wenn das jetzt blöd rüber kam! :blush:
 

Lichtgestalt

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Ich geselle mich kurz in eure sehr spannende Diskussion. Genau mein Thema :)

Da ich sowohl Liedloffs Buch kenne als auch den Film "Elternschule" und sowohl Winterhoffs Thesen gelesen habe als auch Jesper Juuls, kann ich für meinen Teil sagen, dass hier im Prinzip alle größtenteils das gleiche anstreben, aber aneinander vorbei reden.

Wie in Politik und anderen gesellschaftlichen Fragen vertritt man häufig einen Standpunkt und verteidigt ihn, ohne sich die Grundlagen/Quellen und Ausgangssituationen der Argumentation des Gegenübers anzusehen. Man kann die eigene Meinung ja mit genug Belegen und Argumenten der eigenen Seite untermauern.

Dabei fällt dann eben nicht auf, dass es viele Schnittpunkte gibt und man viel konstruktiver mit dem Thema umgehen könnte, wenn man sich etwas ansieht, durchliest, nachvollzieht, bevor man hatet, diskutiert und vorwirft.

Ich stelle bei diesem Thema fest, dass hauptsächlich unsere gesellschaftliche Ausgangssituation solche Problem wie in dem Film mit sich bringt.
Die Yanomami- Indianer, die Liedloff beschreibt sind da fein raus, da sie eben nie mit Themen wie: Einzelkind, Alleinerziehend, Opfer von Opfer, Zeitdruck, finanzieller Druck, Flucht, etc.. konfrontiert sind, sondern eine eher steinzeitliche Gesellschaftsstruktur haben. So wie wir eben auch gepolt sind, im Prinzip also artgerecht.

Ich habe Liedloffs Buch gelesen als ich schwanger war und sehr schnell festgestellt, das ich das nur ansatzweise hinbekomme, wenn ich in eine alternative Kommune ziehe, wo diese Art Gesellschaft so gut wie möglich "nachgebaut" wird. Das hätte für mich bedeutet, meiner Familie den Rücken zu kehren. Jeder Elternteil, der hier aufwächst und Liedloffs Thesen leben will, landet unweigerlich in einem Dilemma.
Denn das Umfeld spielt nicht mit. Man kommt als verunsicherte junge Mutter in Deutschland so viel eingeredet, dass man in ein Loch fällt und nicht mehr weiss wo hinten und vorne ist.
Denn sind wir mal ehrlich, die Eltern in dem Film waren extrem verunsichert. Auf mich hat es den Eindruck gemacht, dass sie zwischen ihren Gefühlen und den äußeren Anforderungen zu zerbrechen drohen.

Ich bin alleinerziehend und habe ein Einzelkind. Und selbstständig bin ich auch noch. Eine denkbar ungünstige Ausgangslage für eine entspannte Entwicklung, wenn man nicht sehr stark ist und die Mechanismen durchschaut, die hier ablaufen.

Als Ausgleich leben wir zum Beispiel jeden Sommer in einem Dorf, dass eine historische Gesellschaft nachlebt. Es ist ein Freilichtmuseum, in dem wir den Besuchern das Leben vor 1200 Jahren nahebringen. Während dieser Zeit essen wir gemeinsam, die Kinder sind zusammen und komplett frei, jeder hat ein Auge drauf, so das alle Eltern entspannt sind und siehe da: Obwohl unsere dortige Kost für heutige Verhältnisse ungewöhnlich ist, weil wir als Museumsmitarbeiter authentisch darstellen wollen, essen die Kinder alles. Fisch, Kräuter und Gemüse, Getreidegrütze, etc.. Wir essen gemeinsam, es wird nachgeahmt, kein Kind will die Gemeinschaft sprengen.

Ausnahmen gibt es natürlich, aber auch hier stelle ich fest, dass dann die Eltern nicht klarkommen, Kontrolle brauchen und dann schnell wieder abreisen.

Als ich mir den Film "Babies" angeschaut habe, in dem 4 verschiedene Kulturen während des ersten Lebensjahres eines Kindes beleuchtet werden, stellte ich sehr schnell fest, wo der Haken ist und dass man da eben nicht so leicht aussteigen kann.
Auch wenn man es wie ich ganz fest vorhatte, denn wer will schon ein unglückliches Kind.

Ich denke bei der Diskussion hilft es wirklich, tiefer einzusteigen und beide Seiten zu "konsumieren", um eben nicht aneinander vorbeizureden. Die Liedloff Fraktion (ich nenn sie jetzt mal so, weil das ein Standartwerk für die attachment pareting Eltern ist) will ja nicht wesentlich etwas anderes als die Mitarbeiter der Klinik!
Die Frage ist doch aber, wie bekomme ich so etwas in unsere Gesellschaft integriert und wer hat die Kraft sich gegen die Windmühlen zu stellen, die oft schon morgens um 6.00 Stress produzieren (totmüdes Kind, gestresste Eltern, Machtkämpfe, Überforderung).
 

Lichtgestalt

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Denn, wie konkret sieht das dann aus: "Dem Kind vermitteln, dass dieses Verhalten unerwünscht ist, aber als Mensch bedingungslos geliebt wird"? (Solche und ähnliche Aussagen kamen auch immer von den Kritikern der Doku).

Was macht man da in einer spezifischen Situation konkret und wie vor allem bei Familien, die völlig aus dem Ruder gelaufen sind? Erklärst du dem Kind zum 30.000mal, dass es nicht mit einem Messer nach dir zu werfen hat, es aber ganz sicher sehr liebst und alles wieder gut wird?

Wenn du das Motto "Wenn es mir gut geht, geht es auch meinem Kind gut" lebst und dabei die angeborene Mutterliebe nicht wegdrückst, landest du genau bei dieser "Phrase".

Dem Kind im gleichen Moment, wo du sein Verhalten kritisierst, zu zeigen, dass du es liebst ist ja fast zirkusreif, geht also eigentlich kaum. Es muss vorher bzw. von Anfang an sicher sein, dass du es liebst (durch respektvolles Verhalten, Zuhören, ruhig bleiben, Zuwendung, Nähe, etc..)
In der Situation mit dem Messer begrenzt man sein Verhalten. Man nimmt ihm das Messer weg, geht aus dem Raum, entzieht ihm Aufmerksamkeit für dieses Verhalten. Ein sicher gebundenes Kind (was wahrscheinlich gar nicht erst absichtlich mit nem Messer werfen würde) würde dann trotzdem noch wissen, dass du es liebst und nur die Situation/das Verhalten nicht gutheißt.

Wie genau zeigt sich denn 'bedingungslose Liebe'? Warum muss man das überhaupt erwähnen in einem Buch oder sonstwo. Ist das nicht sowieso selbstverständlich und wohnt einer gesunden Mutter sowieso inne?

Also, diesen Satz liest jetzt eine frischgebackene Mama in dem Buch. Sie wird das ganz individuell interpretieren, auf Basis ihrer ganz individuellen Brille lesen und umsetzen.

Naja, in unserer Gesellschaft sind die Eltern so verunsichert, dass bedingungslose Liebe auch heißen kann: Ich lege mein Kind von Anfang an in ein anderes Zimmer zum schlafen und verwöhne es von Anfang an nicht mit Herumtragen und Nähe, damit es später keine Probleme bekommt und den Anforderungen draußen gewachsen ist. Einge heutige Ratgeber schlagen genau das vor. Und ja, dass sind Methoden, die aus dem 3. Reich kommen. Da sollten gefühlsarme Soldaten produziert werden.

[Kinder allein in dunklen Räumen schlafen zu legen, mit hohen Gittern um die Betten, wie in diesem Film gezeigt wurde, triggert deshalb viele Eltern. Da wird dann auch schnell übersehen, warum die Kinder in der Klinik sind]

Ein Buch, was eine Naturgesellschaft zu Wort kommen lässt, ist deshalb genau richtig, gerade wenn man die Intuition wiederfinden will. Und die "Phrase" erklärt sich ja im Buch, auch an Beispielen.
Dass diese Beispiele nicht eins zu eins auf unser Leben übertragbar sind ist klar.
Der Kinderpsychologe Winterhoff gibt aber ganz praktische Beispiele für liebevolles, respektvolles Grenzen setzen.
 
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Admina Schneewittchen

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Hallo Lichtgestalt :smile:,

Da ich sowohl Liedloffs Buch kenne als auch den Film "Elternschule" und sowohl Winterhoffs Thesen gelesen habe als auch Jesper Juuls, kann ich für meinen Teil sagen, dass hier im Prinzip alle größtenteils das gleiche anstreben, aber aneinander vorbei reden.

Ja, es wollen sicherlich alle das gleiche, es geht vielmehr um das Wie. Aber auch beim Endziel scheiden sich die Geister: Ein wesentlicher Kritikpunkt der breiten Hater-Masse war, dass ein Kind dann mit der Methode ja "nur" gehorsam wird und nicht zu einer starken Persönlichkeit heranwachsen "kann". Ah ja. ::: Interessant, wie das Eine automatisch mit dem Anderen verknüpft wird. Dabei hab ich mich immer gefragt, was daran jetzt eigentlich so schlimm daran sein soll, wenn ich ein im Prinzip gehorsames Kind habe (was aber wiederum ja nicht heißt, dass es nicht seinen eigenen Willen und seine eigene Persönlichkeit entwickeln darf). Ist es nun "in" ein ungehorsames Kind zu haben? Ist das der Gradmesser, dass ich ein gesundes Kind habe, wenn es nur möglichst ungehorsam ist...

Dann stört mich, dass zwar fleissig kritisiert wird, aber kein konkreter Gegenvorschlag unterbreitet wird. Das heißt, das Publikum fühlt sich sehr kompetent, kompetent genug, den Film als inhaltlich falsch zu degradieren (welches die Kompetenz aber nicht hat), aber dann hörts gleich auf mit der Kompetenz, wenn man fragt: Ja, wie genau würdest du denn dann STATTDESSEN diese Familien behandeln?

Also, meine Basis der Diskussion hier ist im Grunde die unsägliche und unsachliche und einseitige Kritik und dass die breite Hater-Masse einen sehr erheblichen Anteil an der Meinungsbildung hat und teils bewusst manipuliert (z.B. Szenen werden aus dem Zus.hang gerissen). Es geht soweit, dass eine Petition in die Welt gerufen wurde, die für die ABSETZUNG des Films plädierte! (Sie wurde übrigens GottseiDank abgelehnt).

Das Problem was ich sehe ist, dass hier Ausschnitte eines therapeutischen (!) Verfahrens gezeigt werden, welches nun Laien und insbesondere Mütter 'bewerten' (finde den Fehler) und zu dem Schluss kommen, dass solch ein Film raus muss, was ich als Zensur empfinde. In die Wege geleitet von einem Mob und manch einem Kinderarzt, dessen emotionale und unsachliche Statements ich nur schwerlich ernst nehmen kann und mich fachlich enttäuscht hat. Viele haben übrigens mitargumentiert, ohne den Film überhaupt gesehen zu haben. Sie verließen sich auf die Debatte und auf den zweiminütigen Trailer, der offenbar aus der Ausgeburt der Hölle zu kommen scheint und viele gar regelrecht "traumatisiert" hat.

Und die "Phrase" erklärt sich ja im Buch, auch an Beispielen.
Ja, aber diese Phrasen erscheinen ja in der ganzen Debatte, in Mama-Blogs usw. usf. Und dann wirds schwer, weil wie soll es messbar gemacht werden und was hats mit der Doku und den dargestellten Problemen zu tun.

In der ganzen Debatte werden so viele Sachen miteinander vermischt, therapeutische Verfahren mit Erziehungsstilen vermischt und Erziehungsstile abgewertet auf tatsächlich gewaltvolle Weise.

In der Situation mit dem Messer begrenzt man sein Verhalten. Man nimmt ihm das Messer weg, geht aus dem Raum, entzieht ihm Aufmerksamkeit für dieses Verhalten. Ein sicher gebundenes Kind (was wahrscheinlich gar nicht erst absichtlich mit nem Messer werfen würde) würde dann trotzdem noch wissen, dass du es liebst und nur die Situation/das Verhalten nicht gutheißt.
Ja, freilig. Es wird aber als "Gewalt" dargestellt, dass dem Kind als 'Konsequenz' das Essen weggenommen wird und argumentiert, dass doch 'Liebe', Körperkontakt und Vertrauen ausreichen würden, diese Kinder wieder "in Spur" zu bringen. :lach: Aber nicht, wie konkret das jetzt hier aussehen würde und der ganzen Familie dennoch helfen würde.

Ich denke bei der Diskussion hilft es wirklich, tiefer einzusteigen und beide Seiten zu "konsumieren", um eben nicht aneinander vorbeizureden. Die Liedloff Fraktion (ich nenn sie jetzt mal so, weil das ein Standartwerk für die attachment pareting Eltern ist) will ja nicht wesentlich etwas anderes als die Mitarbeiter der Klinik!
Ja, das sehe ich auch so wie du. :smile:

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Hier übrigens ein Interview mit Herrn Langer, in welchem mehr erklärt wird.
 

Lichtgestalt

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Ein wesentlicher Kritikpunkt der breiten Hater-Masse war, dass ein Kind dann mit der Methode ja "nur" gehorsam wird und nicht zu einer starken Persönlichkeit heranwachsen "kann". Ah ja. ::: Interessant, wie das Eine automatisch mit dem Anderen verknüpft wird. Dabei hab ich mich immer gefragt, was daran jetzt eigentlich so schlimm daran sein soll, wenn ich ein im Prinzip gehorsames Kind habe (was aber wiederum ja nicht heißt, dass es nicht seinen eigenen Willen und seine eigene Persönlichkeit entwickeln darf). Ist es nun "in" ein ungehorsames Kind zu haben? Ist das der Gradmesser, dass ich ein gesundes Kind habe, wenn es nur möglichst ungehorsam ist...

Ich denke es gehört einfach Reflektionsfähigkeit zur Diskussion: weg vom Schwarz- Weiß Denken.
Gehorsam an sich kann schon etwas schlechtes sein, wenn man es dahingehend definiert, das alle Anweisungen unkritisch von oben übernommen werden und sich das im Erwachsenenalter fortsetzt. Dann sind wir bei den Soldaten.
Ungehorsam ist aber genau so negativ besetzt, damit eckt man in der Gesellschaft nur noch an. Und der gesunde Mittelweg wird immer weniger zum Normalfall.
Ich denke, ein Kind muss immer fragen und hinterfragen dürfen (Da gab es eine Szene im Film, wo das Kind einfach gar keine Anwtort bekam. Zack. Nichtmal kurz etwas dazu gesagt, als wäre das Kind nicht beachtenswert. Der Toncut war aber auch haargenau nach der Frage des Kindes angesetzt. Ich bin der Meinung, dass der Film gezielt provozieren wollte. Hat marketingtechnisch ja auch gut funktioniert.)
Ein Elternteil hat dann aber die Möglichkeit dem Kind etwas zu erklären, oder, wenn es wichtig ist, einfach die Ausführung der Ansage zu verlangen. Beides völlig legitim und beides wichtig. Solange Respekt dahintersteht, wie Felis in ihrem Post sehr schön erklärt hat.
Keines der alternativ und frei erzogenen Kinder, die ich kenne ist unhöflich, schlecht erzogen oder bockig. Man sollte im Normlafall davon ausgehen, dass ein Kind in eine Gemeinschaft passen will.
Ich denke nicht, dass es "in" ist ein ungehorsames Kind zu haben. Aber wie der Philosoph Richard David Precht sehr treffend erläutert: Unsere Gesellschaft ändert sich. Wir brauchen zunehmend selbstständige, fähige, kreative Individuen - keine gehorsamen Arbeiter mehr.

Dann stört mich, dass zwar fleissig kritisiert wird, aber kein konkreter Gegenvorschlag unterbreitet wird. Das heißt, das Publikum fühlt sich sehr kompetent, kompetent genug, den Film als inhaltlich falsch zu degradieren (welches die Kompetenz aber nicht hat), aber dann hörts gleich auf mit der Kompetenz, wenn man fragt: Ja, wie genau würdest du denn dann STATTDESSEN diese Familien behandeln?

Was Erziehung angeht fühlt sich fast jeder kompetent, wie man auf Spielplätzen oder in Schulen sehr gut erleben kann. Zudem haben wir eine chronische Empörungskultur in Deutschland (und nicht nur da). Man lese sich nur mal die Mütterforen im Netz durch, da geht es zu wie im Krieg. Jeder weiß es besser, keine lässt die andere ausreden und wenn der Text zu lang ist oder das Thema zu komplex gehts mit Gewalt unter die Gürtellinie und die Kernbotschaft geht unter. Mich überrascht das nicht wirklich.
Viel krasser finde ich, dass der Großteil dieser empörten Eltern ihre Kinder "fortnite" spielen lassen, und zwar schon ab der 1.Klasse. Das ist visuelle Gewalt!
Den Widerspruch bemerkt scheinbar keiner.

Also, meine Basis der Diskussion hier ist im Grunde die unsägliche und unsachliche und einseitige Kritik und dass die breite Hater-Masse einen sehr erheblichen Anteil an der Meinungsbildung hat und teils bewusst manipuliert (z.B. Szenen werden aus dem Zus.hang gerissen). Es geht soweit, dass eine Petition in die Welt gerufen wurde, die für die ABSETZUNG des Films plädierte! (Sie wurde übrigens GottseiDank abgelehnt).

Ich denke, dass viele der Hater Mitläufer sind und sich nur an die Meinung der attachment parenting Eltern anhängen, ohne Substanz für ihre Empörung zu haben und diese erklären zu können.

Es wird aber als "Gewalt" dargestellt, dass dem Kind als 'Konsequenz' das Essen weggenommen wird und argumentiert, dass doch 'Liebe', Körperkontakt und Vertrauen ausreichen würden, diese Kinder wieder "in Spur" zu bringen. :lach: Aber nicht, wie konkret das jetzt hier aussehen würde und der ganzen Familie dennoch helfen würde.

Ich sag mal so, ohne Sonde hätte man das ja bei dem Jungen nicht durchziehen können. Der wäre wahrscheinlich irgendwann zusammengeklappt. Die Frage steht dann im Raum, wie der Wunsch, die Macht über die Eltern zu behalten, den eigenen Lebenserhaltungstrieb unterdrücken kann.
Da fehlt mir auch die Argumentation von der Klinikseite.

Man kann das natürlich so machen, weil diese Kinder bereits von den Eltern in dieses Drama gebracht worden sind und es dann nur begrenzt Wege gibt, das wieder hinzubiegen. Und das rechtfertigt derartige Behandlung.
Aber genau dieser Punkt: Das es eine Therapie für bereits sehr geschädigte Kinder ist, geht bei den Hatern unter, sie übersehen ihn geradezu.
Unter natürlichen Umständen würde man in einer Gemeinschaft essen und das Kind würde irgendwann mitmachen, wenn man ihm nicht mehr Beachtung schenk als jedem anderen am Tisch auch.
 
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River

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Ihr Lieben, das ist eine hochinteressante Diskussion.

Wissenschaftlich Fundiertes kann ich nicht beitragen, habe auch nur über den Film gelesen.
Aber eine kleine Szene, gerade heute passiert, kann ich ein wenig o.T. dazugeben;

Meine Tochter hatte heute ein Seminar und war viele Stunden unterwegs. Ich habe mein Enkelkind (5 Jahre) also aus dem Kindergarten abgeholt. Wir haben uns ein paar Stunden beschäftigt, ein T-Shirt bemalt usw.

Meine Tochter kam am Abend recht geschafft zurück.
Sie hat sich 10 Minuten angeschaut, was die Kleine heute gemacht hat und wollte nach Hause. Das Kind natürlich noch nicht. Da gab es ja noch dies und das zu tun.

Den folgenden Dialog fand ich interessant:
Hase, zieh dir deine Stiefel und die Jacke an, ich will nach Hause. Ich hatte so einen langen Tag heute.
Bist du müde, Mama?
Ja.

Kathi zieht sich auf der Stelle an. Keine weitere Diskussion.

Meine 'Ansage' wäre damals viel softer ausgefallen, hätte die Diskussion wahrscheinlich nicht beendet:
Würdest du bitte Stiefel und Jacke anziehen, ich möchte jetzt gerne nach Hause.

Eigentlich die selbe Aussage, aber ohne liebevoll 'klare Kante' zu zeigen.
 

Admin Wolfgang

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Hase, zieh dir deine Stiefel und die Jacke an, ich will nach Hause. Ich hatte so einen langen Tag heute.
Bist du müde, Mama?
Ja.
So geht das. :smile:

Erinnert mich an eine anthropologische Videosequenz von den Yanomami. Darauf ist eine sitzende Mutter zu sehen und ihr etwa fünfjähriges spielendes Kind. Die Mutter steht unvermittelt auf und will wohl weggehen. Sie dreht den Kopf und schaut ihr Kind mit einem etwas durchdringenden fordernden Blick an. Sofort unterbricht das Kind sein Spiel und läuft zur Mutter. Beide gehen eng nebeneinander laufend weg. Da gibt es kein Blödgetue von seiten des Kindes mit schreien und diskutieren. Wenn die Mutter den Ort wechselt, geht es ohne zu murren mit. Verständigung durch Blickkontakt kann man da sagen.
 

River

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Ja, Wolfgang,

genau das dachte in dem Moment auch. Anfang der 80er Jahre diskutierten wir uns mit unseren Kindern zu Tode. Kein Satz, der nicht begann mit: Würdest du so nett sein...könntest du bitte mal...ich würde mich freuen, wenn du jetzt...usw.

Jede dieser Formulierungen forderte quasi Widerstand heraus und ließ Raum für Diskussionen. Heute denke ich, dass wir unsere Kinder mit diesen schwammigen Bitten oder Anweisungen schlicht überforderten. Die haben oft den Ernst der Lage gar nicht erkannt; die Anweisungen der Eltern sind ja nicht willkürlich, sondern haben schon ihre Berechtigung. Eine klare, eindeutige Sprache ist weder unfreundlich noch bestimmend.

Ich las irgendwann mal einen Artikel über die 'männliche' und 'weibliche' Art mit Sprache umzugehen. Die Quintessenz war, dass viele Beziehungen auch daran scheitern können. Man versteht sich einfach nicht.

Das Yanomami-Kind ist ja mit Sicherheit von Anfang an so erzogen worden, ohne Diskussion sofort auf Anweisungen zu reagieren. Der Regenwald ist kein Ponyhof, und was auch immer dort kreucht und fleucht, könnte sich ungut auf Leben und Gesundheit eines Kindes auswirken. Ich kann mir gut vorstellen, dass Kinder dort in den ersten Jahren eine besonders enge und starke Beziehung zur Mutter entwickelt haben.

Irgendwo begegnete mir mal dieser Satz (nicht im Netz, das gab es da noch nicht):
Es gibt nur noch Mamis und Papis, aber keine Mütter und Väter mehr.
Schneewittchen...entschuldige! Das war eigentlich nicht das Thema?:blush:
 
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