Admina Schneewittchen
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- 31 Juli 2017
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Hallo ihr Lieben,
mich würde mal interessieren, ob jemand von euch den Film "Elternschule" gesehen hat und welche Meinung ihr dazu habt? Die Doku ist ja für den Grimme-Preis nominiert und hat eine Welle der Empörung und des Shitstorms geschlagen. Sogar eine Petition ist auf den Weg gebracht worden, welche den Film verbieten sollte.
Es ist die Rede von "Nazi-Methoden", von Gewalt und dem "Brechen des Kindes". Selbst die Fachwelt ist gespalten, die Laienwelt wertet den Film fast komplett ab. Die Doku polarisiert also sehr und hat hohe Wellen geschlagen, bzw. schlägt sie immernoch.
Nachdem ich gestern wieder auf eine völlig unsachliche und emotional überladene Diskussion über diesen Film gestoßen bin, wo von Gewalt, Nazi-Methoden usw. die Rede war, hab ich den Film kurzerhand gekauft und ihn mir, aufs Schlimmste gefasst und innerlich gewappnet, selbst angesehen um mir ein Urteil zu bilden. Und war überrascht.
Die "Hater" begründen ihren Hass auf die Methoden des Films damit, dass es zur Erziehung eines Kindes eine Bindung, Liebe und Vertrauen benötigt und das alleine ausreichen würde. Dass das im Film gezeigte Schlaf-, Ess- und Trennungstraining das Kind traumatisieren würde und einem unterernährten Kind eine Sonde zu legen, scheint außerhalb des Vorstellungsvermögens der meisten zu liegen. Konkrete Behandlungsmethoden (wie man stattdessen konkret behandeln könnte), habe ich bislang nicht gelesen. Auch nicht vom Kinderschutzbund in deren Stellungnahme. Bei den Anti-Menschen lese ich theoretische Konstrukte, wie die Begriffe Liebe, Vertrauen, Bindung, gewaltfrei. Ja, das stimmt auch. Nur, wie setze ich das konkret um? Wie soll eine Familie das konkret umsetzen, in der das ganze System aus dem Ruder gelaufen ist? Die ihrem Kind viel zu viel erklärt, gekuschelt und Verständnis gezeigt haben, dafür aber keine Orientierung und wenig Regeln und es dennoch nicht besser wurde? Die ganz viel therapeutisch schon ausprobiert haben und jetzt in ihrer Not und als letzten Schritt in dieser Gelsenkirchener Klinik gelandet sind, die vorwiegend verhaltenstherapeutisch arbeitet.
Eine Mutter erklärt im Vorgespräch, dass ihr neurodermitischer Sohn nur einschläft, wenn sie ihm stundenlang die Füße massiert. Sie und ihr Mann haben Jahre versucht, dem Kind alles recht zu machen und auf ihn einzugehen, um Stress zu vermeiden, weil sie wussten, dass zuviel Stress die Neurodermitis noch weiter erblühen lässt.
Ein anderes Kind (Mädchen) wirft beim Essen aggressiv das Messer nach der Mutter. Das Essen wird ihr in Folge von der Mutter wortlos weggenommen. Das Kind bettelt nun um Essen und weint. Die Hater sagen: Gewalt. Gewalt am Kind. Dem Kind wird das Essen als Konsequenz weggenommen. Wie ist der Gegenvorschlag? Auf das Kind einreden? Es ermahnen? Schimpfen? Liebe zeigen und Verständnis? Den Grund eruieren, wieso genau es jetzt das Messer geworfen hat? Alles Dinge, die bereits x mal ausprobiert wurden und dennoch nichts gefruchtet hat. Im Gegenteil, immer schlimmer wurde.
Der Psychologe Langer erklärt in der Doku gut den Unterschied zwischen akuter Gefährdung und chronifiziertem Leid. Und wie das chronifizierte Leid aufrecht erhalten wird: Nämlich durch beständiges drauf eingehen und das Pflegen der Neurose.
Die Liebe, die doch sowieso über allem steht, einfach bedingungslos zeigen? Hier kommen keine Eltern, die ihr Kind verwahrlosen lassen. Hier kommen Eltern, die ehrlich ein Interesse haben an ihrem Kind. Es lieben und alles für das Kind tun würden. Wo aber etwas verrutscht ist. Wo keine Orientierung gegeben wurde, keine Rituale gelebt und keine Regeln eingehalten wurden, stattdessen sich alles auf ungesunde Weise am Kind ausgerichtet hat und die Folge nun schwer verhaltensgestörte Kinder sind, die sich selbst und ihre Umwelt an die Grenzen der Belastbarkeit brachten.
Ein weiterer Kritikpunkt, der in den Diskussionen im Netz zu lesen ist, ist, wie der Psychologe über Kinder redet: Nämlich dass sie im Grunde egoistisch sind und auch strategisch handeln. Wieso zum Teufel verursacht dieser Satz eine derartige Aufregung? Der Psychologe erklärt das humorvoll und liebevoll und in meinen Augen keinesfalls abwertend. Und: Er hat Recht! Die Empathie und Perspektivenübernahme bei Kindern entwickelt sich erst im Alter von ein paar Jahren. Kinder sind völlig angewiesen auf den Schutz von Erwachsenen, sie müssen ihr Überleben sichern. Wieso kann die Gesellschaft es nicht verkraften, wenn jemand humorvoll und um es anschaulich zu verdeutlichen sagt, dass ein Kind im Grunde sein Überleben sichern muss und es egoistisch ist. Das ist faktisch so. Es IST einfach so in den ersten Lebensjahren. Ohne Wertung ist es so.
Die berührendste Szene in der Doku war für mich, als der Psychologe mit einem Mädchen spazieren geht (Bewegung gehört ebenfalls zum Behandlungsprogramm) und sie ihre Mütze verliert und sich geweigert hat, zurückzugehen und diese zu holen. Das hat er so toll gemacht. Er blieb geduldig, liebevoll und humorvoll und dennoch konsequent. Als sie sich aus ihrer Bockigkeit lösen konnte, ging sie zögerlich zu ihm hin und er hat ihr wortlos seine Hand hingehalten, die sie sofort genommen hat. Das Ende der Szene war, dass das Mädchen die Mütze mit ihm zusammen, einträchtig und Hand in Hand, geholt hat.
Was ist im Netz über diese Szene zu lesen? Das Mädchen hatte kurz über Seitenstechen geklagt und er hat sie kurz normal laufen lassen und sie dann ermutigt, mit ihm noch ein wenig weiter zu rennen. Körperverletzung. Gewalt. Gewaltverherrlichung.
Es ist höchst interessant, wie unterschiedlich die verschiedenen Szenen gesehen werden, aus welcher Perspektive und auf was sich der einzelne konzentriert.
Mich hat nicht die Doku ratlos zurück gelassen, sondern die Diskussion darüber und die hohen Wellen, die diese "gewaltverherrlichende" Doku ausgelöst hat. Ich bin mir sicher, dass es nie nur einen einzigen "richtigen" Weg gibt und andere Schulen, Einrichtungen, die anders arbeiten, sicher auch etwas bewirkt hätten (zumal die Eltern ja aber schon einiges ausprobiert hatten, bevor sie in Gelsenkirchen gelandet sind). Aber, diese emotionale, einseitige und undifferenzierte Diskussion und die Anfeindungen im Netz finde ich persönlich erschreckend und kann ich so überhaupt nicht nachvollziehen.
Was denkt ihr?
https://www.spiegel.de/panorama/elt...te-aus-a-c864c478-a831-4968-910d-9c9ba7be8bc8
mich würde mal interessieren, ob jemand von euch den Film "Elternschule" gesehen hat und welche Meinung ihr dazu habt? Die Doku ist ja für den Grimme-Preis nominiert und hat eine Welle der Empörung und des Shitstorms geschlagen. Sogar eine Petition ist auf den Weg gebracht worden, welche den Film verbieten sollte.
Es ist die Rede von "Nazi-Methoden", von Gewalt und dem "Brechen des Kindes". Selbst die Fachwelt ist gespalten, die Laienwelt wertet den Film fast komplett ab. Die Doku polarisiert also sehr und hat hohe Wellen geschlagen, bzw. schlägt sie immernoch.
Nachdem ich gestern wieder auf eine völlig unsachliche und emotional überladene Diskussion über diesen Film gestoßen bin, wo von Gewalt, Nazi-Methoden usw. die Rede war, hab ich den Film kurzerhand gekauft und ihn mir, aufs Schlimmste gefasst und innerlich gewappnet, selbst angesehen um mir ein Urteil zu bilden. Und war überrascht.
Die "Hater" begründen ihren Hass auf die Methoden des Films damit, dass es zur Erziehung eines Kindes eine Bindung, Liebe und Vertrauen benötigt und das alleine ausreichen würde. Dass das im Film gezeigte Schlaf-, Ess- und Trennungstraining das Kind traumatisieren würde und einem unterernährten Kind eine Sonde zu legen, scheint außerhalb des Vorstellungsvermögens der meisten zu liegen. Konkrete Behandlungsmethoden (wie man stattdessen konkret behandeln könnte), habe ich bislang nicht gelesen. Auch nicht vom Kinderschutzbund in deren Stellungnahme. Bei den Anti-Menschen lese ich theoretische Konstrukte, wie die Begriffe Liebe, Vertrauen, Bindung, gewaltfrei. Ja, das stimmt auch. Nur, wie setze ich das konkret um? Wie soll eine Familie das konkret umsetzen, in der das ganze System aus dem Ruder gelaufen ist? Die ihrem Kind viel zu viel erklärt, gekuschelt und Verständnis gezeigt haben, dafür aber keine Orientierung und wenig Regeln und es dennoch nicht besser wurde? Die ganz viel therapeutisch schon ausprobiert haben und jetzt in ihrer Not und als letzten Schritt in dieser Gelsenkirchener Klinik gelandet sind, die vorwiegend verhaltenstherapeutisch arbeitet.
Eine Mutter erklärt im Vorgespräch, dass ihr neurodermitischer Sohn nur einschläft, wenn sie ihm stundenlang die Füße massiert. Sie und ihr Mann haben Jahre versucht, dem Kind alles recht zu machen und auf ihn einzugehen, um Stress zu vermeiden, weil sie wussten, dass zuviel Stress die Neurodermitis noch weiter erblühen lässt.
Ein anderes Kind (Mädchen) wirft beim Essen aggressiv das Messer nach der Mutter. Das Essen wird ihr in Folge von der Mutter wortlos weggenommen. Das Kind bettelt nun um Essen und weint. Die Hater sagen: Gewalt. Gewalt am Kind. Dem Kind wird das Essen als Konsequenz weggenommen. Wie ist der Gegenvorschlag? Auf das Kind einreden? Es ermahnen? Schimpfen? Liebe zeigen und Verständnis? Den Grund eruieren, wieso genau es jetzt das Messer geworfen hat? Alles Dinge, die bereits x mal ausprobiert wurden und dennoch nichts gefruchtet hat. Im Gegenteil, immer schlimmer wurde.
Der Psychologe Langer erklärt in der Doku gut den Unterschied zwischen akuter Gefährdung und chronifiziertem Leid. Und wie das chronifizierte Leid aufrecht erhalten wird: Nämlich durch beständiges drauf eingehen und das Pflegen der Neurose.
Die Liebe, die doch sowieso über allem steht, einfach bedingungslos zeigen? Hier kommen keine Eltern, die ihr Kind verwahrlosen lassen. Hier kommen Eltern, die ehrlich ein Interesse haben an ihrem Kind. Es lieben und alles für das Kind tun würden. Wo aber etwas verrutscht ist. Wo keine Orientierung gegeben wurde, keine Rituale gelebt und keine Regeln eingehalten wurden, stattdessen sich alles auf ungesunde Weise am Kind ausgerichtet hat und die Folge nun schwer verhaltensgestörte Kinder sind, die sich selbst und ihre Umwelt an die Grenzen der Belastbarkeit brachten.
Ein weiterer Kritikpunkt, der in den Diskussionen im Netz zu lesen ist, ist, wie der Psychologe über Kinder redet: Nämlich dass sie im Grunde egoistisch sind und auch strategisch handeln. Wieso zum Teufel verursacht dieser Satz eine derartige Aufregung? Der Psychologe erklärt das humorvoll und liebevoll und in meinen Augen keinesfalls abwertend. Und: Er hat Recht! Die Empathie und Perspektivenübernahme bei Kindern entwickelt sich erst im Alter von ein paar Jahren. Kinder sind völlig angewiesen auf den Schutz von Erwachsenen, sie müssen ihr Überleben sichern. Wieso kann die Gesellschaft es nicht verkraften, wenn jemand humorvoll und um es anschaulich zu verdeutlichen sagt, dass ein Kind im Grunde sein Überleben sichern muss und es egoistisch ist. Das ist faktisch so. Es IST einfach so in den ersten Lebensjahren. Ohne Wertung ist es so.
Die berührendste Szene in der Doku war für mich, als der Psychologe mit einem Mädchen spazieren geht (Bewegung gehört ebenfalls zum Behandlungsprogramm) und sie ihre Mütze verliert und sich geweigert hat, zurückzugehen und diese zu holen. Das hat er so toll gemacht. Er blieb geduldig, liebevoll und humorvoll und dennoch konsequent. Als sie sich aus ihrer Bockigkeit lösen konnte, ging sie zögerlich zu ihm hin und er hat ihr wortlos seine Hand hingehalten, die sie sofort genommen hat. Das Ende der Szene war, dass das Mädchen die Mütze mit ihm zusammen, einträchtig und Hand in Hand, geholt hat.
Was ist im Netz über diese Szene zu lesen? Das Mädchen hatte kurz über Seitenstechen geklagt und er hat sie kurz normal laufen lassen und sie dann ermutigt, mit ihm noch ein wenig weiter zu rennen. Körperverletzung. Gewalt. Gewaltverherrlichung.
Es ist höchst interessant, wie unterschiedlich die verschiedenen Szenen gesehen werden, aus welcher Perspektive und auf was sich der einzelne konzentriert.
Mich hat nicht die Doku ratlos zurück gelassen, sondern die Diskussion darüber und die hohen Wellen, die diese "gewaltverherrlichende" Doku ausgelöst hat. Ich bin mir sicher, dass es nie nur einen einzigen "richtigen" Weg gibt und andere Schulen, Einrichtungen, die anders arbeiten, sicher auch etwas bewirkt hätten (zumal die Eltern ja aber schon einiges ausprobiert hatten, bevor sie in Gelsenkirchen gelandet sind). Aber, diese emotionale, einseitige und undifferenzierte Diskussion und die Anfeindungen im Netz finde ich persönlich erschreckend und kann ich so überhaupt nicht nachvollziehen.
Was denkt ihr?
https://www.spiegel.de/panorama/elt...te-aus-a-c864c478-a831-4968-910d-9c9ba7be8bc8
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