Elternschule

Admina Schneewittchen

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Hallo ihr Lieben,

mich würde mal interessieren, ob jemand von euch den Film "Elternschule" gesehen hat und welche Meinung ihr dazu habt? Die Doku ist ja für den Grimme-Preis nominiert und hat eine Welle der Empörung und des Shitstorms geschlagen. Sogar eine Petition ist auf den Weg gebracht worden, welche den Film verbieten sollte.

Es ist die Rede von "Nazi-Methoden", von Gewalt und dem "Brechen des Kindes". Selbst die Fachwelt ist gespalten, die Laienwelt wertet den Film fast komplett ab. Die Doku polarisiert also sehr und hat hohe Wellen geschlagen, bzw. schlägt sie immernoch.

Nachdem ich gestern wieder auf eine völlig unsachliche und emotional überladene Diskussion über diesen Film gestoßen bin, wo von Gewalt, Nazi-Methoden usw. die Rede war, hab ich den Film kurzerhand gekauft und ihn mir, aufs Schlimmste gefasst und innerlich gewappnet, selbst angesehen um mir ein Urteil zu bilden. Und war überrascht.

Die "Hater" begründen ihren Hass auf die Methoden des Films damit, dass es zur Erziehung eines Kindes eine Bindung, Liebe und Vertrauen benötigt und das alleine ausreichen würde. Dass das im Film gezeigte Schlaf-, Ess- und Trennungstraining das Kind traumatisieren würde und einem unterernährten Kind eine Sonde zu legen, scheint außerhalb des Vorstellungsvermögens der meisten zu liegen. Konkrete Behandlungsmethoden (wie man stattdessen konkret behandeln könnte), habe ich bislang nicht gelesen. Auch nicht vom Kinderschutzbund in deren Stellungnahme. Bei den Anti-Menschen lese ich theoretische Konstrukte, wie die Begriffe Liebe, Vertrauen, Bindung, gewaltfrei. Ja, das stimmt auch. Nur, wie setze ich das konkret um? Wie soll eine Familie das konkret umsetzen, in der das ganze System aus dem Ruder gelaufen ist? Die ihrem Kind viel zu viel erklärt, gekuschelt und Verständnis gezeigt haben, dafür aber keine Orientierung und wenig Regeln und es dennoch nicht besser wurde? Die ganz viel therapeutisch schon ausprobiert haben und jetzt in ihrer Not und als letzten Schritt in dieser Gelsenkirchener Klinik gelandet sind, die vorwiegend verhaltenstherapeutisch arbeitet.

Eine Mutter erklärt im Vorgespräch, dass ihr neurodermitischer Sohn nur einschläft, wenn sie ihm stundenlang die Füße massiert. Sie und ihr Mann haben Jahre versucht, dem Kind alles recht zu machen und auf ihn einzugehen, um Stress zu vermeiden, weil sie wussten, dass zuviel Stress die Neurodermitis noch weiter erblühen lässt.

Ein anderes Kind (Mädchen) wirft beim Essen aggressiv das Messer nach der Mutter. Das Essen wird ihr in Folge von der Mutter wortlos weggenommen. Das Kind bettelt nun um Essen und weint. Die Hater sagen: Gewalt. Gewalt am Kind. Dem Kind wird das Essen als Konsequenz weggenommen. Wie ist der Gegenvorschlag? Auf das Kind einreden? Es ermahnen? Schimpfen? Liebe zeigen und Verständnis? Den Grund eruieren, wieso genau es jetzt das Messer geworfen hat? Alles Dinge, die bereits x mal ausprobiert wurden und dennoch nichts gefruchtet hat. Im Gegenteil, immer schlimmer wurde.

Der Psychologe Langer erklärt in der Doku gut den Unterschied zwischen akuter Gefährdung und chronifiziertem Leid. Und wie das chronifizierte Leid aufrecht erhalten wird: Nämlich durch beständiges drauf eingehen und das Pflegen der Neurose.

Die Liebe, die doch sowieso über allem steht, einfach bedingungslos zeigen? Hier kommen keine Eltern, die ihr Kind verwahrlosen lassen. Hier kommen Eltern, die ehrlich ein Interesse haben an ihrem Kind. Es lieben und alles für das Kind tun würden. Wo aber etwas verrutscht ist. Wo keine Orientierung gegeben wurde, keine Rituale gelebt und keine Regeln eingehalten wurden, stattdessen sich alles auf ungesunde Weise am Kind ausgerichtet hat und die Folge nun schwer verhaltensgestörte Kinder sind, die sich selbst und ihre Umwelt an die Grenzen der Belastbarkeit brachten.

Ein weiterer Kritikpunkt, der in den Diskussionen im Netz zu lesen ist, ist, wie der Psychologe über Kinder redet: Nämlich dass sie im Grunde egoistisch sind und auch strategisch handeln. Wieso zum Teufel verursacht dieser Satz eine derartige Aufregung? Der Psychologe erklärt das humorvoll und liebevoll und in meinen Augen keinesfalls abwertend. Und: Er hat Recht! Die Empathie und Perspektivenübernahme bei Kindern entwickelt sich erst im Alter von ein paar Jahren. Kinder sind völlig angewiesen auf den Schutz von Erwachsenen, sie müssen ihr Überleben sichern. Wieso kann die Gesellschaft es nicht verkraften, wenn jemand humorvoll und um es anschaulich zu verdeutlichen sagt, dass ein Kind im Grunde sein Überleben sichern muss und es egoistisch ist. Das ist faktisch so. Es IST einfach so in den ersten Lebensjahren. Ohne Wertung ist es so.

Die berührendste Szene in der Doku war für mich, als der Psychologe mit einem Mädchen spazieren geht (Bewegung gehört ebenfalls zum Behandlungsprogramm) und sie ihre Mütze verliert und sich geweigert hat, zurückzugehen und diese zu holen. Das hat er so toll gemacht. Er blieb geduldig, liebevoll und humorvoll und dennoch konsequent. Als sie sich aus ihrer Bockigkeit lösen konnte, ging sie zögerlich zu ihm hin und er hat ihr wortlos seine Hand hingehalten, die sie sofort genommen hat. Das Ende der Szene war, dass das Mädchen die Mütze mit ihm zusammen, einträchtig und Hand in Hand, geholt hat.

Was ist im Netz über diese Szene zu lesen? Das Mädchen hatte kurz über Seitenstechen geklagt und er hat sie kurz normal laufen lassen und sie dann ermutigt, mit ihm noch ein wenig weiter zu rennen. Körperverletzung. Gewalt. Gewaltverherrlichung.

Es ist höchst interessant, wie unterschiedlich die verschiedenen Szenen gesehen werden, aus welcher Perspektive und auf was sich der einzelne konzentriert.

Mich hat nicht die Doku ratlos zurück gelassen, sondern die Diskussion darüber und die hohen Wellen, die diese "gewaltverherrlichende" Doku ausgelöst hat. ::: Ich bin mir sicher, dass es nie nur einen einzigen "richtigen" Weg gibt und andere Schulen, Einrichtungen, die anders arbeiten, sicher auch etwas bewirkt hätten (zumal die Eltern ja aber schon einiges ausprobiert hatten, bevor sie in Gelsenkirchen gelandet sind). Aber, diese emotionale, einseitige und undifferenzierte Diskussion und die Anfeindungen im Netz finde ich persönlich erschreckend und kann ich so überhaupt nicht nachvollziehen.

Was denkt ihr?

https://www.spiegel.de/panorama/elt...te-aus-a-c864c478-a831-4968-910d-9c9ba7be8bc8
 
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Miraval

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Liebes Schneewittchen


Ich habe die Doku (noch) nicht gesehen, möchte aber trotzdem meine Meinung schreiben und zwar aus einer anderen Perspektive. Also nicht Eltern:


Berufsbedingt habe ich mit Kindern und Jugendlichen im Alter von 8 bis 17 zu tun.

Immer wieder stelle auch ich diese Schieflage, die du beschreibst, fest. Erst letztens rief ich eine Mutter an, weil ihr 15- jähriger Sohn morgens völlig übermüdet im Unterricht sitzt und damit beschäftigt ist, gegen das Einschlafen zu kämpfen. Wenn er überhaupt zur ersten Stunde erscheint. Er bekommt nichts mit, hat schlechte Noten etc.

Also sprach ich mit dem Jungen ob er Probleme hätte, krank sei, was auch immer. Er verneinte und sagte dann, dass er die Nächte mit Computerspielen verbringen würde.

Ich rief also die Mutter an, die mir völlig aufgelöst ihr Leid klagte und absolut ratlos war. Ich sagte ihr, dass sie eben das WLAN abstellen solle oder den Computer aus dem Zimmer entfernen, Handy weg ab einer gewissen Uhrzeit... im Prinzip das Naheliegende.

Jetzt kommt’s: die Mutter war völlig entsetzt! Ich wisse nicht, was dann los wäre daheim, er würde dann nicht mehr mit ihr sprechen, wäre böse auf sie, wie sie das denn machen solle?


Tja, ich kann da immer nur sagen: Sie sind die Mutter und Sie bestimmen wo es lang geht.


Leider hat diese Mutter schon lange das Heft aus der Hand gegeben und der Sohn bestimmt, auch wenn ihm sein Verhalten schadet. Und leider ist das für ihn noch nicht ersichtlich, für die Mutter schon. Sie kann die Konsequenz aber nicht mehr ziehen.


Ein anderes Beispiel von einem Mädchen aus der dritten Klasse: Sie arbeitet im Unterricht sehr eifrig und ausdauernd, sie kommt sehr gut mit.

Die ersten 2 Wochen des Schuljahres hatte ich ungelogen jeden Tag einen langen schrieb im Hausaufgabenheft oder einen Anruf auf dem AB von ihrer Mutter: ihre Tochter würde die Hausaufgaben nicht machen können, sie würde sie nicht verstehen, es sei zu schwer und sowieso viel zu viel. Sie würden schon eine Stunde sitzen, aber ihre Tochter würde sich sperren und man könnte sie ja nicht zwingen. Ich müsste damit leben, dass sie die Hausaufgaben nicht hätte. Für mich nicht nachvollziehbar, denn in der Schule lief es ja. Im Grunde kam dann raus, dass das Mädchen ihre Mutter komplett im Griff hat. Was sie nicht will, will sie nicht und gut. Das gilt bei ihr übrigens auch fürs Duschen...


Ich kann viele solche Beispiele aufzählen, bei denen sich Eltern von ihren Kindern auf‘s Dach steigen lassen, jeden Spleen ausleben dürfen, alles zig mal erklärt und erklärt bekommen, aber nie mal eine Konsequenz für „falsches“ Verhalten bekommen.


Und ich stelle für mich immer wieder fest, dass Kinder und Jugendliche genau das brauchen und auch wollen: Grenzen, innerhalb derer sie sich frei bewegen können, aber auch Konsequenzen, wenn sie diese Grenzen überschreiten. Das ist zwar anstrengend, denn natürlich gibt es auch Widerstand, aber das muss man aushalten.

Meine Schüler, auch die, die daheim keine klare Linie haben, empfinden meine Haltung als fair und gerecht, sie wissen, dass ich sie gerne habe und annehme wie sind, auf Verhaltensweisen die ihnen oder anderen schaden, aber eine Konsequenz folgt. Damit fahre ich persönlich sehr gut.
 

Admina Schneewittchen

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Hallo Miraval :smile:,

danke für einen Post!

Berufsbedingt habe ich mit Kindern und Jugendlichen im Alter von 8 bis 17 zu tun.

Immer wieder stelle auch ich diese Schieflage, die du beschreibst, fest.

Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Ich habe früher selbst mit Kindern gearbeitet. In manchen Familien manifestiert sich das derart ungünstig (weil ja immer verschiedene Faktoren zusammen spielen), dass die Kinder ein derart verhaltensauffäliges Verhalten zeigen, so dass ein normales Familienregeln nicht mehr tragbar ist.

Die Doku soll keinen Erziehungsplan darstellen für normale Familien, wo es unterm Strich normal läuft, sondern für schwerst verhaltensgestörte Kinder, die mit ihrer Familie dort behandelt werden. Er kann aber die Konsequenz aufzeigen, wenn die Interaktion (und damit ist keine Verwahrlosung oder Desinteresse am Kind gemeint) zwischen Bezugsperson und Kind seit langer Zeit falsch läuft. Deshalb finde ich den Film tatsächlich für alle interessant, die Kinder haben, Kinder wollen oder mit Kindern arbeiten, um sich ein eigenes Urteil zu bilden. Es werden in der Behandlung ganz klare Regeln und Strukturen vorgegeben und ich bin immernoch irgendwie erschüttert, welche Begriffe im Netz über diesen Film verwendet werden und welcher Hass über die Abteilung dieser Klinik ausgeschüttet wird. Ich meine, dass das lange nicht mehr mit Augenmaß gesehen wird und das nichts mehr mit einer differenzierten Kritik zu tun hat.

Meine persönliche Meinung ist, dass die vielen schreienden und weinenden Kinder in diesem Film für viele nicht auszuhalten ist und sie die Reaktionen der Kinder überaus emotional sehen/bewerten/interpretieren. Dabei ist es m.M.n. so wichtig für ein längerfristiges Wohlbefinden für alle, dass sie durch diesen Punkt durchgehen, so dass sich überhaupt wieder ein Normalmaß einpendeln kann und der Dauerstress nachlassen kann.

Die Idee, dass eine natürliche Führung von den Eltern erfolgen muss (was bedeutet, dass ein Kind seinen Wunsch halt mal nicht erfüllt bekommt) und dass das Kind bei den Familien schon derart in den Brunnen gefallen ist so dass starke Persönlichkeiten heranwachsen, wird missverstanden und mit Nazi-Methoden und kaltem, despotischen Führungsstil völlig verwechselt und verwurschtelt. Die Attachment Parenting Szene hatte wohl großen Anteil an dem Shitstorm. Ich möchte die Szene nicht abwerten, ich finde nur, wenn es in eine Art Fanatismus ausartet, dass eben das gesunde Augenmaß fehlt und mir tuts einfach leid für die Station, dass sie sich einer solch ungerechtfertigten Kritik ausgesetzt sieht.

Die verschiedenen Verbände haben Stellung genommen und ich stimme mit ihnen überein. Wen es interessiert:

https://www.dgps.de/index.php?id=14...v12JoI9YJVZUOn3Ab5zyscpY4a7434zejZjciMUEt60hE

https://www.bdp-verband.de/publikationen/politische-positionen/2018/stellungnahme-zum-dokumentarfilm-„elternschule“.html

https://www.finanznachrichten.de/na...der-kritik-an-den-behandlungsmethoden-007.htm

https://www.agpps.de/index.php/aktuelles/15-stellungnahme-zum-film-elternschule-gelsenkirchen

https://www.kjkge.de/Inhalt/Aktuelles_Presse/_Presse_Meldungen/Interview_Langer.pdf
 

Heuer

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Ich habe die Doku auch nicht gesehen, habe aber trotzdem eine Meinung dazu. Und die lautet: Kinder geraten selten nach anderen Leuten. Soll heißen, schuld daran sind die Eltern die ihre Kinder immer weniger an die Hand nehmen und auch oft die Erziehung in andere Hände, wie die Schule, abgeben. Wenn ein Lehrer es aber tun würde stünde der direkt mit einem Fuß im Gefängnis.
Wenn ich sehe, wie Kinder heute schon in frühestem Alter mit Handy, Fernseher etc. ruhig gestellt werden, stehen meine Haare zu Berge.
Kinder müssen spielen. Im Freien möglichst. Sich dreckig machen dürfen, in Pfützen springen und wenn es blöd läuft dann ist halt auch mal was kaputt wenn sie vom Baum fallen. Früher hast du Kinder abends nicht ins Haus bekommen, heute kriegst du sie nimmer raus. Dann müssen sie sich an anderer Stelle austoben und das nennen wir dann ADHS.
Allen Eltern müssten das Buch von jan Uwe Rogge, Kinder wollen Grenzen, zur Pflichtlektüre vorgeschrieben sein.

PS. Kürzlich beim Hundespaziergang trafen wir auf ein Elternpaar deren Kinder unten am Bach rumspielten. Darauf ich zu den Eltern mit gespielter Aufgebrachtheit: Sagen sie mal, haben ihre armen Kinder etwa kein handy dass die jetzt schon in der Natur spielen müssen. Am Ende werden die noch nass.:lach: Wir haben alle herzlich gelacht.
 
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Greta

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Jetzt bin ich neugierig auf den Film geworden! :) werde ich mir mal ansehen.
Ich habe beruflich auch mit Kindern und Jugendlichen in "Schieflage" zu tun und meiner Erfahrung nach, ist der Grund hierfür in den meisten Fällen eine Fehlerziehung (bzw. gar nicht erst stattfindende) durch die Eltern.
 

Mrs. Steele

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Also ich habe den Film gesehen :smile:

Ich glaube, ein großes Problem des Filmes ist, dass die gezeigten Szenen wesentliche Anteile dieser dort praktizierten Therapie nicht darstellen. Das, was noch mit den Eltern und Kindern "hinter den Kulissen" gemacht wird, findet dort keinen Platz, ist aber zum Beispiel in dem Interview mit Herrn Langer aus der SZ nachzulesen.
Also ich meine damit, dass eben nicht nur diese verhaltenstherapeutisch orientierten Interventionen in Bezug auf die Regulationsstörung dort gemacht werden, sondern eben auch bindungsbasierte Therapiebausteine angeboten werden und auch zum Beispiel an den Traumatisierungen der Eltern gearbeitet wird, was ich für elementar wichtig erachte. Das kommt mir persönlich im Film zu kurz, das kann man so nicht wissen, und deshalb hinterlässt er einen krassen Beigeschmack.

Ich kann mir abschließend kein eindeutiges Urteil bilden, ich kenne einige Kollegen, die völlig anders mit Kindern mit Regulationsstörungen arbeiten und dort eben auch gute Erfolge erzielen. Alles in allem scheint die Diskussion auch ein wenig den Schulenstreit zu reaktivieren.

Der Vollständigkeit halber hier noch eine Kritik aus der anderen Richtung, denn die Fachwelt ist sich ja in keinster Weise einig, wie der Film zu bewerten ist.

https://www.deutschlandfunkkultur.d...maximaler.1008.de.html?dram:article_id=432431
 

Admina Felis

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Hallo :smile:

ich kenne den Film nicht und auch die Diskussionen im Netz habe ich nicht mitbekommen - daher hab ich da bisher auch gar nichts zur Diskussion sagen wollen – da hier aber schon Meinungen über das ‚Kinder brauchen Grenzen‘ aufgekommen sind, die nicht direkt mit dem Film in Verbindung stehen, möchte ich auch etwas dazu sagen, was mir wirklich am Herzen liegt.

Ich denke ‚ Kinder brauchen Grenzen‘ ist inzwischen auch schon zu einer Art Schlagwort geworden – oft wird nicht reflektiert, was das eigentlich wirklich bedeutet. Meine Meinung ist, Kinder brauchen nämlich auch, dass man IHRE Grenzen respektiert und zwar von Anfang an.

Es sind sich doch sicher alle einig darüber, dass ein Kind einen gesteckten, gesicherten und geschützten Rahmen braucht, in dem es aufwächst und sich orientieren kann. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemand noch anzweifelt. Dass Kinder Grenzen brauchen, ist nicht neu.

Vielleicht aber, dass man ihre anerkennt.

Ich glaube, die Probleme, die viele Eltern schildern: dass ihre Kinder ‚ machen was sie wollen und sie terrorisieren würden, nicht pauschal darauf zurückzuführen sind, die Kinder wären zu laissez-faire ‚erzogen‘. Ich glaube, dahinter steht eher ein Mangel an echter Zuwendung, ein Mangel an echter Bindung seitens der Eltern. Zu wenig Einfühlungsvermögen wie das Leben so ist als Kind gegenüber den übermächtigen Erwachsenen, von deren Zuwendung man abhängig ist.

Meiner Meinung nach kann man seine Kinder dann im besten Sinne ‚erziehen‘ (ich mag das Wort nicht ), wenn man sich um Selbstreflexion, Aufarbeiten eigener Traumen usw. , um den Kontakt zu seinen eigenen Gefühlen und eben eher um Weichheit bemüht, statt um ‚Härte‘. Um ein stabiles empathisches Selbst . Wenn also solche Schieflagen wie geschildert entstehen, dann steht wohl zuallererst auch eine Arbeit an dem psychischen Hintergrund der Eltern auf dem Programm.

Was mir oft auffällt, ist,dass Eltern über ihre Kinder reden als wären sie ihre ‚Gegner‘ . Oft auch abfällig ohne das zu merken, und in deren Beisein . ‚‘die hat mal wieder nur rumgesponnen‘. ‚ der hat mich mal wieder nicht schlafen lassen‘ . Ich finds schlimm. Es ist so unachtsam – und wundert nicht, wenn ‚‘der‘‘ die Eltern dann wirklich ‚‘nicht schlafen lässt“.

Die Kinder sind doch nicht auf die Welt gekommen, um ihre Eltern zu ärgern. Es sind eben Kinder. Oft müssen sie ja von Anfang an sogar in einen Plan passen: dann und dann möchte ich Kinder haben, die Elternzeit geht von dann bis dann ‚ usw. Ja, das kann sein, dass die Kinder den Plan nicht optimal erüllen, vielleicht mehr Betreuung brauchen, vielleicht nachts mehr Zuwendung brauchen und wir nicht schlafen können oder am nächsten Tag nicht zur Arbeit. So ist es . Wenn man sich auf die Unberechenbarkeit und auch auf die Bedürfnisse eines Kindes nicht einstellen kann, dann ist die Überlegung eher, warum man denn welche haben möchte ? Vielleicht nur um eigene Bedürfnisse zu erfüllen ?

Ich kenne auch Eltern, die sehr solz auf die Grenzen sind, die sie ihren Kindern mit Erfolg setzen: ‚‘ wenn du nicht aufhörst zu heulen, kommst du nach draußen‘‘. So auch passiert, Kind wird einfach vor die Tür gestellt, rausgeworfen also. Klar, dass es bald seine Gefühle nicht mehr weinend äußert.es will ja nicht aus seinem Zuhause ausgeschlossen werden – das ist ja lebensgefährlich für ein kleines Kind.

Usw. usf. Wer Mist macht, fliegt raus. Wer wütend wird, geht allein in sein Zimmer. Das funktioniert. Und ist meiner Meinung nach grausam und hat mit Grenzen setzen nichts zu tun, sondern mit der Unfähigkeit der Erwachsenen die kindlichen Gefühle auszuhalten. Vielleicht weil sie an eigene Traumen rühren ? Und es hat mit unreflektiert ausgeübter Macht zu tun. Ich finde es grausam, weil wir den Kindern so beibringen, dass ihre Gefühle etwas Falsches sind.

Und das machen Eltern, die sich selbst fürchterlich aufregen würden, würde mit ihnen jemand so umgehen. Eine Frau, die weint, weil sie unglücklich ist, würde doch einen Riesentanz machen,wenn ihr Mann sagt, ich bring dich aus dem Haus, hier drin wird nicht geheult. Ohne nachzufragen, was denn genau los ist, ohne in den Arm zu nehmen . Bei den Kindern können wir das machen, denn wir sind stärker.

Meine Kinder schlafen zum Beispiel beide wunderbar, allein und gerne, gehen gerne ins Bett – und das war bei beiden schon immer so. ich führe es darauf zurück, dass ich kein Schlaftraining und ähnliches veranstaltet habe. Ich finde schon das Wort schlimm ! Was soll denn ein Baby oder ein Kleinkind trainieren …

bevor mein erster Sohn geboren wurde, hat mir eine Freundin Ratgeber geschenkt ‚‘ ‚Jedes Kind kann schlafen lernen‘‘ und noch ein anderes von ‚‘Jirina Prekop‘, (Titel habe ich vergessen), die ziemlich Erfolge gefeiert hat. Für mich war das nichts, gar nichts.

Beide Kinder habe ich solange von Anfang in meinem Bett, bzw. Elternbett schlafen lassen wie sie es wollten. Sie sind zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr selbstständig umgezogen. Haben sie geweint, habe ich sie nächtelang im Tragebeutel getragen. Auch wenn man seine Hände darüber über dem Kopf zusammen schlagen könnte – beide sind heute Kinder mit hohem Selbstvertrauen. Überhaupt habe ich sie nie alleine weinen lassen. Das alles nicht, weil ich zu ‚fixiert‘ oder zu weich gewesen wäre – sondern, ich hab mir vorgestellt wie das wohl ist, wenn man so als Baby auf diese Welt kommt. Woher zur Hölle soll man wissen, dass man nun alleine in einem Bett zu festen Zeiten schlafen soll – ohne menschliche Nähe ? Das widerspricht doch der Natur. Menschenkinder kommen nunmal sehr schutzbedürftig und hilflos auf die Welt. Ihr Weinen erfüllt den Zweck, uns herbeizurufen. Anders können sie nicht auf sich aufmerksam machen. Sie brauchen unsere Weichheit !



.. . naja, ich könnte noch viel darüber schreiben.

Auch über die Wutanfälle usw.- die nunmal vorkommen,weil Kinder ihre Gefühle nicht regulieren können. Ist eben so. dann nehme ich sie in den Arm und sage, dass es ok ist. Man darf wütend sein. Man muss nicht aus dem Zimmer gehen. Ich wäre auch sauer, wenn ich Lego spielen will, mir aber sofort die Schuhe anziehen soll, weil es zum Kinderarzt geht- Ja, da schreit man . Wenn ich dann mein Kind in den Arm nehme und ihm sage, dass ich es vollkommen verstehe, wir aber nun trotzdem gehen müssen, dann merke ich, wie sich das Kind entspannt. Weil es angenommen ist, weil es sich ok fühlt und meine Anwesenheit ihm zeigt, dass es nicht alleine in dem Wirrwarr ist.

Was ich auch oft höre von Eltern ‚‘du machst das jetzt !(Tisch decken , whatever) Kind: ‚ och nö, keine Lust‘ Eltern : du machst das sofort , keine Diskussionen ! Kind `: warum ?‘ Eltern laut :‘ weil ich es sage !!!‘‘

ja, super. Es ist einfach , auf diese Art einem Kind gegenüber zu ‚gewinnen‘.

Wir brauchen aber einem Kind nicht das Gefühl zu vermitteln, es habe nichts zu sagen. Kinder sind keine Terroristen oder Verweigerer mit denen man ‚fertig werden‘ muss. Wir sind doch sowieso stärker, es ist doch irgendwie armselig, sein Kind anzubrüllen ‚‘ du musst das machen, weil ich es sage ‘

Es sind einfach Kinder.

Man braucht sich doch nur zu erinnern, wie es war als man selbst klein war.

Wie wichtig es eben war, diese Pfütze zu untersuchen und wie mächtig der Erwachsene, der einen weiterzieht, weil es sein muss und er das Sagen hat. Es läuft besser, wenn man dem Kind dann signalisieren kann ‚‘ hey, ich verstehe dich gut. Und du hast ja Recht . Die Pfütze ist auch wesentlicher interessanter als der Einkauf bei *ldi.

Es kostet uns ein paar Minuten echte Aufmerksamkeit, echtes Interesse am Kind – und es wird dann freiwllig mitkommen und sich anerkannt fühlen.
Ich bekomme von Eltern, auch seitens der Schule oft Lob und positive Rückmeldung, was für ‚ gut erzogene‘ Kinder ich hätte. Mir ist das schon unangenehm , dann. Denn ich habe keine Wunderkinder – sondern einfach Kinder. Kleine Menschen ! Persönlichkeiten ! Die meinen Schutz, meine Sorge, meine Liebe brauchen – genauso wie meinen Respekt. Ich hab sie nicht ‚gut erzogen‘, ich begleite sie aufmerksam. So sehe ich das .
Ich lasse sie viel selbst erfahren, auch lasse ich sie Unsinn machen und ungehorsam sein. Zum Beispiel, wenn der Große keine Hausaufgaben macht, dann wird er schon sehen, was die Lehrerin dazu meint. Ich mische mich wenig ein.

Und ich habe eben viel entgegen der Empfehlungen gemacht – wie das nicht alleine schlafen müssen, das Herumtragen oder auch das nicht essen müssen, wenn sie nicht wollten .

Sie sind dadurch weder verzogen noch irgendwie verweichlicht worden – sondern eben ganz das Gegenteil, voller Selbstvertrauen und innerer Ruhe.

Und ich kann ihnen gegenüber auch Fehler zugeben und anerkennen, dass sie manches tatsächlich besser wissen als ich und manchmal einfach Recht haben, auch wenn es mir nicht passt.

Zum Beispiel, als mein Kleiner jetzt sagte ‚‘ Mama , du bist echt doof‘‘- als ich abends, als er schon schlief, sein Legogebäude aus Versehen umgetreten habe und nicht wieder aufgebaut, weil ich keine Zeit hatte. Ja, das war doof. Hab ich ihm auch gesagt, dass das sehr doof war von mir. Normalerweise rechtfertigt man sich als Erwachsener dann ja gerne ‚‘ ich hab keine Zeit gehabt und außerdem, was steht das hier denn im Weg rum ‚-

und was wäre umgekehrt ? Kind pfeffert aus Versehen irgendwelche Deko vom Tisch und geht weiter, weil es keine Zeit hat ? Die meisten Eltern rufen dann doch reflexartig ‚‘ räum das sofort wieder auf !

Wir können aber nicht Respekt von unseren Kindern einfordern,wenn wir selbst oft keinen zeigen, nur weil sie uns sowieso unterlegen sind.



...jetzt ist es doch soviel geworden !

Wie gesagt, den Film und die Diskussionen kenne ich nicht – deswegen ist das vom Thema her jetzt vielleicht etwas ausgeufert. Ging vielleicht auch am Film vorbei, da dort ja von vorneherein von Problemfällen die Rede war.
Dann tut es mir leid, wenn das jetzt zu ausufernd war - mir hat das beim Thema 'Kinder bekommen zu wenig Grenzen' einfach auf der Seele gebrannt - dass wir uns selbst überprüfen müssen, wie wir selbst das denn so halten mit den Grenzüberschreitungen gegenüber Kindern, die sich ja nicht wehren können.
 
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Admin Wolfgang

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Der Vollständigkeit halber hier noch eine Kritik aus der anderen Richtung, denn die Fachwelt ist sich ja in keinster Weise einig, wie der Film zu bewerten ist.
Naja, es wird auch in der Fachwelt immer mal den einen oder anderen geben, der das anders sieht. Aber, wenn man sich die maßgeblichen Verbände ansieht, die ja für ihre Mitglieder sprechen, dann kann man da aufführen:

1) Die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs) und der DGPs-Interessengruppe Klinische Kinder-und Jugendpsychologie und Psychotherapie

2) Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen

3) Die Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT)

Diese drei hochkarätigen Verbände, die sicherlich die Mehrheit der Psychologen und Psychotherapeuten hinter sich haben, haben sich ganz eindeutig und voll hinter Langers Ansatz gestellt. Da kann man schwerlich sagen, dass die Fachwelt uneins ist bzw. den Ansatz hier in dieser Klinik kritisch sieht, wie mit so gestörten Kindern umzugehen ist.
 
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Admin Wolfgang

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Ging vielleicht auch am Film vorbei, da dort ja von vorneherein von Problemfällen die Rede war.
Ja, Felis, der Film hat nicht mit einer normalen Kindererziehung zu tun, der Film zeigt, wie hochneurotische Kinder, z. T. mit schweren psychosomatischen Störungen, einen Weg zurück in die Normalität finden können, weil alles andere vorher nichts gebracht hat und die Eltern vor dem Kollaps standen.
 

Mrs. Steele

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Naja, Wolfgang, ich hab jetzt hier eine Quelle angegeben, könnte aber noch mehr nennen.
Die Vereinigung analytischer Kinder- und Jugendpsychotherapeuten zum Beispiel hat sich auch kritisch geäußert und ich denke, man kann auch die Meinung von Herrn Prof. Dr. Brisch, der einer der führenden Bindungstheoretiker und Kinderpsychotherapeuten ist, durchaus gelten lassen :zwinkern:
 
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Admin Wolfgang

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Auch der Kinderschutzbund hat sich kritisch geäußert, übrigens. :shakehead:

Man wird in der Fachwelt immer einen kleinen Kreis haben, der schon aus Prinzip gegen den Strom schwimmt, weil natürlich auch unter den Fachleuten eine heftige Konkurrenz über die Deutungshoheit von solchen Dingen herrscht.

Ich war jedenfalls richtig angetan und erleichtert über die klare Stellungnahme der drei großen Verbände, was die empörten Laien unter den Kritikern natürlich nicht anfichten wird - die bei ihrer ablehnenden Haltung bleiben werden, komme was da wolle.
 

Admin Wolfgang

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Ich hab mich jetzt nicht so sehr damit befasst wie das Schneewittchen, die von solchen Dingen mehr Ahnung hat wie ich. Sie hat ja auch schon mit Kindern gearbeitet. Aber, es hat mich sehr gestört, dass die, die die Methode verreißen, selber keinen Verhaltensfahrplan haben, wie mit diesen schwer gestörten Kindern umzugehen ist. Reden und an die Vernunft zu appellieren, geht ja schon bei den Erwachsenen schief, da braucht man sich bei Kindern keine Illusionen machen. Liebe und Verständnis auf allen Ebenen wird auch nicht funktionieren, weil das im Übermaß die meisten der Kleinen ja ursprünglich neurotisiert hat.

Natürlich werden die das gesamte Bezugssystem dieser gestörten Kinder im Auge haben in dieser Klinik. Den Dokufilmern wird es aber in erster Linie darum gegangen sein, den therapeutischen Ansatz bei den kleinen Patienten selber zu zeigen.
 

Johanana

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Jetzt bin ich neugierig auf den Film geworden! :) werde ich mir mal ansehen.
Ich habe beruflich auch mit Kindern und Jugendlichen in "Schieflage" zu tun und meiner Erfahrung nach, ist der Grund hierfür in den meisten Fällen eine Fehlerziehung (bzw. gar nicht erst stattfindende) durch die Eltern.

Ohja, wie häufig höre ich mir die Eltern an und denke "Aber dein Kind ist hier das Problem? Sicher??

Schlechte Gewohnheiten im Familienleben schleichen sich leider leichter ein als man sie wieder herausbringt - meine Große durfte gegen Ende der Schwangerschaft in den ersten Wochen nach der Geburt auch deutlich häufiger Videos schauen, als ich gut fand, aber anders wusste ich mir da nicht zu helfen.
Sobald ich die Nachwirkungen meiner Depression im Griff hatte, habe ich die Ausraster nach dem "Nein" zum Video ausgehalten und jetzt haben wir das gemeinsam wieder in den Griff bekommen. Jetzt gibt's gelegentlich Videos mit Diskussionsversuchen am Ende ;)

Wenn Eltern nicht bereit sind, die Auswirkungen ihrer eigenen Fehler auszuhalten, dann endet das eben mit Kindern die nicht verstehen, weshalb andere ihnen Grenzen setzen (nein, kein singen im Unterricht) und die auch ihre eigenen Grenzen nicht kennen oder nicht verstehen...

Hallo :smile:

ich kenne den Film nicht und auch die Diskussionen im Netz habe ich nicht mitbekommen - daher hab ich da bisher auch gar nichts zur Diskussion sagen wollen – da hier aber schon Meinungen über das ‚Kinder brauchen Grenzen‘ aufgekommen sind, die nicht direkt mit dem Film in Verbindung stehen, möchte ich auch etwas dazu sagen, was mir wirklich am Herzen liegt.

Ich denke ‚ Kinder brauchen Grenzen‘ ist inzwischen auch schon zu einer Art Schlagwort geworden – oft wird nicht reflektiert, was das eigentlich wirklich bedeutet. Meine Meinung ist, Kinder brauchen nämlich auch, dass man IHRE Grenzen respektiert und zwar von Anfang an.

Es sind sich doch sicher alle einig darüber, dass ein Kind einen gesteckten, gesicherten und geschützten Rahmen braucht, in dem es aufwächst und sich orientieren kann. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemand noch anzweifelt. Dass Kinder Grenzen brauchen, ist nicht neu.

Vielleicht aber, dass man ihre anerkennt.

Ich glaube, die Probleme, die viele Eltern schildern: dass ihre Kinder ‚ machen was sie wollen und sie terrorisieren würden, nicht pauschal darauf zurückzuführen sind, die Kinder wären zu laissez-faire ‚erzogen‘. Ich glaube, dahinter steht eher ein Mangel an echter Zuwendung, ein Mangel an echter Bindung seitens der Eltern. Zu wenig Einfühlungsvermögen wie das Leben so ist als Kind gegenüber den übermächtigen Erwachsenen, von deren Zuwendung man abhängig ist.

Meiner Meinung nach kann man seine Kinder dann im besten Sinne ‚erziehen‘ (ich mag das Wort nicht ), wenn man sich um Selbstreflexion, Aufarbeiten eigener Traumen usw. , um den Kontakt zu seinen eigenen Gefühlen und eben eher um Weichheit bemüht, statt um ‚Härte‘. Um ein stabiles empathisches Selbst . Wenn also solche Schieflagen wie geschildert entstehen, dann steht wohl zuallererst auch eine Arbeit an dem psychischen Hintergrund der Eltern auf dem Programm.

Was mir oft auffällt, ist,dass Eltern über ihre Kinder reden als wären sie ihre ‚Gegner‘ . Oft auch abfällig ohne das zu merken, und in deren Beisein . ‚‘die hat mal wieder nur rumgesponnen‘. ‚ der hat mich mal wieder nicht schlafen lassen‘ . Ich finds schlimm. Es ist so unachtsam – und wundert nicht, wenn ‚‘der‘‘ die Eltern dann wirklich ‚‘nicht schlafen lässt“.

Die Kinder sind doch nicht auf die Welt gekommen, um ihre Eltern zu ärgern. Es sind eben Kinder. Oft müssen sie ja von Anfang an sogar in einen Plan passen: dann und dann möchte ich Kinder haben, die Elternzeit geht von dann bis dann ‚ usw. Ja, das kann sein, dass die Kinder den Plan nicht optimal erüllen, vielleicht mehr Betreuung brauchen, vielleicht nachts mehr Zuwendung brauchen und wir nicht schlafen können oder am nächsten Tag nicht zur Arbeit. So ist es . Wenn man sich auf die Unberechenbarkeit und auch auf die Bedürfnisse eines Kindes nicht einstellen kann, dann ist die Überlegung eher, warum man denn welche haben möchte ? Vielleicht nur um eigene Bedürfnisse zu erfüllen ?

Ich kenne auch Eltern, die sehr solz auf die Grenzen sind, die sie ihren Kindern mit Erfolg setzen: ‚‘ wenn du nicht aufhörst zu heulen, kommst du nach draußen‘‘. So auch passiert, Kind wird einfach vor die Tür gestellt, rausgeworfen also. Klar, dass es bald seine Gefühle nicht mehr weinend äußert.es will ja nicht aus seinem Zuhause ausgeschlossen werden – das ist ja lebensgefährlich für ein kleines Kind.

Usw. usf. Wer Mist macht, fliegt raus. Wer wütend wird, geht allein in sein Zimmer. Das funktioniert. Und ist meiner Meinung nach grausam und hat mit Grenzen setzen nichts zu tun, sondern mit der Unfähigkeit der Erwachsenen die kindlichen Gefühle auszuhalten. Vielleicht weil sie an eigene Traumen rühren ? Und es hat mit unreflektiert ausgeübter Macht zu tun. Ich finde es grausam, weil wir den Kindern so beibringen, dass ihre Gefühle etwas Falsches sind.

Und das machen Eltern, die sich selbst fürchterlich aufregen würden, würde mit ihnen jemand so umgehen. Eine Frau, die weint, weil sie unglücklich ist, würde doch einen Riesentanz machen,wenn ihr Mann sagt, ich bring dich aus dem Haus, hier drin wird nicht geheult. Ohne nachzufragen, was denn genau los ist, ohne in den Arm zu nehmen . Bei den Kindern können wir das machen, denn wir sind stärker.

Meine Kinder schlafen zum Beispiel beide wunderbar, allein und gerne, gehen gerne ins Bett – und das war bei beiden schon immer so. ich führe es darauf zurück, dass ich kein Schlaftraining und ähnliches veranstaltet habe. Ich finde schon das Wort schlimm ! Was soll denn ein Baby oder ein Kleinkind trainieren …

bevor mein erster Sohn geboren wurde, hat mir eine Freundin Ratgeber geschenkt ‚‘ ‚Jedes Kind kann schlafen lernen‘‘ und noch ein anderes von ‚‘Jirina Prekop‘, (Titel habe ich vergessen), die ziemlich Erfolge gefeiert hat. Für mich war das nichts, gar nichts.

Beide Kinder habe ich solange von Anfang in meinem Bett, bzw. Elternbett schlafen lassen wie sie es wollten. Sie sind zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr selbstständig umgezogen. Haben sie geweint, habe ich sie nächtelang im Tragebeutel getragen. Auch wenn man seine Hände darüber über dem Kopf zusammen schlagen könnte – beide sind heute Kinder mit hohem Selbstvertrauen. Überhaupt habe ich sie nie alleine weinen lassen. Das alles nicht, weil ich zu ‚fixiert‘ oder zu weich gewesen wäre – sondern, ich hab mir vorgestellt wie das wohl ist, wenn man so als Baby auf diese Welt kommt. Woher zur Hölle soll man wissen, dass man nun alleine in einem Bett zu festen Zeiten schlafen soll – ohne menschliche Nähe ? Das widerspricht doch der Natur. Menschenkinder kommen nunmal sehr schutzbedürftig und hilflos auf die Welt. Ihr Weinen erfüllt den Zweck, uns herbeizurufen. Anders können sie nicht auf sich aufmerksam machen. Sie brauchen unsere Weichheit !



.. . naja, ich könnte noch viel darüber schreiben.

Auch über die Wutanfälle usw.- die nunmal vorkommen,weil Kinder ihre Gefühle nicht regulieren können. Ist eben so. dann nehme ich sie in den Arm und sage, dass es ok ist. Man darf wütend sein. Man muss nicht aus dem Zimmer gehen. Ich wäre auch sauer, wenn ich Lego spielen will, mir aber sofort die Schuhe anziehen soll, weil es zum Kinderarzt geht- Ja, da schreit man . Wenn ich dann mein Kind in den Arm nehme und ihm sage, dass ich es vollkommen verstehe, wir aber nun trotzdem gehen müssen, dann merke ich, wie sich das Kind entspannt. Weil es angenommen ist, weil es sich ok fühlt und meine Anwesenheit ihm zeigt, dass es nicht alleine in dem Wirrwarr ist.

Was ich auch oft höre von Eltern ‚‘du machst das jetzt !(Tisch decken , whatever) Kind: ‚ och nö, keine Lust‘ Eltern : du machst das sofort , keine Diskussionen ! Kind `: warum ?‘ Eltern laut :‘ weil ich es sage !!!‘‘

ja, super. Es ist einfach , auf diese Art einem Kind gegenüber zu ‚gewinnen‘.

Wir brauchen aber einem Kind nicht das Gefühl zu vermitteln, es habe nichts zu sagen. Kinder sind keine Terroristen oder Verweigerer mit denen man ‚fertig werden‘ muss. Wir sind doch sowieso stärker, es ist doch irgendwie armselig, sein Kind anzubrüllen ‚‘ du musst das machen, weil ich es sage ‘

Es sind einfach Kinder.

Man braucht sich doch nur zu erinnern, wie es war als man selbst klein war.

Wie wichtig es eben war, diese Pfütze zu untersuchen und wie mächtig der Erwachsene, der einen weiterzieht, weil es sein muss und er das Sagen hat. Es läuft besser, wenn man dem Kind dann signalisieren kann ‚‘ hey, ich verstehe dich gut. Und du hast ja Recht . Die Pfütze ist auch wesentlicher interessanter als der Einkauf bei *ldi.

Es kostet uns ein paar Minuten echte Aufmerksamkeit, echtes Interesse am Kind – und es wird dann freiwllig mitkommen und sich anerkannt fühlen.
Ich bekomme von Eltern, auch seitens der Schule oft Lob und positive Rückmeldung, was für ‚ gut erzogene‘ Kinder ich hätte. Mir ist das schon unangenehm , dann. Denn ich habe keine Wunderkinder – sondern einfach Kinder. Kleine Menschen ! Persönlichkeiten ! Die meinen Schutz, meine Sorge, meine Liebe brauchen – genauso wie meinen Respekt. Ich hab sie nicht ‚gut erzogen‘, ich begleite sie aufmerksam. So sehe ich das .
Ich lasse sie viel selbst erfahren, auch lasse ich sie Unsinn machen und ungehorsam sein. Zum Beispiel, wenn der Große keine Hausaufgaben macht, dann wird er schon sehen, was die Lehrerin dazu meint. Ich mische mich wenig ein.

Und ich habe eben viel entgegen der Empfehlungen gemacht – wie das nicht alleine schlafen müssen, das Herumtragen oder auch das nicht essen müssen, wenn sie nicht wollten .

Sie sind dadurch weder verzogen noch irgendwie verweichlicht worden – sondern eben ganz das Gegenteil, voller Selbstvertrauen und innerer Ruhe.

Und ich kann ihnen gegenüber auch Fehler zugeben und anerkennen, dass sie manches tatsächlich besser wissen als ich und manchmal einfach Recht haben, auch wenn es mir nicht passt.

Zum Beispiel, als mein Kleiner jetzt sagte ‚‘ Mama , du bist echt doof‘‘- als ich abends, als er schon schlief, sein Legogebäude aus Versehen umgetreten habe und nicht wieder aufgebaut, weil ich keine Zeit hatte. Ja, das war doof. Hab ich ihm auch gesagt, dass das sehr doof war von mir. Normalerweise rechtfertigt man sich als Erwachsener dann ja gerne ‚‘ ich hab keine Zeit gehabt und außerdem, was steht das hier denn im Weg rum ‚-

und was wäre umgekehrt ? Kind pfeffert aus Versehen irgendwelche Deko vom Tisch und geht weiter, weil es keine Zeit hat ? Die meisten Eltern rufen dann doch reflexartig ‚‘ räum das sofort wieder auf !

Wir können aber nicht Respekt von unseren Kindern einfordern,wenn wir selbst oft keinen zeigen, nur weil sie uns sowieso unterlegen sind.



...jetzt ist es doch soviel geworden !

Wie gesagt, den Film und die Diskussionen kenne ich nicht – deswegen ist das vom Thema her jetzt vielleicht etwas ausgeufert. Ging vielleicht auch am Film vorbei, da dort ja von vorneherein von Problemfällen die Rede war.
Dann tut es mir leid, wenn das jetzt zu ausufernd war - mir hat das beim Thema 'Kinder bekommen zu wenig Grenzen' einfach auf der Seele gebrannt - dass wir uns selbst überprüfen müssen, wie wir selbst das denn so halten mit den Grenzüberschreitungen gegenüber Kindern, die sich ja nicht wehren können.

Ich mache sehr viel so wie du und für mich ist es der natürlichere Weg - in dem Sinne, dass ich darüber im Alltag nicht viel nachdenken muss, weil meine Haltung auf mein Kind ausgerichtet ist und nicht auf das von mir erwünschte Verhalten.

Eine ganze Menge an dem Film (nein, auch noch nicht gesehen) klingt so, als wäre es für einen aufs Kind ausgerichteten Menschen schwer auszuhalten - mit der Sonderproblematik das er halt Extremsituationen darstellt, in denen die ursprünglichen Bedürfnisse des Kindes nicht erfüllt oder gewahrt wurden (meine These) und sich daraus eine Neurose entwickelt hat. Der Umgang damit erfordert aber andere Wege als bei einem "gesunden" Kind und ist vermutlich einfach kein gutes Entertainment-Material für Personen, die nicht mit Schwererziehbaren (Eltern, meistens sinds die Eltern) arbeiten.

Leider gibt's für das eine wie das andere keine Patentlösung ... aber alleine den Begriff Elternschule finde ich gut, da gibt es Potential und Bedarf.

Herzlichst
Johanana
 

fiori

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Ich sehe in dem Film Eltern die am Ende ihrer Kräfte sind. Eltern deren Erwartungshaltung an die eigenen Kindern nicht erfüllt wurde und Eltern die Wut und/oder die Verzweiflung an den Kindern auslassen. Dieses Verhalten spiegelt sich meiner Meinung nach in den Kindern wieder. Ein Teufelskreis, der sich durch solch Therapien aufbrechen lässt. Ob es immer gelingt kann ich nicht beurteilen, da ich nicht vom Fach bin.
Aber die Eltern, die sich selber eingestehen dass sie nicht mehr können, sind sicher am besten Weg ihre Kinder und die Beziehung zu ihnen wieder in normale Bahnen zu lenken.

Ich denke, dass sich ganz viele Eltern in der heutigen Zeit bewusst für wenige Kinder entscheiden um selbigen "das Beste" zu bieten. Dadurch kommen die Kinder schon sehr bald auf ein Podest, welches Kinder von früher gar nicht kannten. Kinder auf dem Podest glücklich zu machen ist schwer, denn sie fordern immer mehr ein. Kinder die das Podest nie kennengelernt haben, suchen sich schon früh ihr eigenes Glück (Murmelspielen, Zeichnen,...) , weil die Eltern gar keine Zeit, oder Lust hatten, sie ständig zu beschäftigen. Fixe aufstehen, fixe zu Bett geh, fixe Essenszeiten. Was am Tisch kam wurde gegessen. Es wurde kein Gedös um solche Dinge gemacht, sie waren nicht erwähnenswerter Alltag.

In dem Film habe ich völlig normale Kinder wahrgenommen, die die Alpharolle daheim übernommen haben, weil es die Eltern zu gut gemeint hatten, oder zu schwach waren (das Wort schwach meine ich NICHT wertend)

Ich selber bin eine alleinerziehende Mama eines Einzelkindes mit Autismus / Asperger - am Rande des Spektrums. Fragt mich mal, ob mein Kind sich schon das ein oder andere erlauben durfte, wo ich bei allen anderen schon lange STOP gerufen hätte. ()Kind völlig durch den Wind, als der Papa auszog, usw. Natürlich neigt man dazu die Kinder dann zu verwöhnen, natürlich versuchen die Kinder dann noch mehr rauszuholen. Und natürlich muss man dann wiederum seine eigenen Grenzen aufzeigen. Auch dass wird in der Doku angeschnitten.

Ich finde den Film prima. Das mit dem Spazieren um den See und der Mütze ist einer der besten Imputs die man Eltern (auch mir) geben kann.

- Mein Kind hat mal in einem Supermarkt absichtlich ein glas Joghurt am Boden geworfen. Als ich ihm gesagt habe, dass er das sauber machen muss, hat er sich einfach auf den Boden gesetzt und hat NEIN geschrien. Ich hab mich zu ihm am Boden gesetzt und habe gesagt "wir bleiben so lange, bis du das in Ordnung gebracht hast" Er hat es in Ordnung gebracht und seither nie wieder in einem Supermarkt eine Szene gemacht. Mama reagiert da einfach zu peinlich :PP -

Die Szene, wo die Kinder alleine zum Schlafen im Dunkeln in einem fremden Raum gelassen werden, wäre für mich undenkbar.
Alles anderen gezeigten Szenen im Film finde ich nachvollziehbar und lehrreich.
 

Admina Schneewittchen

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Der Umgang damit erfordert aber andere Wege als bei einem "gesunden" Kind und ist vermutlich einfach kein gutes Entertainment-Material für Personen, die nicht mit Schwererziehbaren (Eltern, meistens sinds die Eltern) arbeiten.

Ganz genau das ist das riesige Missverständnis dabei. In dem Film werden Familien gezeigt, in denen das Kind im wahrsten Sinne bereits in den Brunnen gefallen ist. Es geht nicht um einen Erziehungsratgeber für normale Familien mit normalen Kindern.

Es handelt sich im Film um Ausschnitte einer Therapie. Und mit einer der besten Sätze finde ich (aus der Stellungnahme der "Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Psychosomatik"):
"Das therapeutische Vorgehen ist komplex und für Laien nicht unmittelbar nachvollziehbar."

Und aus der Stellungnahme des BDP: "Kritisieren kann man an dieser Stelle, dass mehrfach Szenen eingeblendet werden, die für den Laien nicht einzuordnen sind. Dies ist jedoch eine Kritik an der Machart des Filmes und nicht an den Kolleginnen und Kollegen, die in der Gelsenkirchener Kinder- und Jugendklinik fachlich fundierte Arbeit leisten."

Und deshalb ist nach reiflicher Überlegung mein größter Kritikpunkt, dass der Film jedem zugänglich gemacht wurde. Denn, das hatte zur Folge, dass Eltern, die dort mit ihrem Kind waren, ihren Finger gehoben hatten um die Dinge bei den Hatern ins richtige Licht zu rücken und selbst beschimpft wurden. Wie es nun den im Film gezeigten Familien geht, mag ich mir gar nicht vorstellen.

Aus der Stellungnahme von der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs): "Zur psychotherapeutischen Behandlung der negativen Interaktionsmuster in den Familien ist auch die Veränderung von ungünstigen kindlichen Gewohnheiten unabdingbar, wie beispielsweise die Verweigerung von Nahrungsaufnahme oder aggressives Verhalten. Im Zuge dieser Veränderungsprozesse treten bei betroffenen Kindern häufig kurzfristige negative Gefühle wie Frustration oder Ärger auf, wenn angenehme oder gewohnte Aspekte der bisherigen problematischen Interaktion wegfallen (z. B. bestimmte Nahrungsmittel zu allen Mahlzeiten oder Hinauszögern des Zubettgehens). Es existieren keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass aus diesen vorübergehend auftretenden negativen Reaktionen auf Seiten der Kinder eine nachhaltige negative Entwicklung folgt oder Kinder gar „gebrochen“ werden – wie dies im Medienecho zum Film teilweise dargestellt wird. Im Gegenteil weisen wissenschaftliche Studien eindeutig darauf hin, dass durch angemessenes, klares und konsequentes Erziehungsverhalten wieder positive Interaktionen zwischen Eltern und Kindern entstehen können und Verhaltensweisen auf Seiten von Kindern und Eltern, welche die körperliche und psychische Entwicklung der Kinder längerfristig stark gefährden können, deutlich reduziert werden. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für eine gesunde psychische Entwicklung von Kindern"

Und das man weinende Kinder sieht, scheint bei vielen Laien und manchem Fachpublikum auf große Irritation zu stoßen. Seitens des Fachpublikums bin ich bei Mrs Steele, da es da m.M.n. einfach um einen Schulenstreit geht, den es schon immer gab und der damit wieder aufgelebt wurde (klar behandelt ein tiefenpsychologisch ausgerichter Therapeut anders. Hier geht es um Verhaltenstherapie).

Ein Kind kann sich übrigens schon ab einem gewissen Alter selbst regulieren. Das muss es aber durch die Eltern gelernt haben. Und das haben diese Kinder nicht gelernt. Nun sind Gewohnheiten und chronifizierte Stressmuster bei den Kindern entstanden, die eben nicht mehr von einfach verschwinden (auch nicht mit gaaaanz viel Liebe), selbst wenn die Eltern ab sofort alles vorbildlich machen würden.
 

Admina Schneewittchen

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Ich sehe in dem Film Eltern die am Ende ihrer Kräfte sind. Eltern deren Erwartungshaltung an die eigenen Kindern nicht erfüllt wurde und Eltern die Wut und/oder die Verzweiflung an den Kindern auslassen. Dieses Verhalten spiegelt sich meiner Meinung nach in den Kindern wieder. Ein Teufelskreis, der sich durch solch Therapien aufbrechen lässt. Ob es immer gelingt kann ich nicht beurteilen, da ich nicht vom Fach bin.
Aber die Eltern, die sich selber eingestehen dass sie nicht mehr können, sind sicher am besten Weg ihre Kinder und die Beziehung zu ihnen wieder in normale Bahnen zu lenken.

Ganz genau!

Natürlich neigt man dazu die Kinder dann zu verwöhnen, natürlich versuchen die Kinder dann noch mehr rauszuholen. Und natürlich muss man dann wiederum seine eigenen Grenzen aufzeigen. Auch dass wird in der Doku angeschnitten.

Ja. Übrigens eines der Beziehungsbedürfnisse: Das Bedürfnis nach Grenzen. Kinder begrenzen sich aber nicht selbst. "Normale Familien" machen das intuitiv. Bei den Familien im Film ist es nicht geschehen, deshalb muss nachgelernt werden, was mehr weh tut erstmal, als wäre es von Anfang an geschehen.

Übrigens werden dort die Hauptbezugspersonen mit therapiert, nicht nur die Kinder.

Ich finde den Film prima. Das mit dem Spazieren um den See und der Mütze ist einer der besten Imputs die man Eltern (auch mir) geben kann.
Ja, das war klasse. Fand ich auch! :smile:
 

Admina Schneewittchen

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Herrn Prof. Dr. Brisch, der einer der führenden Bindungstheoretiker und Kinderpsychotherapeuten ist, durchaus gelten lassen
Ja und er ist soweit ich weiß Psychoanalytiker (Thema Schulenstreit).

Das hab ich auf Brisch's HP gefunden:

Eine sichere Bindung von Anfang an...
Die Entwicklung einer sicheren Bindung zwischen Eltern und Kind ist eine großartige Grundlage
für eine gesunde körperliche, psychische und soziale Entwicklung eines Kindes.
Wir sollten daher alle Anstrengungen unternehmen, Eltern und Kinder in ihren ganz frühen
Entwicklungsphasen so gut zu unterstützen, dass dieser wichtige Entwicklungsschritt
bestmöglich gelingen kann. Karl Heinz Brisch


Ja, eine sichere Bindung von Anfang an. Nur, sie ist da eben nicht gegeben von Anfang an, diese sichere Bindung bei den zu behandelnden Familien. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Ich bin fachlich sehr interessiert, wie Brisch diese Kinder behandelt (weiß leider aber nicht, wie er das macht).

Nochmal zum Ausgangsthema: Was mich stört ist nicht eine sachliche (!) und fachliche Kritik und konkrete alternative Behandlungsansätze. Ganz im Gegenteil, das interessiert mich.
Was mich immens gestört hat und mich so erschreckt hat, war die Verleumdung der Klinik, die manipulative Hetze und der tiefe abwertende Hass, der sich da breit gemacht hat und Worte wie "Nazi-Methoden", Gewaltverherrlichung usw. Und das von Laien, die natürlich am allerbesten wissen, wie man *diese* Kinder therapeutisch behandelt: Nämlich mit gaaaanz viel Liebe. ;) Ich habe teils wirklich am Verstand der Leute gezweifelt und bin dann eben zu dem Schluss gekommen, dass sehr viele den Film überhaupt gar nicht verstanden haben und es "am besten wissen" auch wenn sie es nicht wissen und er deshalb am besten gar nicht an die Öffentlichkeit gelangt wäre. Was ich trotzdem schade finde, da ich den Film an sich sehr wichtig finde. Selbst die Doku-Regisseure, die übrigens voll hinter der Klinik stehen und nicht eine einzige fragwürdige Szene während des wohl einjährigen Drehs gesehen haben, sagen inzwischen: Sie würden einen solchen Film nicht mehr drehen. Weil sie sich schlichtweg nicht mehr trauen würden.

Und, ich find das traurig. Weil es nicht sein darf und es zuviel für die heutige Erziehungsgesellschaft ist. :(
 

Admina Schneewittchen

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So und jetzt noch als letztes (sorry, hab erst alles nach und nach nachlesen müssen):
Ich glaube, ein großes Problem des Filmes ist, dass die gezeigten Szenen wesentliche Anteile dieser dort praktizierten Therapie nicht darstellen. Das, was noch mit den Eltern und Kindern "hinter den Kulissen" gemacht wird, findet dort keinen Platz, ist aber zum Beispiel in dem Interview mit Herrn Langer aus der SZ nachzulesen.
Also ich meine damit, dass eben nicht nur diese verhaltenstherapeutisch orientierten Interventionen in Bezug auf die Regulationsstörung dort gemacht werden, sondern eben auch bindungsbasierte Therapiebausteine angeboten werden und auch zum Beispiel an den Traumatisierungen der Eltern gearbeitet wird, was ich für elementar wichtig erachte. Das kommt mir persönlich im Film zu kurz, das kann man so nicht wissen, und deshalb hinterlässt er einen krassen Beigeschmack.
Ja, das kommt zu kurz in der Doku, wird nur immer wieder angedeutet. Das habe ich persönlich anhand der Andeutungen in der Doku aber gleich so interpretiert und auch sofort für mich so eingeordnet (so dass in mir keine Abwertung und kein Widerstand entstanden ist), dass sie das verfolgen, es aber einfach nicht alles machbar war in der Kürze der Zeit, zu zeigen. Die Doku hat den Fokus anders gelegt. Was folgte, war ein in großen Teilen traumatisiertes Publikum. :lach:

Aber, es hat mich sehr gestört, dass die, die die Methode verreißen, selber keinen Verhaltensfahrplan haben, wie mit diesen schwer gestörten Kindern umzugehen ist. Reden und an die Vernunft zu appellieren, geht ja schon bei den Erwachsenen schief, da braucht man sich bei Kindern keine Illusionen machen. Liebe und Verständnis auf allen Ebenen wird auch nicht funktionieren, weil das im Übermaß die meisten der Kleinen ja ursprünglich neurotisiert hat.

Natürlich werden die das gesamte Bezugssystem dieser gestörten Kinder im Auge haben in dieser Klinik. Den Dokufilmern wird es aber in erster Linie darum gegangen sein, den therapeutischen Ansatz bei den kleinen Patienten selber zu zeigen.
Ganz genau, Wolfgang! :smile:
 

Admin Wolfgang

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In dem Film habe ich völlig normale Kinder wahrgenommen, die die Alpharolle daheim übernommen haben, weil es die Eltern zu gut gemeint hatten, oder zu schwach waren (das Wort schwach meine ich NICHT wertend)
Das ist eine sehr gute Beobachtung fiori. Ganz genau so ist es.

In einem natürlichen Umfeld haben bei Mensch und Tier die Kinder einen ganz niedrigen Rang, weil sie ja den Widrigkeiten des Lebens weniger gut standhalten können als die Erwachsenen. Der Mensch z. B. bringt den hilflosesten Säugling auf die Welt von allen Lebewesen.

Kinder sind darauf angewiesen, dass die Erwachsenen sie beschützen. Das bedingt die Rollenverteilung; der Erwachsene ist oben, der Nachwuchs unten.

Eltern müssen ihre Kinder bedingungslos lieben, aber, sie auf Augenhöhe mit den Eltern zu stellen, wird ihnen einen Rang einnehmen lassen, für den sie kein seelisches Rüstzeug im Gepäck haben. Und dann ist es nur ein kleiner Schritt für einen Sechsjährigen, dass er mit seinen Launen und Befindlichkeitsstörungen das Kommando über die Familie übernimmt. Und dann müssen die Erwachsenen sich ganz warm anziehen, weil ab da haben sie nichts mehr zum Lachen.
 

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