Hi Graceland. Ich kann dich schon verstehen, glaub ich. Mein AM bezeichnet uns auch als Beziehung, und wenn ich sage - neee, das ist eine Affäre, dann ist er ganz entsetzt, weil er mich als mehr als das sieht. Vielleicht sollte ich sagen, als etwas anderes, denn da geht es ja nicht um mehr oder weniger (jedenfalls nicht um mehr oder weniger Gefühle oder Wertigkeit) - es geht um gleich oder anders, und die Umstände sind nunmal anders als in einer "echten" Beziehung.
Ich denke, es macht halt auch einen Unterschied, ob man sagt "Ich bin nur eine Affäre resp. Affärenfrau" oder "Die Art der Beziehung, die wir zueinander haben, ist eine Affäre".
Ich fühle mich auch nicht als Affärenfrau, nicht wie er mich behandelt, und auch umgekehrt nicht, wie ich ihn behandle. Trotzdem ist die Art der Beziehung eine Affäre. Geheim, inoffiziell, betrügerisch.
Mein AM hat sehr dagegen gesprochen, bis ich ihm gesagt habe: Dann ist es eben eine Beziehung - eine, von der niemand wissen darf und die immer hinten ansteht und sich nach den anderen Gegebenheiten richten muss, die als erstes draufgeht, wenn irgendwas an den vielen Rädchen im Leben nicht mehr ineinandergreift und abhängig ist von allen anderen Beziehungen, die man verleugnet, wenn es mal hart auf hart kommt und die man nicht rettet, wenn man sich entscheiden muss.
Völlig egal, wie man es nennt, solange man begreift, was es bedeutet: dass diese Affärenbeziehung in einer langen Kette von Abhängigkeiten das letzte Glied ist. Also vielleicht nicht das Schwächste, aber das, was immer mitbetroffen ist, wenn dazwischen was anderes passiert oder reißt. (Falls ich damit verdeutlichen kann, was ich meine).
Ich denke, dass er sich vielleicht damit schon etwas vormacht, da er ja denkt, er gibt dir genug (eine Beziehung) - was er dir n Wirklichkeit genau NICHT gibt. Denn er gibt dir keine Beziehung. Bei ihm ist es leichter, er hat eine EF zuhause und in seinem Leben füllst du alles aus, was möglich ist. Das hat gar nichts damit zu tun, ob er mit EF glücklich ist oder nicht. Für ihn ist das eine echte Beziehung, da es alles abdeckt, was abzudecken ist oder möglich ist. Für dich allerdings nicht. Bei dir wäre eine ganz andere Art des Zusammenseins möglich.
Wenn du damit auch so glücklich bist, ist das gut und ok.
Man muss sich wahrscheinlich nur immer wieder bewusst machen, wie die eigene Situation tatsächlich aussieht und wie sie ohne AM oder mit einem Mann, der ebenfalls ungebunden ist, aussehen würde.
Ich weiß nicht, ob man meine Gedanken dazu versteht. Bei mir ist es zum Beispiel so, dass ich ebenfalls verheiratet bin, nicht nur mein AM. Wir decken gegenseitig das ab, was offen ist im anderen Leben. Daher ist es relativ egal, ob man Beziehung oder Affäre dazu sagt. Hier heißt es manchmal, die Machtverhältnisse sind ausgeglichen, aber für mich ist das oft gar nicht unbedingt Macht, es sind die Perspektiven, die sich zwangsläufig ändern, je nachdem ob man z.B. aus einer Ehe oder einem Single-Dasein darauf schaut. Aus unterschiedlichen Perspektiven kann ein- und dieselbe Form schon sehr verschieden aussehen. Und beides stimmt...