In der Regel haben Männer aber „keine Angst“ vor einer Bindung. Im Kern handelt es sich wohl meist um ein anderes Nähe-Distanz-Bedürfnis, wenn eine Beziehung besteht, oder, wenn keine Beziehung besteht oder eine Affäre nicht zu mehr wird, dann ist es wahrscheinlicher, dass der Mann einfach zu wenig „on fire“ ist, um sich festzulegen bzw. zu abgelascht von der Frau ist, um eine Beziehung zu wollen.
Evolutionär gesehen sind Männer deutlich häufiger bereit, sexuelle Kontakte oder lose sexuelle Beziehungen zu Frauen einzugehen, mit denen für sie keine Paarbeziehung in Frage kommt, da ihr Zugang zu Sex in der Regel knapp ist und sie deutlich weniger davon bekommen als sie wollen. Die evolutionäre Funktion beim Mann bevorzugt auch daher kurzfristige Strategien eher als bei Frauen (da sind kurzfristige Strategien am sinnvollsten, wenn sie kurzfristigeren Sex außerhalb und zusätzlich zu einer bestehenden Partnerschaft finden, da es für Männer, bis auf einen erst kurzen Abschnitt der letzten Jahrzehnte, kaum möglich war, ihre Vaterschaft bei Kindern festzustellen. Die Kosten des Nachwuchses eines anderen Mannes mussten sie so nicht alleine tragen, haben aber dessen „gute Gene“ dennoch mit ihren kombiniert.)
In der klinischen Psychologie gibt es Bindungsangst meines Wissens auch nicht. Mir selbst ist dieser Begriff auch bislang nur in populärwissenschaftlichen Artikeln begegnet und wurde dort auch eher diffus und konturarm benutzt. Darunter wurden dann unterschiedlichstes Verhalten subsumiert, was irgendwie im Entferntesten mit einer Vermeidung von Beziehung zu tun hat.
Ich vermute, dass wir mit dem Begriff eine Situation bzw Konstellation rationalisieren, um unseren Selbstwert als in dem Fall Abgelehnter zu erhalten. Nicht meine Person und ihr Wert sind „zu niedrig“ oder die Liebe meines Gegenübers, sondern eine Disfunktionalität in seiner Persönlichkeit, ähnlich einer Erkrankung, für die natürlich weder ich noch mein Gegenüber etwas kann.