Ihr Lieben,
ich möchte gerne einen Überblick zu unserer aktuellen Situation schreiben und habe nun länger überlegt, in welchen Strang es passen würde (dachte an den von mir eröffneten Strang in der Plauderecke, wollte diesen aber nicht persönlich 'beschweren') und denke, es passt am besten hier.
Ja, wie geht es uns...es ist schwer zu sagen und dann doch wieder einfach: denn kurz gesagt, geht es uns gut, da wir gesundheitlich körperlich sehr ok sind (wieder ok sind, dazu noch mehr) und unsere finanziellen Einbußen aufgrund der Coronakrise sich im Rahmen halten derzeit. Wir haben also keinen aktuellen Mangel.
schwierig zu sagen, weil: wie soll es einem gehen, wenn man einen Teil der Familie und der Freunde in Italien in Krankenhäusern weiß, aber keine genaueren Nachrichten bekommen kann aufgrund der Lage. Man auch über manche liebe Menschen rein gar nichts weiß, weil sie nicht mehr erreichbar sind. Obwohl der Norden Italiens doch so nah ist. wenn ich sehe, dass es meinem Mann seelisch schlechter geht von Tag zu Tag, er sehr ruhig geworden ist, sehr schmal, sehr blaß.
Dazu kommen die diffusen Ängste, die vermutlich auch viele hier in Deutschland spüren: wie geht es weiter ? sind wir in Gefahr ? und was bedeutet es für uns langfristig wirtschaftlich ?
dann mache ich mir viele Gedanken über die weltpolitische Lage. über die humanitäre Katastrophe, die sich in Flüchtlingslagern ausbreiten kann - zu der ohnehin schon bestehenden menschlichen Katastrophe dort. und konkret über Kinder in der Schulklasse meines älteren Sohnes, von denen ich weiß, dass sie in nicht schönen sozialen Umständen leben und nun niemand mehr schaut und auch niemand ans Telefon geht, wenn mein Sohn anruft. und über vieles andere mehr.
wie unterschiedlich mein Umfeld auf die aktuelle Lage reagiert, registriere ich mit Staunen, manchmal mit Sprachlosigkeit, manchmal auch mit Freude. Wenn zum Beispiel die Lehrerin meines Sohnes einen persönlichen handgeschriebenen Brief schickt mit einem schönen kindgerechten Text und einem Schoko-Osterschäfchen. Fassungslosigkeit, wenn Menschen nur klagen, dass sie ' nicht mehr machen können, was sie wollen '. Irgendwie sprachloses Staunen, dass es Menschen gibt, die das alles gerade einfach genießen, weil sie frei haben - ungeachtet der Weltprobleme.
Ja, hm. Ich selbst gehe nachdenklich und schwerer als sonst durch die Zeit. ich habe schon einige schwierige Zeiten erlebt, auch Verluste lieber Menschen, Todesfälle...aber irgendwie hatte alles einen 'gesicherten Rahmen', in dem dieses passierte. Dieser Rahmen fällt gerade weg. Wie ich darauf reagiere...ich finde es auch interessant, zu spüren, was ' es mit mir macht' und im Großen und Ganzen bin ich zufrieden mit mir. Es ist ok und richtig,wenn ich manchmal einfach nur traurig, am Boden und verzweifelt bin, auch weil es es mir alles so leid tut für meine betroffene Verwandtschaft, meine Freunde - und für meinen Mann. es ist auch ok und richtig, manchmal einfach nur Angst zu haben. und ok und richtig, manchmal nur die Sonne auf der Haut zu spüren und sonst nichts und zufrieden zu sein.
dieses Wochenende nun wurden wir krank. Ich dachte erst, es wäre psychisch aufgrund der Themen, die uns belasten.
Doch das erklärt nicht, warum es beim älteren Sohn anfing ( denn die Kinder sind seelisch wohlauf und guter Dinge) , mit Brechdurchfall usw. Ich dachte, er hat vielleicht irgendwas Komisches gegessen, denn angesteckt haben kann er sich ja nicht aufgrund fehlender Außenkontakte. Dann bekam ich einen Tag später Gliederschmerzen, starke Kopfschmerzen, Halsschmerzen und fühlte mich vollkommen fertig. Zeitgleich mein Mann Erkältungssymptome. Unser jüngerer Sohn hatte nichts.
Nachdem ich es geschafft hatte, beim ärztlichen Bereitschaftsdienst durchzukommen (Gesundheitsamt war erst gestern möglich), war die Anweisung, dass wir am besten von der Isolation in die Quarantäne übergehen (also kein Einkaufen und Spazieren mehr) - das hätte ich sowieso gemacht. Ein Test ist nicht angesagt. was ich nicht verstehe - egal was es ist/war - wo haben wir uns bloß angesteckt ? wir gehen nur noch ab und zu einkaufen, sonst nichts. bekommen Pakete und Post...aber sonst ?
Heute nun geht es mir wieder ziemlich gut, ich habe nur noch Halsschmerzen - mein Sohn ist wieder ganz fit und Eros hustet und niest nur noch ein bisschen.
ob das jetzt schon dieses Corona Virus gewesen sein sollte...schön wäre es. Denn dann wären wir ja immun - was auch heißen würde, wir könnten anderen helfen.
Hilfe werden unsere Angehörigen in Italien dringend nötig haben, auch finanziell - ein weiteres belastendes Thema, da wir selbst rechnen müssen.
Was eine Freude ist: die Kinder. und ich denke oft daran, was meine Großeltern geleistet haben, wenn sie meinen Eltern in Kriegszeiten schöne Weihnachten usw. bereitet haben. Trotz des Mangels, der schlimmer war als der derzeitige.
Den Kindern geht es gut. Sie freuen sich auf Ostern, sind viel ruhiger als sonst (anstatt am Rad zu drehen wegen der Einschränkungen), basteln auf dem Balkon und sind irgendwie immer gut drauf.
Insgesamt eine Zeit, in der viel passiert in mir. Mal sehen, wie wir daraus hervorgehen, ich bleibe zuversichtlich, dass wir es irgendwie alles 'gut hinbekommen'.
Fühlt euch umarmt von mir