Habe mich in letzter Zeit ein wenig mit dem Thema Rebound-Beziehung auseinandergesetzt, motiviert von der Frage, ob die neue Beziehung meiner Ex in diese Kategorie von Beziehung fällt. Trotzdem bin ich natürlich kein Experte oder sowas.
Neben vielen YouTube-Videos, die durch die Bank weg alle sehr oberflächlich waren, habe ich auch einige wissenschaftliche Publikationen gelesen, die etwas differenzierter und objektiver waren.
Was ist ein Rebound?
Zunächst einmal scheinen Rebound-Beziehungen gar nicht so eindeutig definiert zu sein. Insbesondere auf YouTube und in Blogartikeln versteht man unter einem Rebound in der Regel eine Beziehung, die unmittelbar nach dem Scheitern einer ernsthaften Beziehung eingegangen wird. Hier dient also nur der zeitliche Abstand (der leicht messbar ist) als Kriterium für die Frage: "Rebound, wahrscheinlich ja oder wahrscheinlich nein?".
Im Eingangspost zu diesem Strang wurde ein Rebound etwas anders definiert. Dort heißt es:
Mod Corle schrieb:
Eine Rebound Beziehung bezeichnet in der Regel die Gegebenheit, dass die aktuelle Beziehung von der vorherigen Beziehung beeinflusst wird.
Nach dieser Definition dient nicht der zeitlichen Abstand zwischen der neuen und der alten Beziehung als Kriterium, sondern der Grad der Verarbeitung der alten Beziehung. Diese Definition ist insofern unbefriedigend, als, dass der Grad der Verarbeitung von außen nicht einsehbar ist. Dennoch scheint mir dieses Kriterium brauchbarer zu sein, als der zeitliche Abstand.
Den Grad der Verarbeitung kann man leider nicht direkt messen, aber er lässt sich anhand von Indikatoren abschätzen, die von außen sichtbar sind. Die meisten dieser Indikatoren sagen vermutlich aber nichts darüber aus, ob es sich tatsächlich um eine Rebound-Beziehung handelt, sondern bloß, ob es sich um einen Kontext handelt, in dem Rebound-Beziehungen eingegangen werden (mehr dazu später).
Was ist die Funktion eines Rebounds?
Bis vor kurzem war ein Rebound für mich einfach nur eine Beziehung, die, aufgrund der fehlenden Verarbeitung der alten Beziehung, mit höherer Wahrscheinlichkeit scheitert, als eine "normale" Beziehung. Die Gründe für das Scheitern der Rebeboundbeziehung können vielfältig sein. Gründe können zum Beispiel das "Verschleppen" von unpassenden Gewohnheiten sein, oder aufkommendes Misstrauen, welches entsteht, wenn ein Partner zu oft über seinen Expartner spricht.
Erst später stieß ich auf eine recht interessante Theorie, die davon ausgeht, dass Menschen aus unterschiedlichen Gründen sexuelle Beziehungen zu anderen Menschen eingehen. Nicht immer geht es nur darum, sich zu reproduzieren.
Auf YouTube und in vielen Blogartikel werden Rebound-Beziehungen als grundsätzlich schlecht dargestellt. Wer eine Rebound-Beziehung eingehe, mache einen Fehler. Wer das so sieht, muss sich aber die Frage gefallen lassen, warum Rebound-Beziehungen dann so häufig sind. Wäre es ein Fehler, sich nach einer gescheiterten Beziehung in einen Rebound zu stürzen, hätte die natürliche Auslese dieses Verhalten dann nicht längst mit dem Aussterben der Menschen mit diesem Verhalten bestrafen müssen? Warum hat das "Rebound-Gen" überlebt?
Vermutlich handelt es sich bei Rebound-Beziehungen um eine evolutionär stabile Strategie. Mit anderen Worten: Rebound-Beziehungen sind gar kein "Fehler", sondern sie erfüllen einen bestimmten Zweck ... sie machen "spieltheoretisch" betrachtet Sinn. Klar ist ein Rebound mit Nachteilen verbunden, aber darum geht es ja nicht. Man darf nicht nur die Nachteile angucken, man muss Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen und man muss das Ergebnis mit der alternativen Strategie vergleichen, die darin besteht, keine Rebound-Beziehung einzugehen. Diese Berechnung ist vermutlich zu kompliziert um sie auf dem Papier durchzuführen. Ob eine Strategie in einem komplexen Kontext "gut" ist, kann nur die Evolution beantworten.
Die Evolution scheint mehrere "Gründe" hervorgebracht zu haben, aus denen Menschen sexuelle Beziehungen eingehen. Wir alle kennen einen dieser Gründe: Das Anstreben einer Langzeitbeziehung mit dem "bestmöglichen" Partner, die dazu dient, Nachwuchs in die Welt zu setzen. Um den zu diesem Zweck "bestmöglichen" Partner zu finden, legen wir Menschen Entscheidungskriterien an, die sich - je nach Geschlecht - unterscheinden. Vereinfacht gesprochen achten Männer bei der Frau auf gutes Aussehen und Frauen achten beim Mann auf Ressourcen. Dies ist sozusagen der normale "Betriebsmodus" von Menschen bei der Partnerwahl.
Je nach Kontext scheint es noch einen weiteren "Betriebsmodus" zu geben, bei dem bewusst kurzfristige sexuelle Beziehungen angestrebt werden, deren primäres Ziel
nicht darin besteht, Nachwuchs in die Welt zu setzen. Es gibt vermutlich nicht den einen Grund warum Menschen das tun, sondern es gibt verschiedene Effekte, die in der Summe dafür sorgen, dass sich diese Strategie "lohnt".
Wer das "Rebound-Gen" in sich trägt, gelangt nach dem Scheitern einer ernsthaften Beziehung in einen "Betriebsmodus", in dem andere, als die oben genannten Kriterien bezüglich der Partnerwahl gelten. Zum einen werden Partner tolleriert, die normalerweise nicht den Anforderungen genügen würden: Etwas zu jung, etwas zu alt, etwas zu wenig attraktiv, etwas zu wenige Ressourcen etc. und zum anderen scheint es zu einer Verschiebung der Prioritäten zu kommen. In einer Publikation wurden Betroffene diesbezüglich befragt und es stellte sich heraus, dass das Nummer eins Kriterium zu sein scheint, mit dem Partner Spaß haben zu können. Die Funktion der Rebound-Beziehung scheint also in erster Linie die Ablenkung zu sein.
Was mir (noch) nicht ganz klar ist: Tritt der Rebound-Betriebsmodus anstelle des "normalen" Betriebsmodus in Kraft, oder gilt er zusätzlich? Ich vermute, dass letzteres der Fall ist.
Auch verstehe ich noch nicht so ganz, wie/warum der Rebound scheiternt. Scheitert der Rebound passiv oder scheitert er aktiv sobald er seinen Zweck erfüllt hat? Mit anderen Worten: Läuft eine Rebound-Beziehung wie eine "normale" Beziehung ab, d.h. hat sie grundsätzlich Potential, langfristig zu funktionieren, oder wird irgendwann der "Not-Aus" aktiviert, sobald der Rebound seinen Zweck erfüllt hat?
Was sagt uns das jetzt?
In einem bestimmten Kontext (zum Beispiel nach einer schmerzhaften Trennung) "lohnt" es sich, einen Typ von Beziehung einzugehen, den Mann oder Frau normalerweise nicht eingehen würde. In einer der Publikationen wurde berichtet, dass den Menschen, die diese Art von Beziehung eingehen, zumindest teilweise bewusst ist, was sie da tun.
Interessanterweise hat meine Ex auch ein paar Aussagen gemacht, die darauf schließen lassen, dass ihre neue Beziehung nicht für die Ewigkeit geplant ist.
Auch ich war nach der Trennung motiviert, eine Rebound-Beziehung einzugehen, habe aber nach kurzer Zeit die Notbremse gezogen. Vor meiner Trennung hätte ich mir eine Beziehung zu dieser Frau niemals vorstellen können. Nach der Trennung schien es plötzlich möglich zu sein. Letzten Endes hat hier mein Verstand zwar über meine (schwachen) Gefühle gesiegt, aber eine Motivation, mit dieser Frau eine Beziehung einzugehen, konnte ich durchaus feststellen.
Woran erkennt man einen Rebound?
Ich denke, dass man hier zum einen die Situation bewerten muss und man zum anderen schauen muss, ob der potentielle Rebound-Partner in das übliche Beuteschema passt. Ist in diesem Kontext ein Rebound grundsätzlich wahrscheinlich? Passt dieser Partner in das Standard-Beuteschema oder kann er nur über das "erweitere" Beuteschema einer Rebound-Beziehung erklärt werden.
Eine strenge Wissenschaft ist das natürlich nicht.
Zuletzt modifiziert von ImmortalHope am 25.06.2016 - 14:52:16