Anschließend führt Banane seinen 84 jährigen Vater an, der zur Hochrisikogruppe gehört. Seine Aussage kann ich nur so verstehen, dass er billigend in Kauf nehmen würde, wenn sein Vater auf Grund einer Triage zum Wohle der Wirtschaft, aller Menschen und der Welt im Ernstfall z.B. nicht beatmet würde.
Ich hielt es daher für legitim nachzufragen, ob sich seine Meinung ändern würde, wenn in einer solchen Entscheidung z.B. seine Frau involviert wäre.
Deine Fragen an mich fand ich schon etwas abwertend und suggestiv River. Nur weil ich deinen Ansichten mit sachlichen Argumenten begegne, die eine andere Seite dieser Krise beleuchten sollen und ich auch eine andere Haltung dazu habe als du und andere hier.
Erstmal ist mein Vater nicht 84, sondern 78. Er hat COPD in einem sehr fortgeschrittenen Stadium. Er wird voraussichtlich leider so oder so nicht mehr allzulange leben. Natürlich würde ich mich sehr freuen, wenn er nicht jetzt schon an einer durch Corona ausgelösten Lungenentzündung sterben müsste. Er könnte so nochmal seine Enkel im Sommer sehen und schöne Momente verleben. Und auch ich könnte noch Zeit mit ihm verbringen, wertvolle Zeit. Aber, er bekommt auch so schon sehr schwer Luft, sein Lebensmut sinkt, seine Lebensqualität auch und wenn es ihn angesichts dieser Krise „treffen“ sollte, weil er über eine unglückliche Verkettung angesteckt würde, dann wäre das für mich sehr traurig, aber keine Katastrophe. Eine Katastrophe wäre es für mich hingegen, mich nicht mehr von ihm verabschieden zu dürfen!
Meiner Meinung nach sollte es für keinen Menschen auf der Welt eine Katastrophe darstellen, wenn unsere Eltern, und eines Tages auch wir selbst, nach einem langen Leben sterben und das so human (selbstbestimmt) wie möglich, weil wir alle irgendwie sterben müssen. Deshalb bin ich auch nicht dafür diese alten Menschen mit Vorerkrankungen im Krankenhaus zu isolieren, wenn sie Corona haben. Die wenigsten dieser stark vorbelasteten Menschen werden diese Viruserkrankung überleben, ob mit oder ohne Atemmaske, solange noch kein geeignetes Gegenmittel existiert, aber es wird den Angehörigen und ihnen selbst verwehrt sich zu verabschieden und sie sind allein und ohne ihre Lieben, wenn sie sterben müssen.
Opfern möchte ich meinen Vater deshalb nicht, aber wenn der Preis dafür ist, dass Millionen von Menschen ihre Existenz verlieren und im Zuge dessen großes Leid über diese Menschen kommt und unsere Kinder mit Schulden umgehen müssen, die ihnen für die Zukunft kaum noch Luft zum leben und „reagieren“ lassen, dann ist der Preis der Lebenszeit, die mein Vater und viele andere alte Risikopatienten gewinnen würden für mich schlichtweg zu hoch.
Wenn meine Ehefrau mit unter 40 schwer an Corona erkranken würde (was eher die Ausnahme darstellt, aber trotzdem vorkommt und möglich ist), dann würde ich erwarten, dass sie intensivmedizinisch betreut wird. Falls es zu diesem Zeitpunkt Engpässe im Gesundheitswesen geben sollte, dann erwarte ich, dass man ihr den Vorrang vor einem sehr alten schwer kranken Menschen einräumen würde, übrigens auch wenn ich irgendwann mal dieser alte Mensch wäre. Und mir ist bewusst welche Traumata das bei den Krankenhausangesellten auslösen kann, solche Entscheidungen treffen zu müssen.
Verstehe mich bitte nicht falsch River. Ich bin kein Befürworter der ganz krassen Herdenimmuniserung. Bei dieser würden vermutlich ca. 30 Mal so viele Menschen sterben, wie mit Abflachung der Kurve (so war es zumindest bei spanischen Grippe im ersten Weltkrieg, wenn man bestimmte Städte mit und ohne Maßnahmen in den USA vergleicht). Ich halte aber den Leitsatz, dass der unbedingte Schutz des Lebens vor allem unserer älteren Menschen jetzt erstmal an aller erster Stelle stehen muss nur eingeschränkt für angemessen. (Ich halte aber sehr wohl den aktuellen Shut-Down für angemessen, um erstmal Zeit zu gewinnen, Daten zu sammeln, forschen zu können und sich besser aufstellen zu können.) Denn dieser Schutz kann im schlimmsten Fall das Leben von Menschen zerstören, die daran noch deutlich mehr Jahre zu leiden hätten. Oder er kann sogar noch viel viel mehr Menschenleben kosten. Unsere Wirtschaft ist die Existenzgrundlage für die Milliarden Menschen auf dieser Welt, nicht mehr und nicht weniger.
Wir sollten als Gesellschaft alles in unserer Macht stehende tun, in dieser schwierigen Situation die angemessenen Entscheidungen zu treffen. Dazu gehört es abzuwägen, welchen Preis wir bereit sein dürfen zu zahlen. Wie lange wir bestimmte Maßnahmen aufrechterhalten können/sollten bevor die mittelbaren Auswirkungen dieser Krise die unmittelbaren um ein Vielfaches übersteigen. Diese Diskussion nicht zu führen, das wäre meines Erachtens unvernünftig und inhuman. Das sind schwierige Fragen und diese müssen interdisziplinär diskutiert und gemeinsam Antworten gefunden werden und zwar bereits JETZT und jeden Tag aufs Neue immer auf Basis des aktuellen Wissenstandes.
Ich hoffe sehr, dass wir genügend Zeit gewinnen werden, damit wir unsere Eltern und Großeltern sowie auch die jungen Menschen mit einschlägigen Vorerkrankungen mit einem wirkungsvollen Medikament noch etwas mehr Lebenszeit ermöglichen können und ich hoffe sehr, dass zumindest in Deutschland ein Kollaps des Krankenhaussystems verhindert werden kann, ohne, dass die sekundären Folgewirkungen zu groß werden. Denn natürlich hat auch der alte und/oder kranke Mensch ein Recht auf die bestmögliche medizinische Versorgung, so wie auch jeder Mensch das Recht haben sollte in der Welt des 21. Jahrhunderts nicht an Hunger zu sterben.