Ihr Lieben, Salidos, Felis und Eaglechen,
ich freu mich sehr, sehr über eure Posts und über eure Meinungen!
Und danke Salidos für das Nennen der Serie - kannte ich noch nicht, werde ich aber nachholen.
Ich will euch kurz sagen, wie es mir ergangen ist, als ich diese Reportage gesehen habe: Ich gebe zu, ich habe erstmal ein paar Tränchen verdrückt. Mein spontanes Gefühl was ich dabei hatte, war, dass es mich einfach berührt hat auf eine nicht-wertende Weise und dann hab ich gewertet für mich und dachte nur: Ui, toll irgendwie. Dann hab ich weitergedacht und mich haben die verschiedenen Reaktionen im Netz auf diese Reportage nachdenklich gemacht. Es gibt eine sehr kontroverse Diskussion darüber - auch unter Fachleuten. Sie sagen, dass (Zwangs-)Prostitution damit bagatellisiert wird. Was mich im ersten Moment gewundert hat, weil ich das spontan nicht so gesehen habe und ich habe mich hinterfragt, weil ich mir dann dachte: Sehe ich das zu naiv? Ich denke: Nein. Ich finde es nach wie vor sehr respektabel und berührend und positiv und dennoch gibt es wohl auch ein paar kritische Punkte zu beachten, die ich in meiner Spontaneität so nicht gesehen habe.
Fazit: Mich hat diese sensible, ernsthafte Dokumentation also sehr berührt aus verschiedenen Gründen:
- Die Sexualität des Menschen mit Behinderung und sein Wille, den er nicht klar in unserer Sprache äußern kann.
- Das Bedürfnis eines JEDEN Menschen und die Wichtigkeit für die Gesundheit und das Wohlbefinden hinsichtlich körperlicher Berührung, Zuneigung und Zärtlichkeit und auch Sexualität. Und das Unvermögen als Mensch mit Behinderung sich diese Befriedigung selbst zu verschaffen und für seine Bedürfnisse zu sorgen - stattdessen in JEGLICHER Hinsicht von einem anderen Menschen abhängig zu sein.
- Die Sexualität der Frau
- Das Stigma Prostituierte
Das wesentlichste Problem sehe ich in meinem ersten Spiegelstrich: Es müsste also Sorge getragen werden dafür, dass an dem Menschen mit Behinderung wirklich keine Grenzüberschreitung stattfindet. In dem Film war dies, denke ich, absolut der Fall. Wie es in anderen Fällen aussieht, weiß man natürlich nicht. Ich fand es supertoll, wie die Pfleger der Mutter Rückmeldung gegeben haben - die Mutter hat ja darum gebeten, dass man ihr mitteilt, wie ihr Sohn nach der Stunde körperlicher Nähe, wirkt: Ausgeglichen oder unglücklich und dergleichen.
Sehr aufmerksam und menschlich und respektabel wie die alle (!) mit der Situation umgehen!
Zum Anderen finde ich den Grat schmal...geistig Beeinträchtigte wirken ja oft auf einer Stufe mit Kindern stehend, was ich nicht negativ meine, sondern was eben etwas Unreifes ist, was auch Unschuld bedeutet.
Da wirkt es dann schon fast etwas missbräuchlich auf mich - denn vermutlich bauen die Klienten eine emotionale Bindung auf, sowie eine sexuelle- von der sie nicht mehr lassen können. Und bezahlen dafür. ..
Ja und das finde ich eben auch sehr interessant, diesen Gedanken! Ich sehe das auch so wie du, bzw. sehe diesen schmalen Grat! Und eben andererseits (so ist das mit den komplexen Themen immer: Einerseits, andererseits) sehe ich auch, dass Menschen mit Behinderung ebenso ein Bedürfnis haben nach körperlichen Berührungen und nach Sexualität, welches sie sich aktiv nicht selbst "besorgen" (blödes Wortspiel) können. Ehrlich schwierig.
Ich finde es supergut, dass dieses Thema mehr Aufmerksamkeit erfährt und somit hoffentlich kein Tabu mehr bleibt. Die Dame aus der Doku erfährt leider sehr bösen und unreflektierten Shitstorm, was mir persönlich sehr Leid tut und diesem Thema keinesfalls gerecht wird bzw. werden kann.
Mich hat das spontan an meinen Opi erinnert, der jahrelang bei uns gelebt hat und schlussendlich auch bei uns gestorben ist. Er war nicht behindert, aber kurz vor seinem Tode nicht mehr wirklich anwesend, hat aber auf Berührungen (nicht sexuell) und liebevolles Reden von uns mit einem Lächeln und absoluter Ruhe und Zufriedenheit reagiert.
Ja. Es ist für uns alle so wichtig. Jedem, der länger in keiner Beziehung ist, rate ich, dass er zur Massage geht um sich die körperlichen Berührungen abzuholen, welche ja wiederum die Produktion von Hormonen anstoßen. Ein derart behinderter Mensch kann sich aber nicht aktiv eine Massage oder sonstwas holen. Er ist darauf angewiesen, dass andere für ihn entscheiden. Hoffentlich in seinem Sinne und nicht grenzüberschreitend.
Danke für eure interessanten Meinungen dazu!