Im Nachhinein ärgere ich mich maßlos, dass ich ihm geschrieben habe. Soll er doch ein schlechtes Gewissen haben. Schließlich hat er sich ja auch getrennt. Warum tut er mir immer so leid und ich habe immer das Gefühl, ich müsste ihm helfen? Bei mir stimmt doch was nicht...
Ich denke nicht, dass da irgendetwas nicht mit dir stimmt. Viel mehr vermute ich, geht diese
Haltung auf die Unterschiede zwischen Verlassenden und Verlassenem zurück.
Während erster bereits früher mit der Trennung abgeschlossen hatte oder durch das Aussprechen der Trennung eine überzeugte Position hat, muss der Verlassene die Trennung seinerseits
erst einmal "verdauen".
Ich kann dir gerade gar nicht sagen, ob ich ihn zurück nehmen würde. Wenn er morgen vor der Tür stehen würde, definitiv nicht. Das könnte ich nicht, dafür weiß ich einfach zu viel, weil ich anfangs ja bei ihm und seiner Freundin mitgelesen habe.
Als des Teufels Anwalt gesprochen: Einer der Gründe, warum du davon besser nichts hättest wissen dürfen ...
Vielleicht, wenn die sich trennen, er die Trennung von ihr komplett verarbeitet hätte und wir würden uns irgendwann mal wieder annähern? Man weiß es nicht...
Ist ein guter Grundsatz, allerdings würde ich mir nicht zu viele Gedanken darüber machen,
wie, wann und ob es so kommen könnte. Einerseits ist es nahezu unmöglich vorherzusagen
und verbraucht einfach nur kostbare Energie, andererseits entstehen aus solchen Überlegungen
auch immer ganz konkrete Erwartungen, die zu zusätzlicher Enttäuschung führen können, selbst
wenn eine Versöhnung möglich wäre, dann aber nicht genau so abläuft wie erwartet.
Zu deinen früheren Überlegungen:
Was tuen wir Verlassenen uns alles an und vor allem warum? Ist der/die Ex es wirklich wert, dass man dadurch sogar krank wird? Wir werden ignoriert und betrogen. Alles Charakterzüge die wohl dann doch zum Ex gehören. Vielleicht kamen die in der Beziehung nicht ans Licht, aber Ex hat diese.
Ich habe oft den Eindruck, dass gerade bei eher "ungewöhnlichen" Trennungen die Exen dann
tatsächlich einen sehr ausgeprägten Tunnelblick bzw. eine derart getönte Brille zeigen, dass
ihnen wirklich nicht ganz klar ist, was sie sich und anderen dabei antun.
Oder anders formuliert: das neue vermeintliche Glück wird von ihnen so sehr in den Mittelpunkt
gestellt, dass ihnen tatsächlich alles andere drumherum egal ist.
Ohne jetzt damit zu sehr eine vielleicht falsche Hoffnung nähren zu wollen zeigt sich für mich in so einem Verhalten auch eine gewisse "Überdosis" der Verliebtheit, bei der sehr fraglich ist, wie lange sie in diesem Umfang wirkt oder von beiden Seiten aufrecht erhalten werden kann.
Darüber hinaus handelt es sich eben um Verliebtheit.
Eben die Art, die ja sogar besungen wird als das, was uns alles andere vergessen lässt, uns dumme Dinge sagen und machen lässt und bei der sich alles so einzigartig und wunderbar anfühlt und man auf der Wolke sieben schwebt.
Bis dann der Alltag einkehrt, alles eben nicht mehr frisch und neu sondern irgendwie schon gewohnt ist.
Paare, die es schaffen, eine bedeutend lange Zeit miteinander "auszuhalten", haben diese blosse Verliebtheit hinter sich. Wenn es dann noch klappt, muss noch etwas anderes, grundlegenderes
gut gepasst haben, sonst hätten sie sich bereits getrennt, nachdem die aufregende Verliebtheit
vorüber war.
Das ist immer ein (großer !) Vorteil, den wir gegenüber den "neuen" haben.
Wenn wir die Kraft und Geduld dafür haben, warten wir doch mal ab, wie es aussieht, wenn unsere Exen in diese Phase eintreten und erstmals auch die neue Beziehung wirklich auf den Prüfstand stellen müssen. Davor können wir als "bekanntes Übel" wohl leider nicht gegen den Reiz des neuen, weil ironischerweise noch unbekannten ( !! ) bestehen.
Zu dem Thema gab es mal irgendwo ein schönes Gedicht, das ging in etwa so:
Ich liebe es, mit dir zu kuscheln, weil es sich so gut anfühlt,
ich liebe es, dich zu küssen, weil es sich so richtig anfühlt,
ich liebe es, aufregende Dinge mit dir zu unternehmen und
ich liebe all diese Dinge vor allem, weil sie mich vergessen lassen,
dass ich eigentlich noch gar nicht weiss, wer du eigentlich bist.