Ich hatte ihm nur einmal gesagt, falls zu Hause mal wieder die Emotionen zu hoch kochen, er solle sich aus der Situation herausnehmen und erst mal das Haus verlassen. So können beide sich erst mal wieder abregen. Meine Tür steht ihm offen, wenn er einen Platz zum "runterkommen" braucht. Keine gute Strategie so etwas anzubieten?
Hallo More,
es hängt natürlich ein wenig davon ab, wie der AP generell drauf ist und auf welcher Ebene/wie die Kommunikation zwischen euch läuft. Zebrafjords Kommunikationsebene mit ihrem Zebra beispielsweise ist nach dem, was man hier mitbekommt, anders gelagert, als das bei dem Gros der Affären der Fall ist; diese AP gehen schlicht sehr viel offener miteinander um. Hat man einen solchen Ausnahmefall, kann man abwägen und vom Grundprinzip des 'hat nicht meine Baustelle zu sein' bei Bedarf abweichen. Grundsätzlich würde ich es so, wie von dir geschildert, aber eher nicht machen.
Es hat ein bisschen ein Geschmäckle, dem AP Beziehungstipps oder Verhaltensempfehlungen zu geben. Da sitzt ja nicht die beste Freundin vor einem, ein Bekannter, ein Ratsuchender, sondern ein gebundener Mann, der sich neben der Hauptbeziehung in ein weiteres Konstrukt begeben hat und zumindest zunächst beides nebeneinander lebt, sich in beiden Kobeln mehr oder minder gemütlich einrichtet. Ist er zerrissen, darf und - je nach Frame - sollte man schon in einem gewissen Rahmen 'da' sein, aber gleichwie geartete Kommentare in Richtung des anderen Kobels sind eben grundsätzlich tabu.
Selbst, wenn man meint, man wertet nicht: man tut es auf die eine oder andere Art, mehr oder minder deutlich, mittelbar und unterschwellig doch. Allein schon deswegen, weil man 'die Andere' ist, dadurch per se eine Art Gegenposition einnimmt. Und auch deswegen, weil man da, wo und wie man ist, gar nicht unbefangen, nicht unparteiisch sein kann. Man 'will' den AP. Das positioniert und beschert einem on top einen guten Schwack Betriebsblindheit.
In dem Augenblick, in dem man sich zur Hauptbeziehung äußert, hängt man sich in etwas rein, das der AP ganz für sich allein lösen muss, mit dem er ganz allein umgehen müssen und mit dem er ein stückweit auch allein gelassen werden soll; die Grundintention ist ja die, dass er sich in der Situation zuhause auf Dauer nicht (mehr) wohlfühlt, das zunehmend merkt, sich der Leidensdruck verschärft und er weg will, raus aus der Hauptbeziehung.
Gut gemeinte Tipps, die dem AP das Leben insoweit, ihm die Situation erleichtern und zur Entspannung beitragen, sind letztlich Handlungen wider das eigene Ziel, gegen das, was man erreichen möchte, damit kontraproduktiv. Im Grunde bremst man so möglicherweise den Fall, federt zu sehr ab und macht sich, läuft es richtig schlecht, außerdem auch noch angreifbar - insbesondere dann, wenn der AP Schuldgefühle hat und die abwälzen will („Du hast gesagt…“ / "Du hast mir das Gefühl gegeben, dass…").
Tendenziell ist es daher sinniger, bezogen auf die Hauptbeziehung des AP die Schweiz zu sein.
Stützen kann man auch durch schweigen. Da sein durch Berührung. Letzteres ist gleichzeitig idR mit positiven Empfindungen verknüpft, die im Gefühlsgedächtnis bleiben, geht also mehr in Richtung dessen, was man unter dem Strich erreichen will (Stichwort 'Wohlfühloase' - wenn der Frame entsprechend gesetzt ist).
Ihm generell einen Platz zum Runterkommen anzubieten, halte ich deshalb für eher ungünstig, weil das - je nachdem, wie der AP drauf ist und wie sich die konkrete Affärensituation ausnimmt - schnell in eine Ecke drängen kann, aus der man nur schlecht wieder in die Mitte des gedachten Raums gelangt.
Es ist okay, Flucht zu sein, nur sollte man das lenken und eingrenzen. Ungut wäre es, käme der AP nach einem Streit im Hauptkobel 'immer' (im Sinne eines sich einpendelns) zur Affäre mit der Intention, sich dort abzureagieren, nur um dann, wenn er wieder 'unten' ist, einigermaßen gechillt in den Hauptkobel zurückzukehren. Sowas beruhigt uU die Situation in der Hauptbeziehung, trägt dort zur Entspannung bei und lässt die Hauptpartner aus dieser gechillten und emotional runtergekühlten Basis heraus womöglich sogar besser miteinander umgehen.
Dadurch wird dann aber nicht zwangsläufig der Trennungswillen des gebundenen AP mehr gepusht - einfach, weil ihm das Gesamtpaket ggf. mehr bietet, ihm einigermaßen attraktiv erscheint, er besser 'aushält' und erstmal keinen, schon gar keinen akuten Änderungsbedarf sieht. Ist der Leidensdruck gedämpft, bleibt eher alles, wie es ist. Denn Änderung macht Angst und der Angst wird ausgewichen, solange es geht.
Die Hauptbeziehung soll für den AM an Reiz verlieren, während gleichzeitig die sich auftuende Option einer Beziehung mit der AF an Reiz gewinnt. Bietet die AF nun einen Platz zum Runterkommen, sozusagen rund um die Uhr, nicht nur situativ, kippt die Wippe nicht und das Ding ist für den AP zu rund gemacht, zu sicher.
Zuflucht würde ich aus dem Grund nur situativ bieten, aber nicht den Eindruck vermitteln, dass die Tür hier 'immer' offensteht.
Das muss alles im Ergebnis so nicht sein, der AP kann das für sich auch anders werten, andere Schlüsse für sich ziehen, aber die Gefahr, dass es so sein könnte, wie oben skizziert, würde mir reichen, mich im Zweifel dafür zu entscheiden, da eher vorsichtig ranzugehen und sich von der Hauptbeziehungsproblematik des AP immer wieder gesund zu distanzieren - eben, indem man sich nicht für Problemlösungen anbietet oder sich gleichwie auch noch aktiv in die Hauptbeziehung einmischt.
Die bloße Präsenz ist Einmischung genug.