Liebe Amazone,
Danke für die Schilderung deines Bauchgefühls. Da ist wohl was dran: Ich kann mich noch so sehr verstellen, er wird, zumindest unbewusst, schon mitkriegen, dass ich unsere Geschichte noch nicht ad acta gelegt habe. Damit führe ich ihm Energie zu, Energie, die er wohl gerade bitter nötig hat…
Zu meiner Schande muss ich euch nun gestehen, dass ich am So explodiert bin und ihm einiges an den Kopf geknallt habe.
Mir war schon in dem Moment, wo ich loslegte, bewusst, dass ich zu 90% nichts bewirken werde, aber ich konnte es nicht mehr unterdrücken…ich unterdrückte bereits in den letzten zwei Jahren (damals zugunsten eines Ex-backs und auch zum Aufbau einer entspannten Elternebene).
Es war so, dass der Kleine während der Treffen und auch dazwischen immer wieder Verlustängste und starkes Vermissen äußerte. Das wurde zuletzt immer schlimmer und deutlicher.
Am So kam er vorbei, um den Kleinen abzuholen und da platzte es aus mir heraus: Ich erzählte ihm, was ich bei *Sohn* beobachte und fragte ihn, wie er sich seinen Wegzug eigentlich vorstellt. Dass der Kleine ihn schon nach sechs Tagen schrecklich vermissen würde, wie solle er das zukünftig aushalten, ihn alle paar Monate zu sehen. Irgendwann fing ich dann dummerweise auch noch an zu heulen.
Er wurde ziemlich still, zeigte Verständnis, sagte aber, dass er nichts daran ändern könne. Er müsse gehen, weil er hier kein guter Vater sein könne.
Ich kann den restlichen Verlauf des Gesprächs leider nicht mehr im Detail wiedergeben, ich war zu aufgewühlt und es wurde sehr vieles besprochen. Jedenfalls gab er teilweise Dinger von sich (der hat ein völlig verzerrtes Selbstbild!), dass meine Stimmung nach und nach in Wut umschlug und was sich in mir aufgestaut hatte, brach heraus.
Mir ist bewusst, dass das strategisch gesehen Murks war
(Es tut mir Leid, Amazone! Du hast mir davon abgeraten und ich gebe dir vom Verstand her Recht), aber irgendwo bereue ich es dennoch nicht. Ich fühle mich befreiter. Er weiß nun, was ich über ihn und sein Verhalten wirklich denke und mit diesem Wissen darf er sich nun von dannen machen.
Mir ist auch bewusst, dass er nun vermutlich ahnt, dass ich immer noch sehr verletzt bin und nicht über „uns“ hinweg. Ist mir aber auch egal…ich will endlich abschließen, endlich zur Ruhe kommen!
Trotz dieses Ausbruchs sind wir bei unseren Vereinbarungen geblieben, er war gestern da und wird auch morgen wieder vorbeikommen, um den Kleinen zu sehen. Die Stimmung zwischen uns ist unverändert distanziert-höflich, wir wissen nun einfach beide, woran wir sind.
Ich schreibe mal ein paar interessante Punkte auf, die sich aus diesem Gespräch ergeben haben:
-Er hält sich hier alle Türen offen, weil er damit rechnet, dass er es evtl. nicht lange dort aushält. Stichworte: Ich habe mich verändert; das Land hat sich verändert; der Alltag wird ein anderer sein, als die Urlaubsaufenthalte; ich werde nur noch einen Bruchteil meines jetzigen Gehaltes bekommen)
-Amazone, du scheinst mit deiner Vermutung Recht zu haben, dass er hofft, dort Stabilität zu finden und hier seinem Deprizustand zu entkommen. Das hat er zwischen den Zeilen genauso verlauten lassen.
-Er sagte u.a., dass er sich hier nicht wohlfühle, dass dieses Land nichts für ihn sei etc. Ich fragte ihn, was sich denn an diesem Fakt ändern würde, wenn er in zwei Jahren, wie geplant, wiederkäme. Er meinte, dass er hoffe, sich in den nächsten zwei Jahren etwas aufzubauen, so dass es für ihn hier erträglich sein wird. Sprich, er will dort eine passende Landsfrau finden und mit ihr hierherziehen…(Da hast du mit deiner Vermutung voll ins Schwarze getroffen, Lion.) Sie hat dann die ehrenvolle Aufgabe, genauso wie einst ich, für ihn der einzige Stützpfeiler hier in Deutschland zu sein (sein Sohn reicht da wohl nicht aus). Mann, er ist zwar elf Jahre älter, aber manchmal habe ich das Gefühl, ich würde es mit einem Kleinkind zu tun haben. Er lernt einfach nicht aus seinen Fehlern und vergisst wohl auch allzu gern, dass er bindungsgestört ist, ein enormes Näheproblem hat, ein paar Dutzend Frauen verschlissen hat und trotzdem die Schuld kaum bei sich selbst sucht: „Mit einer passenden Frau, wird das alles klappen.“
Yo, dann viel Spaß bei der Suche und Beileid an meine Nachfolgerin. Ich hoffe, sie hat einen besseren Selbstschutzinstinkt als ich.
Lieber Lion,
danke für das Lob! Wie du aber an meinem Ausbruch siehst, handle ich bei Weitem nicht immer lobenswert.
Zu deiner Frage: Ich weiß nicht mit Sicherheit, ob *Sohn* sein einziges Kind ist. Es gibt da eine Geschichte, da war er knapp 20 und hatte einen Urlaubsflirt. Sie meldete sich bei ihm, weil sie schwanger war und behauptete es sei sein Kind. Einen Vaterschaftstest wollte sie wohl partout nicht und irgendwie soll auch ihre Familie einem Kontakt im Wege gestanden haben. Ich kenne halt nur seine Version…Fakt ist: Seine eventuelle Tochter ist jetzt Anfang 20, er hat sie nur einmal als Kleinkind gesehen und sich sonst nicht um sie gekümmert, auch finanziell nicht. Da fehlte halt auch der Nachweis, dass er tatsächlich der Vater ist.
Lion, ich habe deinen Strang immer noch nicht komplett durch, aber was die Sache mit deiner Ex angeht: Ich hoffe sehr, dass du es schaffst, eine halbwegs gleichberechtigte, respektvolle und vor allem stabile Elternebene mit ihr aufzubauen. Euer Sohn steht ja im Vordergrund, nicht eure Vergangenheit.
Vielen Dank euch beiden für eure Gedanken!