Liebe Gemeinde,
anbei ein kleines Tagebuch, dass ich heute verfasst habe an die Frau, die ich ganz besonders im Herzen trage. Während ich das schreibe, muss sie sich einer langen Operation unterziehen und ich bin ich Gedanken bei ihr - auch wenn wir seit drei Monaten getrennt sind, sie einen neuen (Alibi-)freund hat und gerade eine harte Zeit durchmacht. Ich möchte meinen Strang hier nutzen, um meine Gefühlswelt zu sortieren und den Text quasi zu archivieren. Wenn jemand Lust hat, diese Story zu lesen und seine Meinung zu hinterlassen, dann darf er/sie das gern tun.
Viele Grüße an euch alle!
DB
Teil I.
Es ist Montag Morgen, 11.03.19, 06:54 Uhr. Ich bin seit ca. 30 Minuten wach, obwohl ich heute morgen frei habe. Meine Augen gingen schlagartig auf und im Geiste sah ich mich mit dir durch die dunklen, grünblau-weißen Gänge des Jakobhospitals schlendern. Ich kann dir gar nicht sagen, warum ich gerade aufgeregt im Bett sitze. Meine Hände sind leicht feucht, ich bin nervös - und in Gedanken bei dir. Ich denke, daher kommt der Begriff "mitfiebern".
Warum beschäftigt es mich so, was heute mit dir geschieht? Gemeinsam haben wir im Vorfeld das Krankenhaus ja öfter besucht. Den Geruch und die Blicke des Arztes, seine Art sich auszudrücken und im Kopf die Bilder und das Wissen, dass er ganz allein in der Hand hat, wie dein Gesicht, deine Erscheinung zukünftig aussehen werden. Zudem ist eine solche OP eine äußerst intime Angelegenheit und in mir wohnt wohl immer noch ein Beschützer, der seine Hand über dich halten und dafür sorgen möchte, dass sie mit dir anständig umgehen. Männergedanken eben.
Lassen wir all die dummen Sprüche, emotionalen "Zwischenfälle", kommunikativen Ausfälle und Herzensangelegenheiten mal außen vor, dann bist du für mich eine wunderschöne Frau, die ich einfach nur gern anschaue. Und ich weiß, wie wichtig dir das äußere Erscheinungsbild ist, die Definition "perfekt unperfekt" lässt du nicht gelten.
Aber ich drifte ab, das möchte ich gar nicht. Zurück zum Wesentlichen: Diese OP heute und das, was im Vorfeld in Bezug dazu geschehen ist - für mich ist es das letzte Ding, das uns irgendwie emotional miteinander verbindet. Die ursprüngliche Planung haben wir gemeinsam erlebt, wir saßen zusammen im Zimmer des Arztes, als er mit seinem Kollegen und einer Taschenlampe, mit der man den Central Park in New York hätte ausleuchten können, dein Gesicht angeschaut und deine Nase bewertet hat. "Da machen wir dann ein Stück vom Rippenbogen in den Nasenflügel und die Nasenspitze hängen wir dann noch an einem Stück Faden auf. Das Stück an der Rippe, das bleibt dann offen, aber das ist nicht weiter tragisch. Ach ja, das ganze wird schmerzhaft und die OP dauert ungefähr 8 Stunden".
WOW, die sagten das so, als sei es das normalste auf der Welt. Als Laie schossen mir erstmal 1000 Bilder durch den Kopf. Vielleicht erinnerst du dich, aber als ich diese Worte hatte sacken lassen und du wieder auf dem Stuhl neben mir Platz genommen hattest, habe ich erstmal deine Hand ganz fest genommen und dir für einen Moment einfach nur in die Augen geschaut...
Teil II.
Ganz egal, ob du diese OP machen möchtest oder nicht: Für mich war von Anfang an klar, dass ich zu 1000% hinter dir stehen werde. Damals wusste ich noch nicht, dass ich weder neben dir sitzen, noch neben dir stehen werde - ich sitze zuhause im Bett. Die Decke über die Beine, dampft neben mir gerade eine Tasse "Ingwer-Abwehrkräfte Tee" (natürlich im Beutel, klassisches Marketingopfer und wahrscheinlich null Nährwert) und ein anderer Mann hat meinen Part übernommen. Trotzdem fiebere ich mit dir mit. Während ich das schreibe und im vorletzten Satz versucht habe, mit Sarkasmus meine Sehnsucht nach dir zu überspielen, kommen mir Tränen in die Augen...
Es ist wieder so ein Moment, in dem ich realisiere, dass wir nichts weiter sind, als zwei getrennte Menschen. Ich muss lernen zu verstehen, dass "WIR" nicht mehr sind.
Lese ich alte Texte von dir an mich, dann schäme ich mich wirklich, wie einige Dinge gelaufen sind. Gleichzeitig macht es mich traurig, dass wir uns dieses Jahr noch nicht ein einziges Mal gesehen haben.
Kein Tag vergeht, an dem ich mich nicht dabei ertappe, an dich zu denken. Und wenn ich schreibe "kein Tag", dann müsste es heißen "keine drei Stunden". Ok, genau genommen müsste es sogar heißen "keine Stunde". Es sind weniger die klassischen Gedanken, als viel mehr eine "Gefühlsverbindung".
Kennst du den Roman "Wie ein einziger Tag"? Die Geschichte von Noah und Ellie und dieser einzigartigen Liebe? Sicher kennst du sie. Und ich bin Noah. Und du bist Ellie...
Teil III.
Mittlerweile ist es 07:34 Uhr. Meine Gedanken, meine Gefühle fließen ungeordnet durch meinen Kopf. Wie eine Werbepause dazwischen kommt immer wieder der gleiche, sich wiederholende Satz: "Was wohl jetzt gerade mit ihr geschieht?"
Wahrscheinlich werden mir viele Frage niemals beantwortet werden. Natürlich habe ich des öfteren geschrieben, dass wahre Liebe auch "loslassen" bedeutet und dass ich mir nichts sehnlicher wünsche, als dass du glücklich wirst. Aber die Wahrheit ist, dass es unglaublich weh tut und ich Sehnsucht nach dir habe. Natürlich versuche ich mir so tolle Phrasen einzureden wie "Alles im Leben hat seinen Sinn" oder "Wenn du etwas liebst, dann lass es los...". Alles Schwachsinn. Nichts schmerzt so sehr, wie den Menschen zu verlieren, den du am meisten liebst.
Wie sehr hast du es geliebt, deinen Kopf auf meine Brust zu legen? Wie hast du dich gefühlt, wenn ich im Fahrstuhl meine Arme um dich gelegt habe? Wie sehr liebtest du es, wenn ich dein Gesicht sanft in beide Hände nahm und wir uns küssten? Unser Lächeln, unsere Blicke, unsere Zärtlichkeiten, unsere Berührungen - einfach besonders, einfach einzigartig...
Teil IV.
Und schon wieder ist eine Viertelstunde um. Beim nächsten Gong ist es 07:50 Uhr. "Goooooong". In den letzten drei Monaten hat sich mein Leben um gefühlte 180 Grad gewendet. Du wirst denken "Ey, der labert so viel und wenn er eines gut konnte, dann war es labern". Richtig. Deswegen mache ich an dieser Stelle auch davon Gebrauch.
Seit nun mehr einem Vierteljahr nehme ich tatsächlich professionelle Hilfe in Anspruch. Für mich war es der Schlüssel um zu verstehen, warum unser Beziehungsbagger so tief im Sand versunken ist. Es waren nicht nur Backsteine, es war eine ganze Wand, die da plötzlich einstürzte und mir klar machte, was schief gelaufen war. Hinter dieser Wand ist ein Weg. Dieser Weg ist noch unbeschritten, der Sand noch unberührt. Und es ist genug Platz für uns beide, nebeneinander. Und dieser Weg hat kein Ende...
Es bedurfte nicht viel und ich verstand, warum du dich oft unsicher gefühlt hast. Mein Gefühl im Herzen spiegelte sich nicht immer in meinem Verhalten wieder, richtig? Wahrscheinlich hast du oft gedacht, dass Worte und Taten bei mir nicht im Einklang standen - und natürlich verunsichert dich sowas.
Während ich das schreibe, werde ich nachdenklicher. Mein Kopf dreht sich und ich starre in Richtung weißer Wand. Wieder überkommt mich diese Traurigkeit und das Bewusstsein, dass alles anders sein könnte, wenn wir uns einfach nochmal getroffen hätten. Übrigens geht es nicht mal darum, sofort in eine Beziehung zu stürzen (was auch gar nicht geht, immerhin hast du ja gerade eine), sondern darum, Zeit miteinander zu verbringen. Es liegt mir am Herzen dir zu zeigen, dass meine Worte, meine Gefühle und meine Taten im Einklang stehen und in die gleiche Richtung zeigen. Es liegt mir am Herzen dir zu zeigen, dass du dich auf meine Worte und meine Taten verlassen kannst und mir deine Bedürfnisse wichtig sind, ich sie mir zu Herzen nehme. Genau die Punkte, die ich in der Vergangenheit oft vernachlässigt habe - aber die dir so viel bedeuten...
Teil V.
Mittlerweile zeigt meine Uhr 08:14 Uhr an. Die Zeit vergeht wie im Flug. Was wohl gerade mit dir geschieht? Ein bisschen fühle ich mich wie in einem Film. Wie gern würde ich an deinem Bett sitzen, deine Hand halten und dir all das, was ich hier schreibe, persönlich sagen. Wie wundervoll du ausschaust. Wie sehr ich deinen Duft liebe - egal ob frisch geduscht oder gerade aufgewacht - wie stolz ich bin, an deiner Seite zu sein...
Ich könnte endlos so weiter machen, aber dann wird es kitschig. Außerdem muss ich mich daran erinnern, dass ich NICHT dein Partner bin. Es ist seine Aufgabe, dein Bett mit Post-it´s zu plakatieren, damit du weißt, wer und warum er dich liebt, wenn du aus der Narkose aufwachst. Es ist seine Aufgabe, dir den schönsten Strauß Rosen zu organisieren, den es in Hamburg gibt. Und es ist seine Aufgabe, dich auf die Stirn zu küssen und dir zu sagen, dass er dich liebt...
Mir ist bewusst, dass Worte nichts zurückbringen und ich diese E-Mail nicht abschicken sollte. Ich erwarte keine Reaktion darauf, sondern ich möchte dir einfach zeigen, dass ich an dich gedacht habe.
Mir ist bewusst, dass Worte nichts reparieren können.
Mir ist bewusst, dass wir uns wahrscheinlich nie mehr sehen werden.
Aber wenn du bis hierhin gelesen hast und verstehst, dass ich dich wirklich liebe, dann hat dieser kleine Auszug aus meiner Gedanken- und Gefühlswelt seinen Sinn erfüllt.
Werde gesund, liebe Tweety und wenn du gesund bist, dann werde glücklich, wo und wie auch immer das sein wird.
Und wenn du ein bisschen Ellie in dir spürst und der wirklich wahren Liebe wieder vertrauen kannst - dann melde dich bei mir. Ich werde dich nicht enttäuschen.
Ich liebe dich - für immer!
DB
P.S. Beim nächsten Gong wird es 08:44 Uhr...
Ende.
