Hallo Lichtgestalt,
Ich kann Dir auf jeden Fall so viel sagen: Es ist auf keinen Fall einfacher als verlassen zu werden. Zumindest nicht zwangsläufig.
Vor zwei Jahren hatte ich meinen Strang im Ex-Zurück Forum und weiß noch, dass eines der schlimmsten Gefühle für mich die scheinbare Machtlosigkeit gegenüber der Situation war. Jetzt bin ich frisch in der Position desjenigen, der geht. Und sehe mich gewissermaßen auch machtlos.
Zugegebenermaßen habe ich Deinen Strang (noch) nicht gelesen und kenne daher keine Einzelheiten. In meinem Fall war es jedoch mehr oder weniger eine Bilderbuchsituation, wie Wolfgang sie schildert.
Vielleicht hilft es, wenn ich kurz aushole:
Als ich meine - jetzt - Ex-Freundin kennen gelernt habe, war ich voller Euphorie und persönlicher Eigenschaften, die ich mir nach meinen Monaten hier im Forum nach und nach angeeignet habe. Selbstbewusst sein. Auf gewisse Art dominant sein. Auf meine Bedürfnisse bestehen und Kontakte zu Frauen zu pflegen ohne auf ein bestimmtes Outcome fokussiert zu sein.
Alles Dinge, die ich sehr sehr bewusst gemacht habe, weil ich ja gelernt hatte, dass es für mich und für mein Verhältnis innerhalb einer Beziehung besser ist.
Und unter den Voraussetzungen habe ich meine Ex-Freundin kennen gelernt. Und es hat alles tatsächlich wunderbar funktioniert. Ich habe mehr oder weniger dabei zugucken können, wie ein paar einfache Justierungen an meinem Auftreten und meinem Verhältnis zu mir selbst direkte Auswirkungen darauf haben, wie ich mich in zwischenmenschlichen Situationen verhalte und - vor allem - wie andere Menschen sich mir gegenüber verhalten. Dementsprechend habe ich natürlich auch genossen, dass mein neu gefundenes Selbstbewusstsein und Bestehen auf meinen Bedürfnissen mich für meine Ex sehr attraktiv gemacht haben. Sie selbst hat mir öfter gesagt, dass es genau die Sachen waren, die sie an mir so gut fand.
Nun ist es aber so, dass meine Ex-Freundin so ziemlich das genaue Gegenteil davon ist. Sie besteht kaum bis gar nicht auf ihre Bedürfnisse. Sie hat unfassbare Angst vor jeder Angst vor Konfrontation und ist generell jemand, der sich aus jeder brenzlichen Situation (ob groß oder klein) unmittelbar zurück zieht und lieber den sichereren, konfliktlosen Weg geht. Dabei ist sie allerdings ein unglaublich wundervoller, loyaler, liebenswerter und umgänglicher Mensch. Mit ganz vielen Wesenszügen, die ich bis heute total an ihr bewundere. Auch übrigens ein sehr sehr gutes und gesundes Verhältnis zu ihrem Körper und ihrer Sexualität, was für mich erstmal eines der Zeichen für ein gesundes Selbstbewusstsein war.
Da gibts natürlich noch viel viel mehr Details, aber die Einleitung ist jetzt schon wieder viel länger geworden, als ich eigentlich wollte
Aber vielleicht liest sich ja jetzt schon daraus, dass ich mehr oder weniger dauerhaft der "starke" Pol war und sie diejenige, der das natürlich ganz viel Geborgenheit gegeben hat, da sie von Natur aus eine sehr unsichere, ängstliche und ganz sensible Person ist.
Nun ja, das und einige andere Dinge haben dazu geführt, dass ich einfach über die Zeit immer stärker das Bedürfnis bekommen habe, 1. mal wieder einfach nur für mich zu sein und vor allem auch mal ehrlich schwache Momente haben zu können und 2. zu sehen, dass sie mal etwas für sich macht. Für sich allein macht. Sich selbst etwas Gutes tut. Sich behauptet oder zumindest einfach mal aufregt, wenn jemand ihr Unrecht tut. Aber sie war immer diejenige, die für Freunde, fremde Menschen - auch mich - immer Verständnis aufgebracht hat, wenn sie sich ihr gegenüber einfach falsch verhalten haben. Vor allem hat sie das getan, um der Konfrontation aus dem Weg zu gehen.
Und nach und nach habe ich gemerkt, dass ich öfter darüber nachdenke, wie es wohl wäre, wieder allein zu sein. Ohne, dass ich das hätte kontrollieren können. Es kam einfach. Und ich habe es lange versucht, mit allen möglichen Gründen zu relativieren: Kalte Füße, zu viel Stress, und und und.
Dabei hatte ich dann aber mittlerweile auch die ganzen Infos über Machtverhältnisse in Beziehungen und was passiert, wenn sie zu sehr kippen. Deswegen habe ich immer versucht, sie in eine Richtung zu bringen, in der sie anfängt, sich selbst mehr wert zu sein. Sich zu behaupten. Auch mich einfach mal anzuschnauzen, wenn ich Mist mache. Aber so einfach geht das natürlich nicht.
Und so hat sich der Gedanke daran, mich zu trennen, immer weiter in meinem Kopf eingenistet. Und ich konnte ihn wirklich einige Zeit im Hintergrund halten. Ich habe es ja genossen, sie um mich zu haben. Ich fand es schön, ihr Gutes zu tun. Sie hat eine wirklich schwere Zeit hinter sich und ich fand es einfach schön, wenn es ihr einfach mal gut ging und sie ausgelassen war.
Aber wenn sich solche Gedanken erstmal in den Kopf gesetzt haben, sind sie einfach nicht mehr weg zu denken. Das ist das, was ich mit meiner eigenen Machtlosigkeit meine. Wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätte ich einfach mit dem Finger geschnippst und meine Gefühle hätten sich wieder geändert und wir beide wären glücklich miteinander gewesen. Aber das geht natürlich nicht.
Naja und dann ist da der Zeitpunkt, an dem man das erste Mal mit jemandem über seine Zweifel spricht. Das ist ein Schlüsselmoment. Zumindest für mich. Denn im dem Moment, wo man das alles ausspricht und merkt, dass eine Sache nach der nächsten aus dem eigenen Mund kommt, nimmt der Gedanke an Trennung eine absolut unwiderrufliche Qualität an.
Gleichzeitig aber auch Angst. Und hier fängt das an, was ich mit "es ist auf keinen Fall einfacher" meine. Da ist dieser Mensch, den ich eine Zeit meines Lebens (in meinem Fall 1,5 Jahre) wirklich von Herzen geliebt habe. Mit dem ich ein Kapitel meines Lebens gemeinsam erlebt habe. Den ich nach wie vor auf eine eigene Art und Weise liebe. Und das wirklich stark. Und diese nicht kontrollierbaren Gedanken an Trennung, dieses nicht zu unterdrückende Bedürfnis danach, unabhängig und nur für mich selbst verantwortlich zu sein. Das führt dazu, dass ich im Prinzip für mich allein im Vorfeld schon mehrfach diese Trennung durchlebt habe. Der Gedanke daran, dass ich so lange stark und an ihrer Seite war und jetzt der Grund dafür bin, dass es ihr schlecht geht, macht mich absolut fertig.
Vor allem war in unserem Fall absolut nichts da, das sie bewusst falsch gemacht hat. Da ist nichts, worauf ich genau mit dem Finger zeigen kann. "Nur", dass ich das Gefühl hatte, anderthalb Jahre lang stark und zuversichtlich für zwei Menschen zu sein. Ich hatte immer wieder Tage, an denen ich morgens auf mein Handy geschaut und gedacht habe:"bitte, lass sie heute fröhlich und gut drauf sein". Das macht etwas mit einem. Und dennoch hat sie es nie aus böser Absicht gemacht. Manche verhalten sich ja so, um den Partner an sich zu binden. Bei ihr aber nicht. Sie hat diese ganze Trauer wirklich erlebt. Sie ist seit langer Zeit in Therapie und ihre Therapeutin hat ihr nochmal bestätigt, dass sie ihrer Meinung nach nicht depressiv ist. Sondern einfach derart sensibel und harmoniebedürftig. Sie ist und war einfach die ganze Zeit dieser großartige Mensch. Und dennoch kann ich mich absolut nicht gegen das Bedürfnis wehren, die Beziehung zu beenden. Denn obwohl ich sie liebe, ist das, was ich anfangs gut fand, mir irgendwann zu viel geworden. Die Verteilung, dass ich der starke bin, der einen klaren Plan vom Leben hat und weiß was er will und sie diejenige, die das bewundert und sich über ihr eigenes Leben aber noch gar nicht im Klaren ist.
Ich weiß, dass sie mich braucht und dass sie mich sehr liebt und an mir hängt. Und - wie schon gesagt - ich komme gerade sehr schlecht damit klar, dass ich der Grund für ihr Unglück bin. Wollte ich doch immer genau das Gegenteil davon. Im Gespräch, als ich Schluss gemacht habe, hat es mich total zerrissen. Es war furchtbar. Und der Kopf spielt einem dann einen Streich und ruft plötzlich alle wundervollen Seiten an diesem Menschen hervor und stellt völlig in Frage, ob das die richtige Entscheidung ist. Und obwohl ich weiß, dass es eine Entscheidung ist, die ich wirklich lange und gut überlegt vor mir hertrage, bleibt jetzt die Frage, ob es nicht überstürzt gewesen ist.
Aber die Angst davor, jemandem weh zu tun ist nunmal keine legitime Basis für eine Beziehung. Und meine Unfähigkeit, es einfach alles wieder gut sein zu lassen, macht mich fertig. Und in dem Moment, wo man den Menschen derart traurig vor sich sieht, möchte man nichts anderes, als dem Ganzen noch eine Chance zu geben. Sich mit ihm in den Arm nehmen und alles gut sein zu lassen. Aber ich weiß halt auch, dass wir in ein paar Wochen sehr wahrscheinlich wieder an dem gleichen Punkt wären und dass es dann aber noch viel viel schlimmer wäre, die gleiche Entscheidung zu treffen.
Ja, sie fehlt mir. Unglaublich sogar. Ja, der Gedanke daran, komplett getrennte Wege zu gehen, macht mir gerade Angst. Aber das sind nunmal die Kehrseiten und auch ich als derjenige, der gegangen ist, muss einen Trennungsprozess von einer Person durchmachen, die mir einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben ist. Aber am Ende muss ich selbst glücklich sein, um eine glückliche Beziehung führen zu können. Und wenn ich das - aus welchen Gründen auch immer - nicht bin, dann muss ich meine Konsequenzen daraus ziehen. Auch, wenn das bedeutet, einen wirklich (wirklich) schmerzhaften Schritt zu tun. Das bin ich mir und vor allem ihr schuldig.
Eine Sache noch, die sich vielleicht einige fragen werden: "Warum hast Du nicht vorher mit ihr darüber gesprochen?". Weil ich glaube, dass es die Sache eher schlechter als besser gemacht hätte. Ihr zu sagen:"ich habe gerade Zweifel, ob ich das alles noch will" hätte dazu geführt, dass sie in eine Phase kommt, in der sie alles, was sie tut auf die Waagschale legt und daraufhin prüft, ob es unsere Beziehung retten könnte. Und es würde dazu führen, dass sie gleichzeitig Angst vor der Trennung und Hoffnung auf Rettung hat. Und wenn es dann am Ende doch zu einer Trennung kommt, ist nicht nur die Enttäuschung viel größer - es würde meiner Meinung nach auch dazu führen, dass sie das Gefühl hat, versagt und ihre "Chance" vertan zu haben. Und das hat niemand verdient.
Ich hoffe, das gibt Dir Einblick in die Gefühlswelt desjenigen, der geht
Glaub mir, ich kenne beide Seiten einer Trennung. Und beide können sehr sehr weh tun. Und auf beiden Seiten ist es die Zeit, die die wesentlichste Rolle bei der Genesung spielt.
Ich drücke Dir die Daumen und wünsche Dir alles Gute