Auf der Suche nach den Inseln

Alvaro

Aktives Mitglied
Registriert
5 Dez. 2023
Beiträge
96
Liebe Forum-Gemeinde,



ich bin schon seit längerer Zeit stiller Mitleser in den diversen Unterforen und freue mich immer wieder über den entspannten und persönlichen Umgangston und den konstruktiven Umgang miteinander. Jetzt würde ich gerne aktiver werden.

Zu mir und meiner Situation:

Anfang 50, m, seit fast 20 Jahren in einer Beziehung, davon deutlich mehr als 10 verheiratet, ein gemeinsames Kind im beginnenden Teenager-Alter. Wir führen eine Ehebeziehung mit Auf-und-Abs, mit dem ganzen Strauß mehr oder weniger alltäglichen Glücks und Unglücks.

Vor rund 3 Jahren begann meine EF eine Affäre, die nach einem Jahr ihr Ende fand – weil sie aus diesem Gefühl der Zerrissenheit aussteigen wollte und weil sie merkte, dass sie sonst unsere Ehe ernsthaft in Gefahr bringen würde. Ich hatte die Affäre gespürt, aber letztendlich nicht darüber Bescheid gewusst und als ich das Thema auf den Tisch brachte, war die Affäre bereits beendet. Ich habe heftig darunter gelitten, sowohl während als auch nach der Affäre, aber wir haben den gemeinsamen Kampf um unsere Beziehung aufgenommen und unsere Ehe in den letzten 2 Jahren auf deutlich stabilere Fundamente gestellt und leben in eindeutigem Commitment zueinander. Viele, viele sehr zugewandte Gespräche, viele gemeinsame Erlebnisse und eine Paartherapie haben uns dabei geholfen.

Was uns trotzdem immer wieder fehlt, sind genügend „Inseln“, um uns vom oft doch stressigen Alltag, in dem wir als Team gut „funktionieren“, mal ganz auf die Paarebene zurückziehen können. Wir haben diese Inseln durchaus (wahrscheinlich sogar mehr als viele andere Paare), aber in dieser Hinsicht sind wir beide nunmal sehr unbescheiden und wollen MEHR. Und eben gerne auch mit Input von außen.

Daher meine Frage und Bitte um Austausch: Wie schafft Ihr es, insbesondere die von Euch, die in Langzeitbeziehungen leben, Euch befriedigend viel Zeit für Eure Paarebene freizuschaufeln und wie nützt Ihr diese Inseln?
 

Admina Hira Eth

Administrator
Registriert
31 Aug. 2021
Beiträge
5.840
Hallo Alvaro,

diesen Begrüßungstext schreiben wir allen neuen Mitgliedern.

Herzlich willkommen im Beziehungskummer Forum.

Um einen möglichst reibungslosen Start für dich zu gewährleisten, verschaffe dir bitte zuerst eine Orientierung und lies dich in grundsätzliche Texte von Wolfgang, dem Forenbetreiber, ein, auf dessen Gedanken und Erkenntnissen die Beratung hier im Forum basiert: Dazu gehört der Mann-Frau-Konflikt, der Text über die Kristallisation und alle anderen Texte auf Wolfgangs Startseite. Als Starthilfe für dich als Neuling, dient dieser Link.

Es ist einerseits verständlich, wenn du dich in deinem Kummer intensiv mit deiner Liebesgeschichte beschäftigst. Jedoch löst diese intensive und oft sorgenvolle Beschäftigung mit deinem OdB (= Objekt der Begierde) dein Problem nicht automatisch. Deshalb ist es sehr wichtig, dass du dich darüber hinaus ablenkst und unbedingt zu einem großen Teil den Fokus auf dein Wohlgefühl (unabhängig von deiner Liebesgeschichte) richtest. Hierzu eignet sich folgender Strang:
"Aktives 'Warten' - die Positivspirale".

Beachte bitte zudem: Ein Forum ist kein Selbstbedienungsladen sondern eine Selbsthilfegruppe. Wenn Du ausreichend Feedback von den anderen willst, musst Du Dich auch in anderen Strängen an der Diskussion beteiligen.

Kommunikation zwischen dir und deinem Partner stelle bitte in Fettschrift ein; deine Berater können sich so schneller orientieren und somit effektiver bei einem Antworttext helfen.
Partnerschaften sind vielfältig. Es gibt Paare, Familien, gleichgeschlechtliche Beziehungen, offene Beziehungen. Eines haben alle am Anfang gemeinsam: die Liebe.
Aber auch in Partnerschaften kann es zu Missverständnissen und Konflikten kommen. Das aus unterschiedlichsten Gründen... in einem langen, gemeinsamen Alltag hat man sich festgefahren, kann nicht mehr zusammen kommunizieren oder fühlt sich nicht mehr geliebt, kann sich nicht mehr als (Liebes)Paar sehen.
Hier bekommst du Tipps und Ratschläge, wie du wieder zurück in ein unbeschwertes Miteinander finden kannst.

Bitte achte darauf, dass du die Kommunikation deines Partners stehen lässt und nicht sofort editierst - denn dann hätte keiner was davon: Weder deine Berater im Strang können sich schnell orientieren, noch haben Mitleser die Gelegenheit, etwas zu lernen.

Und noch was: Bitte lege Dir einen Avatar zu, so dass du ein "Gesicht" für uns bekommst.

Für Deine Geschichte wünschen wir Dir viel Glück!
Hira aus dem Team

Ps: Wolfgang's E-Book ist bei Partnerschaftsproblemen eine große Wissensbereicherung. Auch wenn es noch nicht zu einer Trennung gekommen ist, ist es für Paare wichtig, die Dynamiken zu verstehen, wenn es kriselt.
 

Amaryllis

Aktives Mitglied
Registriert
5 Apr. 2021
Beiträge
1.477
Willkommen bei uns im Forum !

Gemeinsame Inseln sind eigentlich recht einfach zu benennen: Kino, schön essen gehen, Theater, gemeinsamer Sport, Sauna, verreisen, wandern.... Das müssen auch keine großen Sachen sein. Ein halbstündiger Spaziergang am Abend bedeutet schon "Insel".



Liebe Grüße,
Ama
 

Alvaro

Aktives Mitglied
Registriert
5 Dez. 2023
Beiträge
96
Liebe Ama,
danke für die Antwort - die Sauna übernehme ich direkt in meine/unsere Winterplanung als weiteren Punkt :grins:. Kino, essen gehen, gemeinsam tanzen, Reisen, Spaziergänge gehören bei uns auch dazu. Genau wie auch Gesprächsabende, an denen wir uns jeweils EIN spezielles Thema unserer Beziehungswelt vornehmen (klingt jetzt vielleicht unentspannter als es bei uns ist).

Was uns manchmal in die schönen Inselstunden reinpfuscht, ist die Erwartungshaltung, dass das jetzt unbedingt ganz großartig werden muss, schließlich ist es ja eine gemeinsame Inselerfahrung... ich nehme an, so wird es mehreren gehen...

Ich hoffe, dir geht's mit deinem (fast) neuen Singlemann,
Liebe Grüße,
Alvaro
 

Amaryllis

Aktives Mitglied
Registriert
5 Apr. 2021
Beiträge
1.477
Na das hört sich doch gut an. Behaltet alles im Auge aber bleibt entspannt. Es ist nicht schlimm, wenn es mal 2 Wochen keine große Insel gibt.
 

Wanderer

Mitglied
Registriert
10 Dez. 2023
Beiträge
29
Hallo Alvaro,
erst einmal Respekt, dass du es geschafft hast, die (beendete) Affäre deiner EF trotz des damit verbundenen Schmerzes zu verzeihen und die Ehe nicht nur weiter zu führen, sondern auch noch weiter zu entwickeln.
Viele, viele sehr zugewandte Gespräche, viele gemeinsame Erlebnisse und eine Paartherapie haben uns dabei geholfen.
Das ist keineswegs selbstverständlich. Aber jetzt kommt ein Passus, der meine Augenbrauen hoch gehen lässt:
Was uns trotzdem immer wieder fehlt, sind genügend „Inseln“, um uns vom oft doch stressigen Alltag, in dem wir als Team gut „funktionieren“, mal ganz auf die Paarebene zurückziehen können. Wir haben diese Inseln durchaus (wahrscheinlich sogar mehr als viele andere Paare), aber in dieser Hinsicht sind wir beide nunmal sehr unbescheiden und wollen MEHR.
Ich sage mal, was ich da lese, wenn ich das mitlese, was zwischen den Zeilen steht: "Wir sind ein total aufeinander bezogenes Paar und wollen unsere gesamte Zeit miteinander verbringen. Neben Arbeit und Alltag soll nichts übrig bleiben, was wir nicht gemeinsam tun." Da sehe ich jemanden einen hohen Zaun um die Ehe errichten und auf der Suche nach Tipps, wie auch die letzten Schlupflöcher gestopft werden können.
Da gehen bei mir die roten Lämpchen an. Seid ihr es wirklich beide, die diese hermetische Beziehung wollen?
Auch in der besten Partnerschaft braucht es Individualität und persönliche (individuelle) Weiterentwicklung. Wenn die abgewürgt wird, ist zu befürchten, dass irgendwann mindestens einem der Partner die Luft ausgeht.
Natürlich sehe ich das subjektiv, also vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen. Und vielleicht liege ich voll daneben. Aber mal hinschauen, ob da vielleicht ein bisschen was dran ist, könnte sicher nicht schaden.

LG
Wanderer
 

Alvaro

Aktives Mitglied
Registriert
5 Dez. 2023
Beiträge
96
Hallo Wanderer,

schön, dass du hier reinwanderst!
Seid ihr es wirklich beide, die diese hermetische Beziehung wollen?
Um Gottes Willen, nein! Keiner von uns will das. Wenn ich von "Inseln" schreibe, dann meine ich keine Zäune und hermetische Grenzen, sondern "quality time", wie es im schönsten Neudeutsch heißt - die Zeit, die wir gemeinsam haben, schöner zu nützen. Wir haben beide viel Raum für uns und den wollen wir uns auf keinen Fall wegrationalisieren, aber manche äußere Settings sind für unsere Paarzeit eben besser geeignet als andere, um uns bei den vielen Rollenhüten, die der Alltag mit sich bringt, auf der Mann-Frau-Ebene zu begegnen. Dafür suche ich einfach zusätzliche Impulse. Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen :grins:
LG
Alvaro
 

lalelu23

Aktives Mitglied
Registriert
26 Okt. 2023
Beiträge
596
Lieber Alvaro,

Jetzt schneie ich auch mal in deinen Strang

Ich kenne mittlerweile nicht mehr allzu viele Langzeitpaare, die "es geschafft haben", im Sinne von wirklichem Glück miteinander.
Langzeitpaare kenne ich viele, stelle aber insgeheim die berechtigte Frage, ob das eher ein Nebeneinander- als ein Miteinanderleben ist.

Was ich von den erfolgreichen Paaren mitgenommen habe, ist folgendes: die Bereitschaft, sich jede Woche eine Auszeit zu nehmen. Ohne eine Wahnsinns-Erwartungshaltung. Einfach nur Zeit zu zweit, egal was. Essen gehen, Spaziergang, Kino. Egal.
Ich hatte das zu Ehezeiten probiert, leider erfolglos, da mein ExEm nicht so richtig mitzog.
Bei dem Paar, von dem ich erzähle, hat es funktioniert. Sie ziehen das fast schon religiös durch und ich habe den Eindruck, dieses "Verpflichtende", so komisch es sich anfühlt, verbindet die beiden sehr.

Weiterhin habe ich eine Freundin, die mit ihrem Partner regelmäßige Treffen hat, bei dem jeder zehn Minuten Redezeit hat. Der andere hört zu. Dabei kann es um alles geben. Schönes, nicht so Schönes, die Beziehung betreffend oder auch nicht.
Finde ich auch äußerst spannend.

Habt ihr inzwischen neue "Inseln" entdecken können?

Herzlich
Lalelu
 

Gaudinockerl

Mitglied
Registriert
8 Feb. 2024
Beiträge
12
Hallo Alvaro.

Mich würde interessieren, wie du es geschafft hast die Affäre zu verzeihen? Du schreibst ja mit Paarberatung usw. Aber ich meine vor allem auch innerlich.
Bleibt sowas immer im Hinterkopf/ bestimmt es den weiteren Alltag? Kommt sowas bei Streitigkeiten wieder als Vorwurf nach vorn?

Ich wollte auch zB mit meinem Mann immer einen fernsehfreien Abend pro Woche für uns, bei dem wir zB gemeinsam Spiele (Karten, Würfel-, Brettspiele usw.) spielen und uns dabei bei einem schönen Gläschen zwanglos unterhalten können über alle möglichen Themen. Leider war ich zu wenig dahinter und wir haben es bisher nie gemacht. Ich hab es immer nur wieder angesprochen, aber leider nicht vorangetrieben und gesagt, so jetzt ist es soweit...

Ansonsten finde ich auch wie meine Vorredner schon geschrieben haben folgende Inseln toll:
Mal gemeinsam Musik hören zB auf der Couch liegen anstatt TV schauen und quatschen, Kinobesuche - gern mit einem Essen verbunden, Stadtbummel, Eis essen gehen, Frühstücken gehen, sich einfach mal in ein Café setzen auf einen Kaffee.

Hier ist mir selbst auch aufgefallen, dass wir das leider viel zu wenig gemacht haben in letzter Zeit - als hätten wir das schöne Leben aus den Augen verloren.

Liebe Grüße
 

Tata

Aktives Mitglied
Registriert
3 Feb. 2023
Beiträge
479
Hey Alvaro,

da kids im Teenageralter keine Kleinkinder mehr sind, können die schon ganz prima auf sich selbst aufpassen.

Erinner dich an die Anfangszeit zurück. Was habt ihr gerne gemacht?? Lass genau das wieder aufleben. Löst Euch von dieser Mama-Papa-Sache und schafft Euch genau diese Inseln. Es ist mMn normal, dass 20 Jahre nicht nur in ups durchlaufen können und jede Langzeitbeziehung ist einfach viel, viel Arbeit. Hut ab, dass ihr es geschafft habt.
 

Alvaro

Aktives Mitglied
Registriert
5 Dez. 2023
Beiträge
96
Guten Morgen,

nach längerer Zeit bin ich mal wieder im eigenen Strang unterwegs.
Ich kenne mittlerweile nicht mehr allzu viele Langzeitpaare, die "es geschafft haben", im Sinne von wirklichem Glück miteinander.
Ich kenne auch nicht viele, aber ich kenne welche. Und die, die ich kenne, haben verinnerlicht, dass Liebesglück ein höchst bewegliches Ziel ist.

Was ich von den erfolgreichen Paaren mitgenommen habe, ist folgendes: die Bereitschaft, sich jede Woche eine Auszeit zu nehmen. Ohne eine Wahnsinns-Erwartungshaltung. Einfach nur Zeit zu zweit, egal was. Essen gehen, Spaziergang, Kino. Egal.
Ich hatte das zu Ehezeiten probiert, leider erfolglos, da mein ExEm nicht so richtig mitzog.
Bei dem Paar, von dem ich erzähle, hat es funktioniert. Sie ziehen das fast schon religiös durch und ich habe den Eindruck, dieses "Verpflichtende", so komisch es sich anfühlt, verbindet die beiden sehr.
Ja, das kenne ich. Wir machen es zwar nicht ganz so dogmatisch, aber selbst in den heftigsten Stresszeiten ist eine Auszeit die Woche eigentlich Minimum.
Weiterhin habe ich eine Freundin, die mit ihrem Partner regelmäßige Treffen hat, bei dem jeder zehn Minuten Redezeit hat. Der andere hört zu. Dabei kann es um alles geben. Schönes, nicht so Schönes, die Beziehung betreffend oder auch nicht.
Finde ich auch äußerst spannend.
Ja, so ein Paar kenne ich auch. Und dann merke ich immer, in was für einer Luxussituation ich lebe - diese Fenster habe ich mit meiner Frau gefühlt fast jeden Tag. Und Und so künstlich sich "Rede- und Zuhörzeiten" für mich oft auch anfühlen können, helfen solche klaren Abmachungen uns gerade dann, wenn wenig Zeit ist.

Habt ihr inzwischen neue "Inseln" entdecken können?
Wir kultivieren unsere Tangoabende, spinnen aktuell gerade wieder oft über die Zukunft rum, erzählen uns viel über die Bücher, die wir gerade lesen (gerade viel Fachliteratur aber spannender Austausch), Spiele, Thermenbesuche, mal in die Oper... ja, da bewegt sich was:smile:

da kids im Teenageralter keine Kleinkinder mehr sind, können die schon ganz prima auf sich selbst aufpassen.
Yupp. Das hilft definitiv. Da meine Frau und ich aber auch zusammenarbeiten und öfters mal berufliche Abentermine gemeinsam wahrnehmen müssen, sind die abendlichen Privatausflüge dann doch begrenzter als wir es oft gerne hätten - aber da jammere ich auf sehr hohem Niveau.

Ich wollte auch zB mit meinem Mann immer einen fernsehfreien Abend pro Woche für uns, bei dem wir zB gemeinsam Spiele (Karten, Würfel-, Brettspiele usw.) spielen und uns dabei bei einem schönen Gläschen zwanglos unterhalten können über alle möglichen Themen. Leider war ich zu wenig dahinter und wir haben es bisher nie gemacht. Ich hab es immer nur wieder angesprochen, aber leider nicht vorangetrieben und gesagt, so jetzt ist es soweit...
Festlegen, machen. Gerade jetzt - wäre meine Meinung dazu.

Mich würde interessieren, wie du es geschafft hast die Affäre zu verzeihen? Du schreibst ja mit Paarberatung usw. Aber ich meine vor allem auch innerlich.
Bleibt sowas immer im Hinterkopf/ bestimmt es den weiteren Alltag? Kommt sowas bei Streitigkeiten wieder als Vorwurf nach vorn?
Dazu schreibe ich später gerne in einem Extrapost mehr - jetzt muss ich mal meine Familie wecken...:das-panikhuhn-resi:

Habt einen schönen Tag,

Alvaro
 

Alvaro

Aktives Mitglied
Registriert
5 Dez. 2023
Beiträge
96
Mich würde interessieren, wie du es geschafft hast die Affäre zu verzeihen? Du schreibst ja mit Paarberatung usw. Aber ich meine vor allem auch innerlich.
Liebe Gaudinockerl,

da ich mir den Hintergrund deines Interesses angesichts deiner eigenen Geschichte gut vorstellen kann, will ich versuchen, so ausführlich wie möglich zu antworten, ohne deshalb gleich einen mehrbändigen Roman zu schreiben – das ginge nämlich auch:smile:

Kurzfassung: sehr viel Zeit, sehr viel Zuhören (meiner EF und noch mehr mir selbst), sehr offene Kommunikation und extreme Genauigkeit bei meiner eigenen Wirklichkeitskonstruktion.

Ich denke, die ersten 3 Punkte sind selbsterklärend, der vierte Punkt aber sicher nicht.

Bei aller Verletzung, Trauer, Wut etc. war mir von Anfang an klar, dass ich die „Opferrolle“ nicht einnehmen darf. Ob und wie unsere Beziehung weitergeht, liegt genauso an meinen Entscheidungen wie an denen meiner Frau. Ich entscheide mit – bin also Handelnder. Und als solcher auch verantwortlich. Den „Kampf“ um die Beziehung mussten wir also BEIDE aktiv führen.

Dann habe ich mir eine Art „Wunderfrage“ gestellt. „Angenommen, wir wachen am nächsten Morgen auf und die Affäre wäre wie durch ein Wunder über Nacht komplett überwunden und unsere Beziehung wäre plötzlich ganz so, wie wir sie uns wünschen – wie wäre sie dann? Wie genau? Was wäre anders?“ Durch meine eigene Fantasie darüber wurde mir klar, dass die Beziehung definitiv nicht genau so wäre, wie vor der Affäre. Das bedeutet im Umkehrschluss: wir HATTEN schon vor der Affäre Probleme oder waren zumindest vom Wunschzustand deutlich entfernt. Und dafür waren wir beide verantwortlich und das war nicht die „Schuld“ meiner Frau.

Apropos Schuld. Auch da liegt das Unbequeme im Detail. Wo genau lag die „Schuld“ meiner EF? Gefühle sind keine Willensentscheidungen. Sie entstehen/wachsen/schrumpfen/verschwinden in der Zeit und durch unsere Handlungen, unsere Gedanken, unsere Bereitschaft oder Nicht-Bereitschaft uns darauf einzulassen. Diese Handlungen etc. sind Entscheidungen. Die Gefühle selbst nicht.

Das bedeutete für unsere Kommunikation über die Affäre, dass meine Frau nicht in die Lage kommen durfte, ihre Gefühle für AM mir gegenüber rechtfertigen zu müssen. Dass sie sich verliebt hat, dass sie sich sexuell angezogen fühlte – all das hat mir zwar keineswegs gepasst, aber dahinter steckte keine Schuld. Das passiert oder es passiert nicht. Schuld im Sinne von einseitiger Verantwortung (ich rede hier nicht von moralischer Schuld) steckte hinter den Handlungen: hinter den Lügen, hinter dem bewusst kalkulierten Vertrauensbruch, hinter jedem sexuellen Kontakt, hinter jedem Treffen. Denn all das beruhte auf ihren Entscheidungen. Aber nicht die Gefühle. Und das war für die Kommunikation extrem wichtig. Auch weil meine EF dadurch um die Affäre trauern durfte und ich das nicht als Absage an mich verstehen musste – die Gefühle waren eben die, die sie waren.

In der ersten Zeit nach der Affäre gingen bei uns die Emotionen natürlich extrem hoch – himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt im Achterbahnmodus. Wir waren durch unsere Neuentscheidung füreinander wie auf Drogen, fühlten uns neu verliebt, hatten den besten Sex unseres Lebens… wie aus dem Lehrbuch für Paartherapieprozesse. Und da lauerte dann die nächste Falle: Das Gefühl von ALLES IST WIEDER GUT. Nein, verdammt. Es war nicht alles gut. Vertrauen zu zerstören geht schnell, es (wieder)aufzubauen nicht. Und es war ja auch schon vorher nicht alles gut. Und da beginnt dann die eigentliche Beziehungsarbeit. Die Baustellen nicht aus dem Blick zu verlieren, nur, weil man wieder tollen Sex hat und ineinander verliebt ist. Wir haben uns immer wieder gegenseitig gezwungen, auf die Baustellen zu schauen und uns kein ALLES-IST-GUT-Gefühl zu geben. Aber gemeinsam auf die Baustellen zu schauen, im Wissen, dass wir sie gemeinsam angehen wollen, war so viel mehr wert.

Wir haben uns auch ganz viel über die FUNKTION der Affäre ausgetauscht. Im Alltag unserer Liebesbeziehung erfüllen wir so viele Funktionen und das Blickfeld auf die Paarebene ist einfach nicht so frei. Im Alltag bin ich der Elternpartner, der dafür sorgt, dass die Tochter frühstückt und ihren Bus bekommt, da bin ich der Partner, mit dem EF sich den Haushalt teilt, da bin ich Gesprächspartner für Arbeitsthemen und was-kochen-wir-in-den-nächsten-Tagen, da bin ich Hausaufgabenhilfe und Familienbürobeauftragter… und zusätzlich will ich auch noch handelndes Subjekt und Objekt der Begierde sein. Da geht schon mal was unter. Und die ganze Litanei hätte ich jetzt auch aus EFs Blickwinkel schreiben können. In der Affäre ist der Blickwinkel freier. Der Affärenpartner kann im Vordergrund (nicht nur sexuell, sondern auch emotionell) stehen. Es gibt ja auch viel weniger zu erfüllende Funktionen und alle ohne jede Verpflichtung zur Verbindlichkeit. Und das KÖNNEN wir uns in einer Exklusivbeziehung einfach nicht gegenseitig geben. Denn wir WOLLEN ja die Verpflichtungen füreinander und die Verbindlichkeit. Und dieser Konsens nimmt ganz viel Druck raus – und ermöglicht auf der anderen Seite dann wieder die gemeinsame Suche nach einer Leichtigkeit. Aber einer Leichtigkeit, die eben ganz anders als die einer Affäre ist. Und die Klarheit über die Funktion erleichtert auch den Umgang mit geschehenen Verletzungen. Denn egal, was ich tue, egal, wie ich an mir arbeite, ich KANN die Funktionen eines Affärenpartners nicht erfüllen, denn wir haben keine Affäre. Und das hilft aus der Was-gibt-er-dir-was-ich-dir-nicht-geben-kann-Falle. Was bleibt sind Baustellen. Wie schaffen wir es, unsere Paarebene trotz aller Verpflichtungen nicht aus den Augen zu verlieren, wie können wir eine leidenschaftliche Ebene trotz Ehe und Langzeitbeziehung behalten… Da gehen die Themen für die Beziehungsarbeit nicht aus:trost:

So, jetzt habe ich einen solchen Sermon abgelassen und kein einziges Mal das Wort VERZEIHEN verwendet – trotzdem ist das meine Antwort auf deine Frage. Für mich ist Verzeihen ein Gefühl. Und, wie gesagt, Gefühle sind keine Willensentscheidungen. Das Verzeihen ist für mich der „Beifang“ der gemeinsamen Arbeit an der Beziehung. Ein Nebenprodukt der Erfahrung, dass wir beide um diese Beziehung kämpfen und dass wir uns immer wieder neu dafür entscheiden. Ich habe nicht verziehen. Es ist passiert.

Das klingt vielleicht alles sehr rational gesteuert - war und ist es aber nicht immer. Das liegt an meinem Versuch, die gelebte Erfahrung einigermaßen nachvollziehbar zu verbalisieren.

Kurz noch zu den anderen Fragen.
Bleibt sowas immer im Hinterkopf
Ja, bei mir schon. Aber ich kann die Erfahrung gegensetzen, dass wir da wieder rausgekommen sind. Gemeinsam. Und deshalb will ich gar nicht vergessen.
bestimmt es den weiteren Alltag?
Nein. Das ist eine Entscheidung – die kann ich treffen und habe sie getroffen. Für einige Zeit war es nicht meine Entscheidung, weil ich von meinem Gefühlssturm mitgerissen wurde. Aber dieser Sturm lässt wie alle Stürme nach.

Kommt sowas bei Streitigkeiten wieder als Vorwurf nach vorn?
Bei uns definitiv nein. Wir reden noch immer manchmal darüber. Über die Affäre und ganz besonders über die (insgesamt äußerst positiven) Folgen für uns als Paar. Aber da sind keine Vorwürfe mehr.

Die Reise geht weiter.

Herzlich,

Alvaro
 
Zuletzt bearbeitet:

betabynature

Mitglied
Registriert
31 Jan. 2024
Beiträge
21
Hallo Alvaro,

nachdem ich mir jetzt endlich auch mal deinen Strang durchgelesen habe, kann ich hier nur meinen Hut ziehen, denn ich würde bei einer solchen Situation völlig vor die Hunde gehen. Natürlich „gehören immer 2 dazu“ - zu jeder Beziehung und auch zu jeder Beziehungskrise. Aber wie ihr diese Affären-Situation gemeistert habt, hat meinen absoluten Respekt.

Ich selbst bin noch mitten in meinem eigenen Strudel, aber ich halte die „Inseln“ für eine super Sache. In der Praxis ist es aber leider zu oft so, dass nur einer der Partner (i.d.R. der mit der größeren Verlustangst?) das Thema antreibt und einfordert, während der andere meist nur augenrollend mitmacht. (zumindest meine Erfahrung)

Ich wünsche dir, dass deine Reise gut, glücklich und ohne weitere Stromschnellen verläuft.

betabynature
 

Flieder

Aktives Mitglied
Registriert
22 Feb. 2024
Beiträge
36
Lieber Alvarao,

ich kann mich hier nur betabynature anschließen. Das ist wirklich ganz großes Kino, wie Du mit der Affäre umgegangen bist bzw. umgehst. Mich hat die Fast-Affäre bzw. Affäre (man weiß es ja nicht so genau) meines EM vollkommen runtergezogen. Aus dem Loch bin ich auch noch nicht raus. Mein Selbstbewusstsein liegt zudem brach.

Ich befinde mich in ähnlicher Konstellation wie Du: Langzeitbeziehung bzw. Ehe, Kind im Teenageralter, beide Ende Ende 40.

Auch wir haben uns vollkommen verloren. Insbesondere den Part mit den ganzen Rollen, die wir alle erfüllen müssen oder wollen, spricht mir aus der Seele. Denn im Idealfall bin ich Hausfrau (wenn im Homeoffice), Helikopter-Mutter (ja ist leider so), Business-Frau, verlässliche Ehefrau und OdB in körperlicher Hinsicht. Bei meinem Mann sieht es ja nicht anders aus. Das man sich da gerne mal verliert ist klar.

Ich denke, ein wichtiger Punkt bei Euch war, dass Deine Frau im Nachhinein offen mit dem Geschehenen umgegangen ist. Mein EM ist eher der Typ, dem man jede Information aus der Nase ziehen muss und auch dann kommen nur Teilinformationen, die sich dann aber leider hinterher auch widersprechen. Gerade das "einmal reinen Tisch" machen ist vertrauensbildend(er).

Ich wünsche Euch alles Gute und weiterhin viel Erfolg mit Euren Inseln.

Herzlichst
Flieder
 

Kugelmaus

Neues Mitglied
Registriert
25 Feb. 2024
Beiträge
4
*gelöscht, da keine Schreibrechte*
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

Statistik des Forums

Themen
12.808
Beiträge
2.163.627
Mitglieder
10.746
Neuestes Mitglied
Djoker
Shoutbox
  1. Seele @ Seele: Currywurst mögen die doch auch wie verrückt
  2. Ramona_in_Love @ Ramona_in_Love: @Seele Oder auch Auch Steak and BJ - Day am 14. März .... ich fand immer schon, dass die Kerle mehr Spaß im Leben haben und hing schn als Teenagermädchen gernhe mit den coolen Jungs ab
  3. Seele @ Seele: Folgt nicht bald der Schniblotag?
  4. Ramona_in_Love @ Ramona_in_Love: Nur noch knapp 50 Minuten durchhalten Leute, dann sind dieser endbescheuerte Valentinstag und das damit ggf. verbundene KK auch wieder vorbei ;-)
  5. Admin Wolfgang @ Admin Wolfgang: Hallo Leute z. Z. werde ich mal wieder überflutet mit Mails, PNs und SMSen. Ich kann nicht auf Dutzende von Messages jeden Tag antworten, das übersteigt meine Kapazität. Nur auf Organisatorisches bzw. nur auf wirklich Wichtiges sollte sich das beschränken. Und bitte haltet eure Texte möglichst kurz dabei. Danke für euer Verständis.
  6. Admin Wolfgang @ Admin Wolfgang: Leute denkt bitte dran: Ihr dürft im Forum nur bei anderen kommentieren, wenn ihr nen eigenen Strang habt oder hattet, in den Foren 1 bis 5. Ein Plaudereckenstrang reicht dafür nicht aus. Alle nicht genehmigte Posts werden vom Team wieder gelöscht.
  7. Honey Rider @ Honey Rider: Frohes neues Jahr
  8. Zebrafjord @ Zebrafjord: Ich wünsche auch ein Frohes Neues!
  9. Admin Wolfgang @ Admin Wolfgang: Euch allen einen guten Rutsch und ein gesundes neues Jahr!
  10. Admin Wolfgang @ Admin Wolfgang: Euch allen ein schönes Weihnachtsfest und natürlich auch den stillen Mitlesern hier.
  11. Leeloo @ Leeloo: Luke, wie schön! Gestern erst an dich gedacht ;-)
  12. Mod Luke @ Mod Luke: Viele liebe Grüße aus dem Off, Leute :-) Wünsche euch eine wunderbare Weihnachtszeit und einen guten Rutsch ins neue Jahr!
  13. Admina Hira Eth @ Admina Hira Eth: An alle Neumitglieder hier (oder die, die erwägen, es zu werden): bitte macht euch doch vorab mit den Forenregeln bekannt. Es wäre wirklich toll, würdet ihr berücksichtigen, dass ihr ohne eigenen aktiven Hilfestrang nicht in unseren Unterforen 1-5 kommentieren dürft. Außerdem wäre es toll, würdet ihr berücksichtigen, dass wir nicht in Affären hineinberaten - also euch weder sagen, ob ihr´s tun sollt oder wie oder euch in der Anfangsphase der Affäre begleiten oder betreuen. Lieben Dank! :-)
  14. Bourque @ Bourque: Liebe Plouha, liebe Hira, herzlichen Glückwunsch von meiner Seite!
  15. Admin Wolfgang @ Admin Wolfgang: Wenn ihr ins Fernsehen kommen wollt, dann schaut in die Plauderecke!
Oben