Ich würde gerne generell noch was schreiben und zwar aus meiner Sicht als Psychologin/Therapeutin (die ich leider auch hier in diesem Beraterforum nicht einfach so von mir abtrennen kann, da es mir in Fleisch und Blut übergegangen ist, da ich seit Jahren den ganzen Tag nichts anderes tue, als Menschen zu helfen, sie zu behandeln usw. und daher auch die Dynamiken alle kenne), was ich hier immer wieder beobachte und jetzt auch beim Nachlesen hier in diesem Strang meine beobachtet zu haben (ich entschuldige mich jetzt schon für die teilweise dritte Person, Amethist):
Ich nehme dich den gesamten Strang als ziemlich durch den Wind wahr, Amethist. Und irgendwie auch als sehr unsicher und auch unerfahren. Sehr emotional und impulsiv. Ich vermute, dass andere dich ähnlich wahrnehmen, was zur Folge hat, dass viele hier sehr schnell einspringen, einen Ratschlag parat haben, was zu bedenken geben, Hilfestellung geben wollen usw. usf. Und das zack auf zack, Schlag auf Schlag.
Wo ich mir unsicher bin ist, ob du all die guten Texte, die die Leute hier geschrieben haben, überhaupt verdauen kannst, annehmen kannst, darüber nachdenken kannst, darüber reflektieren kannst. Auf mich wirkt es ein wenig konsumierend, verzweifelt allemal, was viele hier ja so zur Hilfe eilen lässt. Ich denke nur aus meiner professionellen Sicht, dass "gut gemeint" halt nicht immer "gut gemacht" bedeutet: Ich würde dich vielmehr kommen lassen von dir aus, dich auch mal was sacken lassen, mal nicht sofort reagieren, sich in dir was entwickeln lassen, dich auch Erfahrungen mit deinen eigenen Entscheidungen machen lassen (z.B. Blockieren), vor allem, da du wenig erreichbar auf mich wirkst. Alles andere bewirkt, dass man zwar im Grunde hier viele gute Posts deiner Berater lesen kann, die aber irgendwie alle im Hintergrund verschwinden, weil sie durch deinen Gefühlszustand überdeckt werden, der sich ja nun auch nicht so schnell durch dich ändern lässt. Nur: um dein Arousal etwas zu senken, würde sich eben als Berater paradoxerweise eher anbieten, nicht sofort auf alles anzuspringen, kleinschrittig zu beruhigen oder zu beraten, was du hier nachfragst oder preis gibst. Es ist völlig okay, Amethist mal zu lassen, so dass sie es auch sacken lassen kann und sich mit sich selbst und ihrer Geschichte auseinandersetzen muss.
Weil sich sonst nämlich die Dynamik entwickelt, dass man auf sie einredet, etwas nicht zu machen, etwas doch zu machen oder sonstwas anderes zu machen und unsere Amethist nach wie vor eben NICHT selbst überhaupt dazu kommt, überhaupt was für sich selbst zu entscheiden, sondern mit Gegenrede, Widerstand, Rechtfertigung und weiteren Angstgedanken reagiert, was dann bei den Beratern wiederum ebenfalls in Erklärungen, Gegenrede usw. mündet und so geht das dann immer weiter, ohne dass sich Amethist scheinbar auch nur ansatzweise beruhigt, oder irgendwas zu ihr durchdringen kann.
Es steht bereits ALLES im Strang, was es für diese Geschichte zu wissen gibt. Sie darf ihre eigenen Erfahrungen machen, es ist egal, was er denken könnte und was nicht, wenn sie so oder so reagiert. Viel wichtiger finde ich hier, sich selbst auszuprobieren zu dürfen/zu können. Wie soll sonst jemand mehr zu sich finden und (authentische) Souveränität erhalten?
Also, wenn ich nicht Fahrradfahren kann und mir ein Coach jeden einzelnen Schritt vorgibt und ich sowieso schon sehr verunsichert bin, dann führt ein sehr kleinschrittiges Fahrradcoaching paradoxerweise eher dazu, dass ich NOCH unselbständiger, panischer und unsicherer werde. Wenn mir der Coach aber *zutraut*, nach Erklärung der Basics (die nicht x mal redundant erklärt werden müssen, weil auch das in einer Schleife hält), es selbst auszuprobieren, dann darf es mich auch mal auf die Schnauze hauen, oder ich fahre Schlangenlinien oder in einen Stein und hab dann einen Platten.
DANACH kann ich mich dann mit dem Coach hinsetzen und besprechen, was ich beim nächsten Versuch besser machen könnte, so dass ich aller Voraussicht nach (!) keinen Platten mehr bekomme und es mich nicht auf die Schnauze lässt, bzw. die Wahrscheinlichkeit dafür sinkt, mir weh zu tun (ganz vermeiden lässt es sich eben nicht). Wenn ich das mit dem Coach besprochen habe, kann ich darüber nachdenken, das im Geiste üben und dann in der Realität umsetzen...bis es mich halt mal wieder runterhaut vom Rad. Dann kann ich wieder auf Fehlersuche gehen. Lags an mir? Ist das Rad kaputt? Dann schmeiss ich es weg und kaufe ein besser passendes Rad. Passt das Rad vielleicht gar nicht zu mir und meinem Körper? Auch dann kaufe ich mir ein anderes, besseres Rad....Ohne diesen Versuchen wäre mir gar nicht aufgefallen, welches Rad nun wirklich zu mir passt und hätte auch gar nie gemerkt und gelernt, wo meine Schwächen liegen und was ich nun verbessert habe und verbessern könnte - und welches Rad zu mir passt.
Da hätte der Coach noch so viel auf mich einreden können, was ich tun soll, nicht tun soll, welches Rad ich kaufen soll usw. usf. Er hätte mich darum gebracht, selbst souverän(er) zu werden und durch eigene Erfahrung zu lernen. Der Coach muss mir zu liebe ein wenig Loslassen, vor allem dann, wenn ich durch Panik kaum erreichbar bin.