Ihr lieben.
Nachdem ich ja anfangs sehr aktiv war und täglich viel Zeit hier verbracht habe, habe ich mich ja in der Zwischenzeit wieder deutlich aus dem Betrieb hier rausgezogen.
Ein Grund dafür war für mich, dass ich mal eine komplette gedankliche Sperre vor der ganzen Thematik gebraucht habe.
Das Schreiben und analysieren (und die Beteiligungen in anderen Strängen) hier haben mir extrem geholfen. Und obendrein noch Interessen geweckt, denen ich nachhaltig Aufmerksamkeit schenke.
Dennoch zwingt es einen ja, sich immer weiter mit der eigenen traurigen Situation auseinander zu setzen. Und ich brauchte mal einen Schnitt, um mit mir selbst sowas wie einen Neuanfang zu machen.
Darüber hinaus habe ich die Zeit in den letzten Wochen extrem viel dafür genutzt, raus zu gehen und einfach gute Zeiten zu erleben. Ich habe es genießen gelernt, einfach neue Menschen zu treffen und über interessante Dinge mit ihnen zu reden. Ihre Geschichten zu hören. Ich habe beispielsweise gelernt, wie großartig es sein kann, fremde Frauen kennen zu lernen und mich davon frei zu machen, im Gespräch mit ihnen immer ein bestimmtes Wunschszenario zwischen uns beiden im Hinterkopf zu haben. Statt dessen es nur genießen, gute Momente miteinander zu erleben und die angenehme Spannung in solchen Situationen schätzen zu lernen.
Ich habe ja hier und in anderen Strängen immer wieder geschrieben, dass ich die Trennung von meiner EX als große Chance für mich selbst sehe. Und ich bin nach wie vor dabei, sie zu nutzen. Aus mir einen Menschen zu formen, dem ich nicht nur gern im Spiegel gegenüber trete, sondern als der ich mich auch in sozialen Situationen wohl fühle. Und zwar, ohne mich dafür verstellen oder einem bestimmten vorgefertigen Muster folgen zu müssen. Viele der hier vertretenen Ansichten über die Dynamik zwischen zwei Menschen haben mir nicht nur in der Trennungssituation die Augen geöffnet, sondern mir vor allem die Tür in eine Welt geöffnet, die mir mit Ende zwanzig plötzlich aufzeigt, welche Kapazitäten und Potenziale man in der Gestaltung und - vor allem! - dem Erleben seiner Zeit hat.
Das geht für mich so weit, dass ich meine berufliche Situation und Planung angepasst und streckenweise überdacht und vollkommen neu orientiert habe. Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben das tief empfundene Gefühl, dass es am Ende einzig und ausschließlich darum geht, ob das was ich mache (zwischenmenschlich und beruflich) eine Antwort auf die Frage gibt, ob es mir Lebensqualität ermöglicht.
Es ist so viel, was sich gerade in meinem Kopf neu und erkennbar formt. Und es fällt mir - offensichtlicher weise - immer noch schwer, das alles treffend in Worte zu fas sen xD
Grundsätzlich bin ich dabei, mich immer mehr von selbst auferlegten Zwängen und fraglichen Konzepten und Konstrukten frei zu machen. Das beinhaltet natürlich hauptsächlich die Frage danach, wie sinnvoll all die Regeln, Rahmenbedingungen, "Gesetze" und fraglichen Bedeutungen von Dingen wie Liebe und Beziehungen sind. Die Idee davon, die Gesellschaft einer Frau genießen zu können, es schön zu finden, sie um mich zu haben, gemeinsam Dinge zu unternehmen und vielleicht sogar auch miteinander zu schlafen und das aber zunächst vollkommen losgelöst von fraglichen Besitzansprüchen an diesen Menschen und irgendwelchen Regeln die ein solches Verhältnis mit sich bringen soll...Also, allein die Idee davon, dass es möglich ist, eine emotionale und körperliche Bindung zu einem Menschen zu haben nur um eben diese Dinge zu erleben, beschert mir gerade unfassbare gedankliche Freiheit.
Für einige mag das jetzt so klingen, als würde ich schön umschreiben, was viele als "Affaire" bezeichnen. Das Wort ist leider für meinen Geschmack zu schlecht konnotiert, da es für die meisten nur bedeutet, dass Menschen sich für gelegentlichen Sex treffen. Aber kann man nicht auch einfach einen Menschen haben, mit dem man gern qualitative Zeit verbringt und darüber hinaus auch gern Sex hat und es nicht als Beziehung bezeichnen? Ich glaube, das geht. Ich glaube, das kann für beide Seiten äußerst befreiend und schön sein. Es setzt natürlich voraus, dass beide Beteiligten akzeptieren, den jeweils anderen in keinster Weise irgendeiner Form von Verpflichtungen aussetzen zu können.
Das heißt: Wenn man sich sieht und Zeit miteinander verbringt, geschieht das nur, weil beide das gerade möchten und den jeweils anderen Menschen und seine Gesellschaft einfach zu schätzen wissen. Das heißt aber auch, respektieren zu können, dass das Leben, die Gedanken und die Zeitplanung des anderen mich nur etwas angehen, wenn er/sie es von sich aus mit mir teilt. Und umgekehrt genauso.
Das könnte man jetzt noch Ewigkeiten lang weiter ausführen. Aber ich denke, ihr versteht die grundsätzliche Idee dahinter. (Ist ja auch eigentlich nichts weltbewegend neues. Nur für mich eben xD )
Und was das Coolste ist: Ich gehe raus und teile genau diese Ansichten mit anderen Menschen. Die allermeisten von ihnen (Frauen jedoch mehr als Männer) scheinen es absolut zu verstehen und gut zu finden. Auch, wenn viele, mit denen ich mich in letzter Zeit unterhalten habe, sich auf solche Art noch gar keine Gedanken zu dem Thema gemacht haben. Teilweise wurde ich ganz groß angeschaut, als hätte ich Worte für etwas gefunden, das sie schon lange ausdrücken wollten.
Das zeigt mir bisher vor allem eins: Menschen wollen gern andere Menschen erleben. Sich mit anderen Menschen gut fühlen. Menschen wollen dieses Gefühl genießen, zu kristallisieren und andere Menschen für das, was sie sind, bewundern können. Aber am allermeisten wollen sie das in dem Moment, in dem sie das Gefühl haben, dass es ihnen vollkommen frei steht, das zu tun - oder eben nicht. In dem Moment, in dem klar ist, dass es einzig und allein darum geht, den gerade statt findenden Moment mit einer Person zu genießen. Sei es ein Gespräch, ein Essen, ein Film oder Sex. Und (zumindest die meisten) freuen sich darauf, genau das wiederholen zu können, wenn ihnen klar ist, dass auch das ihnen vollkommen freisteht.
Ich weiß, das klingt alles etwas gegensätzlich. Aber es wird mir nach und nach klarer, dass es im Umgang mit anderen Menschen viel mehr um Qualität als um erzwungene Langfristigkeit geht.
Meine Ex hat in der Beziehung immer (von Anfang an) gesagt: Du kannst mit jemandem zusammen der glücklichste Mensch der Welt sein. Du kannst glauben, dass es Dir an nichts mangelt und Du die perfekte Beziehung hast. Du kannst ernsthaft und aus tiefstem Herzen lieben. Und trotzdem kann es immer sein, dass Du morgens aus der Tür gehst und plötzlich einem neuen Menschen begegnest, der Dich komplett umhaut.
Ich fand es damals immer furchtbar, wenn sie das gesagt hat. In dem Moment hat es mir den Eindruck vermittelt, als wäre ich jemand, der da ist, bis jemand besseres kommt.
Und jetzt, wo ich so vieles so sehr überdenke und anders beleuchte, sind es genau diese Sätze von ihr, die mir immer wieder in den Kopf kommen und plötzlich auf neue Art Sinn ergeben: Insofern, als dass es einfach die gelebte Gegenwart ist, die die Zeit mit einem anderen Menschen schön machen soll. Dass eben diese Form von "nicht selbstverständlich sehen, was man mit jemandem hat" ist, die einen den gerade vorhandenen Status genießen und schätzen lassen soll. Dass es einfach in solchen Dingen häufig nicht der eigenen Kontrolle unterliegt, was die Zukunft bringt und man sich deswegen nicht von jahrelanger Vorausplanung und gemalten Luftschlössern ausbremsen lassen und mit Ängsten behaften lassen soll, wenn es darum geht, zu gestalten und zu genießen, was jetzt gerade geschieht.
Natürlich bin ich noch nicht restlos über meine Ex hinweg. Die Trennung ist nun knapp zwei Monate her (was ich krass finde, weil es mir vieeeeel länger vorkommt). Nach wie vor seit dem letzten Gespräch kurz nach der Trennung kein Wort miteinander gesprochen, kein zufälliges Zusammentreffen, nichts.
Natürlich taucht sie immer wieder in meinen Gedanken auf. Natürlich wird noch das eine oder andere Mal mulmig.
Was aber mehr und mehr überwiegt, ist eine gewisse Form von Dankbarkeit für die Entwicklung der Dinge. Ich habe nie zuvor so bewusst meine Werte, Perspektiven, Ansichten und Leidenschaften überdacht, ausgelebt, mit anderen Menschen geteilt und festgestellt, was es bedeutet, sich selbst nahe zu sein.
Und ich habe festgestellt, dass genau solche Dinge sind, die zwischenmenschliche Interaktion interessant und ehrlich machen. Ich habe in den letzten Wochen viele wirklich wirklich gute Gespräche mit Fremden geführt, in denen wir große und teilweise intime Lebensansichten geteilt, ausgetauscht und diskutiert und am Ende festgestellt haben, dass wir nicht einmal den Namen des anderen kennen.
Deswegen: Leute. Auch, wenn es vielen von Euch gerade so richtig scheiße geht. Auch, wenn die meisten hier sind, weil sie nichts mehr wollen, als die Trennung von einem geliebten Menschen rückgängig zu machen. Auch, wenn gerade nichts anderes von Bedeutung zu sein scheint...
Wenn ihr all die Ratschläge, die ihr hier bekommt (KS (soooooo wichtig!!!!), sich um sich selbst kümmern, neue Leute kennen lernen und und und) nicht nur beherzigt, sondern anfangt, Ihre Bedeutung wirklich verstehen zu wollen. Wenn Ihr euch gedanklich so frei machen könnt, fest zu stellen, dass es das Schönste sein kann, Menschen und Situationen einfach genießen zu können ohne Erwartungen an einen bestimmten Ausgang zu haben. Wenn ihr einsehen könnt, dass Ihr anderen Menschen und Situationen eine Bereicherung sein könnt....
Dann seid Ihr auf dem Weg dahin, das zu erfahren, was ich persönlich gerade als "aufrichtige und ehrliche Entwicklung und Reifung" empfinde. Ob es das ist, was ein Exback am Ende wahrscheinlicher macht, ist eine andere Frage. Aber ich komme immer mehr dahinter, dass es das ist, was es braucht, um wirklich aus einer Situation gelernt zu haben und gewachsen zu sein und es das ist, was es braucht, um eine neue Beziehung (Exback oder neuer Partner) wirklich in eine schönere Richtung als die alte zu bringen.