Muss ich zwei Menschen lieben?

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Ich bin verliebt in zwei Männer und möchte es nicht sein. Der erste ist mein Ehemann und der zweite meine Jugendliebe X.

X und ich hatten quasi die gesamte Jugend immer mal wieder locker etwas miteinander, hauptsächlich betrunken nach dem Feiern. Ich war schon damals in ihn verliebt, er aber nicht in mich. Gesagt habe ich es ihm nie. Irgendwann wurde es dann doch ernster zwischen uns und er wollte sich plötzlich auch tagsüber regelmäßig mit mir treffen, stellte mich seinen Eltern vor, wollte mit mir verreisen. Er sagte mir, so habe er bisher noch nie empfunden.

Wir waren nicht fest zusammen, es wäre aber möglicherweise soweit gekommen, wenn ich es nicht durch einen Anfängerfehler vermasselt hätte. Ich entfachte nach einem netten Abend bewusst einen Streit (obwohl ich eigentlich gar nicht sauer auf ihn war), weil ich eine für mich unangenehme Situation vermeiden wollte und verlangte, dass er ging. Er ging und distanzierte sich von mir. In der Zeit danach versuchte ich noch ihn zu halten und machte damit logischerweise alles nur schlimmer. Ich verpulverte die bezaubernde Leichtigkeit der noch fragilen Verliebtheit in kürzester Zeit und polarisierte unsere Beziehung zu meinen Ungunsten. Es traf mich hart, ich hatte ziemlichen Liebeskummer. Lächerlich machen wollte ich mich aber nicht, also ließ ich es gut sein und meldete mich nicht mehr.

Wir lebten viele Jahre in unterschiedlichen Städten und nach kurzer Zeit lernte ich meinen Ehemann kennen. Wir sind mitlerweile seit fast 15 Jahren zusammen und haben 2 kleine Kinder. Mein Mann ist klug, loyal, ein toller Vater, ein empathischer Ehemann und kann sich bei Frauen vor Angeboten kaum retten. In vielerlei Hinsicht ein Volltreffer, könnte man sagen.

Mein Mann und ich unterscheiden uns allgemein ziemlich in unseren Persönlichkeiten, was oft für Diskussionen sorgt. Aber mir ist völlig bewusst, dass jede Beziehung ihre Reibungspunkte hat und es darauf ankommt, immer wieder einen Konsens zu finden und gemeinsam ein gutes Fundament zu haben. Ich schätze und liebe meinen Mann und empfinde ihn noch immer als attraktiv und inspirierend. Wir können noch immer hervorragend miteinander reden und gemeinsam lachen.

Gleichzeitig ging mir meine Jugendliebe aber in all den Jahren nie aus dem Kopf. Er ist nicht vergeben und war es in der ganzen Zeit auch glaube ich nicht. Er war schon damals kein Kind von Traurigkeit und ich denke, dass er nicht der Treuste wäre. Trotzdem habe ich Gefühle für ihn, die zyklisch immer mal wieder stärker und schwächer präsent sind.

Er ist wie ein nostalgischer Trampelpfad in meinem Gehirn, der sich einfach nicht überschreiben lässt. Wären diese Gefühle nicht an Sehnsucht gekoppelt und an den Wunsch mit ihm zusammen zu sein, könnte ich sie vielleicht als warme Erinnerung verbuchen und genießen, aber leider meldet sich jedes Mal das "Was wäre wenn" - Teufelchen in meinem Kopf, wenn ich an ihn denke. Da ich ziemlich rational bin, kann ich mir vorstellen, dass dann wahrscheinlich gar nichts wäre, außer, dass ich meine Familie zerstört und meinen Mann und meine Kinder unglücklich gemacht hätte. Die Chance, dass ich für ihn mit Kindern (und auch generell) überhaupt ernsthaft als Partnerin in Frage käme, ist doch sowieso gering. Er will ja selbst mal eine Familie gründen, da bevorzugt er sicherlich ein unbeschriebenes Blatt und auch unabhängig davon weiß ich ja nicht mal, ob wir zueinander passen würden.

Er schrieb mir im Verlauf der Jahre ein paar Mal (meistens wenn er betrunken war, aber z. B. auch zur Geburt meiner Kinder, wovon er wohl über gemeinsame Freunde erfuhr). Ich reagierte meist freundlich, aber relativ kurz angebunden, da ich weiß, dass der bloße Kontakt meinen Mann schon stören würde. Als er mich eines nachts wieder anschrieb und mich drängte, ihn zu treffen, um zu reden, bat ich ihn, mir solche Nachrichten nicht mehr zu schreiben, da ich mich nicht mit ihm treffen würde und erst recht nicht nachts. Ich fragte ihn, ob er mich vermisse. Er antwortete ja, er vermisse unsere Gespräche.

Über gemeinsame Bekannte sahen wir uns einige Male auf Events und plauderten oberflächlich miteinander. Einmal legte er es darauf an, dass ich ihn anschließend nach Hause fuhr. Ich verhielt mich neutral bis abweisend, weil ich einfach keine Lust hatte, am nächsten Tag wieder diese nostalgische Gefühlsduselei aushalten zu müssen. Sie trat dennoch ein.

Man sagt ja immer, die Zeit heile alle Wunden und irgendwann komme der Tag, an dem man sich fragt, was um Himmels Willen man an seinem Ex jemals gefunden hat. Leider hege ich nach all den Jahren ernsthafte Zweifel daran, dass dieser Tag jemals kommen wird. Vielmehr fürchte ich den Tag, an dem ich erfahre, dass er heiratet oder Vater wird. Dies wird für mich mit einer unerträglich schmerzhaften Endgültigkeit meinen illusionären Hoffnungsfunken ersticken.

Wie kann ich diese Sehnsucht loswerden? Verdrängung, Neuorientierung, mich auf mich und mein Leben konzentrieren, Dankbarkeit für mein Leben, seine negativen Seiten in der Fokus rücken - all das mache ich seit über einem Jahrzehnt, leider mit mäßigem Erfolg.

Muss ich für den Rest meines Lebens zwei Männer lieben? Meinen Mann liebe ich als echte Person. Es ist eine tiefe, auf Vertrauen und Zusammenhalt basierende Liebe, während ich X vermutlich vielmehr als glorifiziertes Gedankenspiel liebe. Es ist vielmehr eine Verliebtheit, die auch viel Egoismus von meiner Seite beinhaltet. Ich will einfach so gerne von ihm geliebt werden. Sein Glück ohne mich wäre für mich nur schwer zu ertragen, während ich meinen Mann aufrichtig und selbstlos liebe und ihm auch ohne mich alles Glück dieser Welt wünschen würde.

Ach herrje ist das jetzt lang geworden, verzeiht mir. Es ist das erste Mal, dass ich jemandem mein "schmutziges Geheimnis" mitteile.

Also nochmal auf den Punkt gebracht: Wie werde ich diese Verliebtheitsgefühle und die Sehnsucht nach X los? Habe ich nur die Wahl zwischen für immer mit diesem unerfüllten Teil in mir leben oder aber mein jetziges Leben zertrümmern und die Klatsche kassieren, um dem "was wäre wenn" seinen Konjunktiv zu nehmen? Ich fühle mich innerlich so zerrissen.

Eigentlich lebe ich nach der Maxime eine Situation, mit der ich unzufrieden bin, entweder zu akzeptieren, zu verändern oder sie zu verlassen und zwar genau in dieser Reihenfolge. Leider scheint die Herausforderung in diesem Fall einer Aporie zu gleichen.

Danke für's Lesen und vorab für eure Gedanken zu meiner Situation. :)
 
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Admina Hira Eth

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Ach, Schrödingers Katze… ich mag deinen Nick, auch deine Art zu schreiben. Und dennoch haben wir hier das Problem, dass du zwar eigeninitiativ im Partnerschaftsforum gelandet bist, es aber in deiner Geschichte nicht primär um die Aufarbeitung einer partnerschaftlichen Problematik geht - sie gerät hier ein wenig zur Randerscheinung - sondern um deine Kopf- und Herzblase dein Gedanken-OdB betreffend.

Schwierig. Denn du bist nicht nur nah an, sondern möglicherweise mitten in dem Dilemma, bei dem wir hier im Forum grundsätzlich vor allem im Interesse der/des SE selbst die Segel streichen: dem Herumflanieren (wenn auch aktuell lediglich im Geiste) um einen potentiellen Möchtegern-/Vielleicht-AM. :S

Du hast doch schon erkannt, was Sache ist:
während ich X vermutlich vielmehr als glorifiziertes Gedankenspiel liebe
Genau das ist der Punkt. Er steht auf deiner Bucketlist, das Spiel mit dem Feuer ist nie so weit gediegen, dass du dich verbrannt und dadurch erschreckt den schwarzen Brandfleck lindernd anpustend etwas leidend und ein bisschen von der schmerzhaften Realität enttäuscht zurückgezogen hast. Das Feuer lockt noch, weil du sicher im Löschbecken hockst und nur deine idealisierende Phantasie da ist, die dir suggeriert, wie wunderbar flackernd, heiß, lockend und schön dieses Feuer ist, die Gefährlichkeit ausblendend dabei.

Kurzum:
Eigentlich lebe ich nach der Maxime eine Situation, mit der ich unzufrieden bin, entweder zu akzeptieren, zu verändern oder sie zu verlassen und zwar genau in dieser Reihenfolge.
Ich glaube nicht, dass du unzufrieden bist. Du bist (OdB betreffend) unerfüllt. Und über die Jahre ist deine Vorstellung dir in Sphären davongaloppiert, die dir weder ein love it, ein change it oder ein leave it ermöglichen. Du hast dich selbst gefangengenommen in deinem Gedankenspiel.
Muss ich für den Rest meines Lebens zwei Männer lieben?
Musst du natürlich nicht. Aber du willst. Dir gefällt dieses glorifizierende Unerfülltheit; sie ist Verlockung, Verheißung, Unbekannte - Faszination des Feuers halt, solange man weit genug wegsteht. Und wenn du das erkennst, bist du eventuell einen Schritt weiter.

Schrödingers Katze, wir müssten deinen Strang hier eigentlich wieder schließen, denn wir beraten nicht in Affären hinein, was auch dann der Fall sein kann, wenn SE fragt, wie man gedanklich davon ablassen kann.

Puh. Mal sehen.
 
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Danke Admina Hira Eth für deinen Beitrag, ich habe mich sehr darüber gefreut.

Das für mich Wichtigste möchte ich aber direkt vorweg klarstellen: Ich werde niemals eine Affäre beginnen, da würde ich meinen Mann eher verlassen. Dafür bin ich im Bezug auf meine Wertvorstellungen zu integre. Wir können vielleicht nicht wollen, was wir wollen, aber wir können zum Glück immer noch tun, was wir wollen (und daher auch lassen, was wir wollen). ;)

Eine offene Beziehung könnte ich mir schon eher vorstellen, aber diese Variante ist für meinen Mann völlig ausgeschlossen und daher auch für mich keine Option.

Ich bin über Wolfgangs Internetpräsenz und sein Beratungsangebot zu Beziehungsproblemen und Lebenskrisen auf dieses Forum gestoßen und mir gefiel beim Querlesen der wertschätzende, aber dennoch klare und ehrliche Umgangston hier, ganz ohne erhobenen Zeigefinger. Irgendwo im luftleeren Raum zwischen Beziehungsproblem und Lebenskrise befinde ich mich ja, so unpassend ist es dann hoffentlich doch nicht.

Mein Mann und ich hatten nach der Geburt unserer beiden Kinder auch ziemlich wuchtige Beziehungskrisen zu bewältigen. Wir bekommen langsam wieder Aufwind, auch dabei hat mir diese Seite hier sehr geholfen. Ich habe unsere Dynamik ergründetund und mein Verhalten angepasst. Es trug sofort Früchte. Vielleicht schreibe ich zu unseren Themen auch mal ausführlicher, aber die sind teilweise schon sehr speziell und damit steigt dann deutlich das Wiedererkennungspotential.

Im wahren Leben möchte ich mit niemandem über meine Gedanken sprechen. Die Thematik ist mir unangenehm. Dennoch suche ich dringend Inspiration, um meinen gedanklichen Autopilot vielleicht doch noch etwas im Kurs zu beeinflussen.

Ich hoffe sehr, dass ihr meinen Strang nicht schließen werdet. Die Wahl des passenden Unterforums ließ mich tatsächlich zögern. Ich wollte den Fokus aber auf meine Partnerschaft legen, weshalb ich mich für ebendiese Kategorie entschied. Möglicherweise wäre "Themen rund um die Liebe" passender gewesen.

Genau das ist der Punkt. Er steht auf deiner Bucketlist, das Spiel mit dem Feuer ist nie so weit gediegen, dass du dich verbrannt und dadurch erschreckt den schwarzen Brandfleck lindernd anpustend etwas leidend und ein bisschen von der schmerzhaften Realität enttäuscht zurückgezogen hast. Das Feuer lockt noch, weil du sicher im Löschbecken hockst und nur deine idealisierende Phantasie da ist, die dir suggeriert, wie wunderbar flackernd, heiß, lockend und schön dieses Feuer ist, die Gefährlichkeit ausblendend dabei.
Sehr schön formuliert, vielen Dank dafür. Darüber möchte ich nachdenken.
Musst du natürlich nicht. Aber du willst. Dir gefällt dieses glorifizierende Unerfülltheit; sie ist Verlockung, Verheißung, Unbekannte - Faszination des Feuers halt, solange man weit genug wegsteht. Und wenn du das erkennst, bist du eventuell einen Schritt weiter.
Ist das so? Hätte ich einen Knopf, der meine Gefühle für X löschen könnte, würde ich ihn drücken? Spontan hätte ich sofort bejaht, aber nun habe ich mir diesen Knopf mal bildlich direkt vor mir vorgestellt und mich beim Zögern erwischt.

Aber wie kann man aufhören etwas zu wollen? Diese Frage untreibt mich seit Jahren.
 

Admina Hira Eth

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Aber wie kann man aufhören etwas zu wollen? Diese Frage untreibt mich seit Jahren.
Es ist ja auch eine sehr spannende Frage. :)

Graben wir doch mal ein wenig:

Ich glaube, dass du die Idee von euch nicht wirklich loslassen möchtest. Die Frage "warum nicht?" wäre eine, die es sich lohnen könnte, zu stellen und sich die Antworten darauf näher anzusehen.
Eventuell hast du dich verbissen und magst das, in das du dich verbissen hast, nicht freigeben. Eventuell hast du Angst, die Kiefer zu öffnen und freizugeben, weil du nicht weißt, was dann passiert.

Eventuell hast du dich so sehr an den Gedanken gewöhnt, dass du dich ohne ihn seltsam, etwas leerer, verloren fühlst; so, als hättest du einen guten Freund verloren, etwas/jemanden, das/den du magst.

Eventuell bist du derart bemüht, NICHT an OdB denken zu wollen, dass du dich dadurch selbst unterläufst; damit hältst du den Gedanken nämlich fest. Und damit hast du (d)ein Problem:
Gefühle entstehen eben auch durch Gedanken.
Deine Lösung läge in dem Fall darin, deine Gefühle dadurch zu beeinflussen, dass du anders denkst. Versuch also, anders zu denken als bisher.

Um loszulassen müsstest du dir zudem glauben, dass du das auch tatsächlich willst und dich nicht ständig selbst hinterfragen oder unterlaufen. Du brauchst ein ehrliches "Ich bin bereit, loszulassen"; und damit beginnst du den Prozess dann.

Auch ansehen solltest du dir, ob du tatsächlich den Menschen liebst oder nur die Idee von euch, dem was sein könnte, dem was nie war - allesamt Ideen, die zu einer Idealisierung führen, weil sich in Positives weggedacht wird und Negatives nicht in ihnen aufgegriffen wird, weil man sich das in dieser idealisierten Fassung des Anderen schlicht nicht vorstellen „kann“ (könnte auch hier ein 'es nicht will' sein, daher die Gänsefüßchen).
Das ist schwer zu unterscheiden, denn für dich fühlt es sich erstmal gleich an; dieses Sehnen, die kreisenden Gedanken, die Vorstellungen; Dinge, die ja selbstverständlich oberflächlich auf OdB gerichtet sind, weil er sozusagen der Platzhalter ist, die aber tatsächlich etwas ganz anderes, dahinter liegendes meinen können.

Bezogen auf deinen Strangtitel: du 'musst' nicht zwei Menschen lieben, wenn du es denn tust, siehe oben und siehe deine eigene Einlassung dazu, die ja schon in eine gewisse/die richtige Richtung ging:
Meinen Mann liebe ich als echte Person. Es ist eine tiefe, auf Vertrauen und Zusammenhalt basierende Liebe, während ich X vermutlich vielmehr als glorifiziertes Gedankenspiel liebe.
Niemand kann dich dazu zwingen, nichtmal du selbst. Vielleicht hast du dir bei deinen Ablassversuchen einfach nicht die richtigen Fragen gestellt. Oder bist nicht tief genug gegangen, weil dein nicht Loslassenwollen dich insoweit blockiert und das Ablassen sabotiert hat.
Komm dir selbst auf die Schliche erstmal, dann kommst du dir auch bei.

Aber Achtung: das mit dem Durchdenken und Dahinterschauen ist ein schmaler Grat; es ist eine intensive Beschäftigung mit OdB und wenn du nicht aufpasst und dich immer wieder selbst am Kragen rausziehst, dann drehst du dich unter Umständen so nochmal völlig rein.
Wenn du daher deine Überlegungen tiefer wandern lässt, versuchst, die Blockadeschichten zu durchbrechen, dann mach das vorsichtig; eventuell hilft das Bild des Transports von sehr dünnem Glas oder rohen Eiern oder eben einer Gratwanderung. Du wirst bei dir bleiben und ehrlich zu dir sein müssen, wenn du auf Emotion, Motivation, Intention schaust und dabei mit und in dir selbst immer tiefer gräbst.

Das ist sauschwer, aber irgendwie habe ich bei dir den Eindruck, dass du das schaffen kannst, wenn du es schaffen willst.
 
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Ich glaube, dass du die Idee von euch nicht wirklich loslassen möchtest. Die Frage "warum nicht?" wäre eine, die es sich lohnen könnte, zu stellen und sich die Antworten darauf näher anzusehen.
Die Frage, warum ich nicht loslassen kann, habe ich mir oft gestellt, die, warum ich es nicht möchte allerdings noch nie.

Die erste Assoziation, die der Gedanke an ihn in mir erzeugt, ist jene, wie beflügelt ich mich damals gefühlt habe. Vielleicht ist er der Platzhalter für meine Jugend und die mit ihr verflochtene hedonistische Mentalität. Mein Mann und ich kamen zusammen als wir knapp 20 waren und zogen zügig aus unseren Elternhäusern aus und in eine gemeinsame Wohnung. Ich habe nie alleine gelebt, war nie völlig selbstbestimmt. Ich konnte nie nachsehen, ob bei Nacht wirklich alle Katzen grau und der Rasen des Nachbarn nicht doch grüner ist. Im Nachhinein hätte ich mir ein paar Jahre mehr Zeit gewünscht, um mich persönlich zu entwickeln und mir eventuell auch den ein oder anderen Brandfleck zuzuziehen.

Ob dieser Erklärungsansatz Hand und Fuß hat oder nur eine euphemistische Verbrämung meiner Unfähigkeit loszulassen ist? Wie finde ich das heraus und auf welche Weise würde die Erkenntnis die Problemlösung vorantreiben?

Eventuell bist du derart bemüht, NICHT an OdB denken zu wollen, dass du dich dadurch selbst unterläufst; damit hältst du den Gedanken nämlich fest. Und damit hast du (d)ein Problem:
Gefühle entstehen eben auch durch Gedanken.
Das ist zweifelsohne korrekt.

Deine Lösung läge in dem Fall darin, deine Gefühle dadurch zu beeinflussen, dass du anders denkst. Versuch also, anders zu denken als bisher.
Ein interessanter Ansatz. Wie muss ich mir das konkret vorstellen? Ich versuche durchaus häufiger aufkeimende Gedanken und Gefühle durch Achtsamkeit und Dankbarkeit für den gegenwärtigen Augenblick zu ersetzen und somit wieder die aktuelle Situation ein Gefühl in mir auslösen zu lassen statt dies meinem Gedankenspiel mit X zu überlassen. Ich richte dann beispielsweise meine Aufmerksamkeit aktiv auf meinen Mann, der aufopfernd mit unseren Kindern spielt und vergesse dadurch meinen Gedanken und das durch ihn entstandene Gefühl kurzfristig. Eigentlich könnte man es auch banal als Ablenkung beschreiben. Auf diese Weise wertschätze und genieße ich zumindest regelmäßig die Realität.

Du meinst aber vermutlich eher, dass ich meine automatisierten, nostalgisch verklärten Gedankengänge durch pragmatischere ersetzen soll und durch kontinuierliche Wiederholung der stete Tropfen den Stein höhlen wird. Könntest du mir da ein situationsbezogenes Beispiel geben?

Auch ansehen solltest du dir, ob du tatsächlich den Menschen liebst oder nur die Idee von euch, dem was sein könnte, dem was nie war - allesamt Ideen, die zu einer Idealisierung führen, weil sich in Positives weggedacht wird und Negatives nicht in ihnen aufgegriffen wird, weil man sich das in dieser idealisierten Fassung des Anderen schlicht nicht vorstellen „kann“ (könnte auch hier ein 'es nicht will' sein, daher die Gänsefüßchen).
Ich weiß es nicht. Habe ich die Antwort aus meinem Bewusstsein verdrängt? Leider kann ich über Unbewusstes naturgemäß keine Auskunft geben.

Eins weiß ich aber: Wäre ich nicht vergeben, würde ich es unter Garantie darauf anlegen, mit ihm zusammenzukommen, da bin ich sicher. Komplett unter dem Motto "Steig auf dein Denkmal zurück" ist mein Empfinden also wohl nicht zu verbuchen. Ob ich dann relativ schnell entzaubert wäre, bleibt wohl eine große Unbekannte, deren Gleichung ich nicht lösen werde, da der Preis zu hoch wäre.

Niemand kann dich dazu zwingen, nichtmal du selbst. Vielleicht hast du dir bei deinen Ablassversuchen einfach nicht die richtigen Fragen gestellt. Oder bist nicht tief genug gegangen, weil dein nicht Loslassenwollen dich insoweit blockiert und das Ablassen sabotiert hat.
Komm dir selbst auf die Schliche erstmal, dann kommst du dir auch bei.
Ich habe ausführlich über deine Impulse nachgedacht und ein Gedanke kam dabei in mir hoch, für den ich mich schon fast schäme. Er ist das einzige Ziel, das ich in meinem bisherigen Leben nicht erreicht habe und das nagt an meinem Ego. Das klingt jetzt hart, weil er ein Mensch und keine Kilometermarke auf einem Wohltätigkeitsmarsch ist, aber die Vorstellung, dass er mich liebt und mit mir zusammen sein will, lässt in mir, wenn ich es gnadenlos ehrlich benenne, schon fast ein Gefühl der Genugtuung aufkeimen. Mir ist bewusst, dass dies klingt wie eine abgefeimte Ranküne, aber das wäre zu stark heruntergebrochen.

Ich mag ihn schon wirklich und habe seine Gegenwart (zumindest früher) immer als bereichernd empfunden. Er ist intelligent und eloquent und ich freue mich immer, wenn jemand mich mit einer geschickten rhetorischen Figur zum Nachdenken zwingt.

Das gelingt übrigens auch dir Hira, das schätze ich. :smile:
 
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Admina Hira Eth

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Ich versuche durchaus häufiger aufkeimende Gedanken und Gefühle durch Achtsamkeit und Dankbarkeit für den gegenwärtigen Augenblick zu ersetzen und somit wieder die aktuelle Situation ein Gefühl in mir auslösen zu lassen statt dies meinem Gedankenspiel mit X zu überlassen. Ich richte dann beispielsweise meine Aufmerksamkeit aktiv auf meinen Mann, der aufopfernd mit unseren Kindern spielt und vergesse dadurch meinen Gedanken und das durch ihn entstandene Gefühl kurzfristig. Eigentlich könnte man es auch banal als Ablenkung beschreiben.
"Den Fokus verschieben" nennen wir das hier. Das heißt, die Aufmerksamkeit bewusst auf etwas anderes zu richten. Und dann im Moment zu sein. Ist ein guter Ansatz; behalt das bei.

Wie muss ich mir das konkret vorstellen?
Sobald du an X denkst, stopp dem Gedanken aktiv und ruf dir mantramäßig in Erinnerung, dass du jetzt damit beginnen willst, loszulassen. Das ist eine Umwidmung, bzw. Umkehrung: Gefühl wird zu Ratio, weil du weißt, dass Ratio (der Kopf) das Gefühl macht. Lass die Gedanken daher nicht ins Luftschloss aufsteigen, lass ihnen ihren Lauf nicht, begrenze sehr bewusst und sehr harsch/aktiv ("Stopp!").

Das Problem, das ich nach wie vor bei dir sehe, ist aber, dass du’s nicht willst. Ich schrieb schon von der Bucketlist und im Grunde bestätigst du das hier:
Er ist das einzige Ziel, das ich in meinem bisherigen Leben nicht erreicht habe und das nagt an meinem Ego. Das klingt jetzt hart, weil er ein Mensch und keine Kilometermarke auf einem Wohltätigkeitsmarsch ist, aber die Vorstellung, dass er mich liebt und mit mir zusammen sein will, lässt in mir, wenn ich es gnadenlos ehrlich benenne, schon fast ein Gefühl der Genugtuung aufkeimen.
…wobei ich nicht finde, dass du dich dafür schämen müsstest (auch nicht fast) und dass es X zu etwas macht, das er nicht ist; er IST ja ein OdB für dich. Gründe erstmal egal an der Stelle.

Die Gedankenspiele begleiten dich auch bereits eine Weile, sie sind ja nicht wirklich unangenehm für dich und dir zu einer netten kleinen Prickelflucht aus dem Alltag geworden; eine Art Wanderurlaub für den Kopf und, da die Gefühle dem nachfolgen, auch für alles andere.
Der Hebel wäre da anzusetzen, entlarv das. Erkenne es als das, was es ist.

Nochmal: ich glaube nicht, dass du 'ihn' liebst. Du liebst allenfalls 'das'. Verrationalisiere diese Erkenntnis.

Du kannst dir auch die Frage stellen, was du verlierst, wenn du nicht loslässt. Demgegenüber stellst du die Frage, was du gewinnst, tust du’s nicht.
Pro/Contra —> Abwägung. Auch wieder Ratio.

Ich bin auch nach wie vor dabei, dass es für dich Gewöhnung geworden ist und die Gedankenspiele ein stückweit Lebensroutine, wie ein Freund für dich geworden sind. Du wirst dich daher möglicherweise schlecht damit fühlen, loszulassen, weil du vermeintlich anders fühlst und glaubst, dass es 'ohne' nicht geht. Es entsteht eine Lücke; es fällt etwas ja doch in der Konsequenz Liebgewonnenes weg.

Eventuell entzieht dir das auch Struktur und ein wenig auch einen gewissen Lebenssinn; du holst durch dieses Hervorholen eines Alternativlebens ja offenbar nach, was du versäumt, nicht erlebt hast und 'erträumst' dir so vermeintlich Verpasstes, packst dir dein Nichterlebtes ins jetzige Leben.

Füll die dann entstehende Lücke. Sukzessive. Mit Dingen, die dich (statt dessen) ausfüllen und dir das Gefühl nehmen, es fehle dir etwas. Diese Unausgefülltheit einen vermeintlich verpassten Entwicklungsschritt betreffend kannst du nicht komplett verschwinden lassen; die kannst du mMn nur substituieren. Eventuell hilft dir bezogen auf den bleibenden Spalt Akzeptanz weiter und der Gedanke, dass das damals eine Entscheidung gewesen ist, die du getroffen hast. Es gab eine Wahl. Und du hast deinen Weg gewählt, er ist dir nicht widerfahren. Die Wahl hast du spätestens mit jedem Schritt getroffen, den du diesen Weg weitergegangen bist.

Kannst du das nicht, kannst du die Lücke nicht füllen, nimm sie wahr und stell fest, dass sie jetzt eben da ist. Das darf sie. Und du darfst das betrauern und Abschied nehmen. Bleib aber bei Abschied.

Kannst du all das, was da nun oben von mir als eine mögliche Lösung für dein Verstrickungsproblem (eher Entstrickungsproblem) dargestellt ist, wiederum nicht, gelingt es dir nicht, weil sich alles in dir dagegen stemmt, du dir die bewusste Entscheidung ("Ich bin bereit, loszulassen!") nicht abkaufst und es sich dauerhaft wie ein Verbot für dich anfühlt, bliebe alternativ dazu noch der Weg, dir den Gedankenurlaub hin und wieder zu gönnen, dir dabei aber sehr bewusst zu sein, dass es genau das ist: ein Urlaub; nicht mehr, nicht weniger. Ein Film mit dir in einer der Hauptrollen, der aber Film bleibt und nicht Wirklichkeit wird. Und es auch gar nicht soll.

Verbiete es dir also nicht, sondern lass es bewusst zu.

Wenn du dich nicht schlecht dabei fühlst, sondern sozusagen mit dem Strom schwimmst, geht es dir eventuell besser. Gleichzeitig drehst du dich nicht dadurch noch mehr rein, dass du es dir verbieten willst, weil es nicht 'gut' ist, nicht zu deinen Werten passt, was dazu führen kann, dass der Gedanke genau DA hinwill, in die verbotene Zone.

Mit etwas Glück verlierst du so das Interesse, weil du die Option zulässt, dir nichts abschneidest; es kann dann der Reiz nachlassen und es kann langweilig, reizlos werden.

Ich habe mir auf die Art vor Jahren das Rauchen abgewöhnt. Auf jedes innere "Ja, mach doch!" folgte immer mehr ein rationales "Hm, will ich denn wirklich? Oder 'muss‘ ich?". Irgendwann wollte ich schlicht nicht mehr und hab’s gelassen. Für mich war lediglich wichtig, die Option zu haben. Habe ich die, ist es leichter für mich, ihr nicht nachzugehen.
 

Schmetterling21

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Hallo SchrödingersKatze (:lach:),

auch von mir ein Willkommen im Forum :smile:.

Irgendwie hat mich deine Geschichte berührt. Unsere Forumsgeschichten sind zwar vom Hintergrund her völlig unterschiedlich, aber dennoch fühlt es sich für mich so an, als wären wir emotional beim Thema Loslassen an einem ähnlichen Punkt. Ich habe im letzten Sommer eine Affäre zu einem Mann beendet, den ich sehr geliebt habe. Seitdem habe ich viel an mir gearbeitet, unheimlich viel unternommen und ich würde auch sagen, es geht mir sehr gut. Aber es ist trotzdem irgendwie so, dass ich es es mir nicht gelingt, dieses letzte kleine innere Schatzkästchen in meinem Inneren loszulassen. Es ist wie als hätte ich einen inneren Gollum, der seinen "Schatz" mit all seinem "Charme" verteidigt. Und so wie du schreibst könnte ich mir vorstellen, dass du vielleicht auch diesen inneren Gollum haben könntest.

Da mein Gollum seinen Schatz noch recht eifrig verteidigt, kann ich dir also kein Patentrezept liefern, wie du deinen auf jeden Fall loswerden kannst. Mir ist jedoch etwas aufgefallen, du schreibst:

Er ist das einzige Ziel, das ich in meinem bisherigen Leben nicht erreicht habe

Du schreibst zwar (ich hoffe, ich habe nichts übersehen) nicht konkret wie alt du bist, aber anhand deiner Angaben zur Länge der Beziehung und deinem Kennenlernen mit EM gehe ich davon aus, du bist Mitte / Ende 30? Aber selbst wenn du älter bist, dann klingt das ein wenig - verzeih mir bitte - langweilig. Vielleicht hast du das nicht so gemeint wie ich das verstehe, aber es wirkt auf mich eher wie eine Aussage, die man gegen Ende seines Lebens tätigt. Vielleicht wäre es eine Möglichkeit, dass dir dein Leben insgesamt etwas zu unaufgeregt und alltäglich ist? Wenn man vermeintlich "alles" hat, gleichzeitig aber auch das Gefühl hat, dass man durch die frühe Beziehung etwas verpasst hat, kann ich mir gut vorstellen, dass deine Gefühle für deine Jugendliebe eine Art innere Rebellion gegen ein mögliches (so detailliert beschreibst du das ja nicht) Bilderbuchleben ist.

Hast du denn Dinge, die dich herausfordern? Damit meine ich jetzt nicht zwei kleine Kinder, sondern etwas, das dich innerlich anspricht. Ich probiere beispielweise gerade viele neue Dinge aus, ich bin alleine verreist, trainiere für eine höhere Gürtelprüfung, habe mich auf eine neue Stelle und parallel auf eine Fortbildung beworben.. Um eben aus diesem Trott zu kommen, in dem man sein Leben mit einem kleinen Teil seiner eigentlich möglichen Ressourcen regelt. Ich könnte mir jedenfalls vorstellen, dass deine Verliebtheit eine Art Symptom Fluchtreflex ist, und dass es wie Hira auch schon schrieb eigentlich garnicht wirklich um eine tatsächliche Liebe zu diesem Mann geht.

Viele Grüße
:butterfly:
 
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Sobald du an X denkst, stopp dem Gedanken aktiv und ruf dir mantramäßig in Erinnerung, dass du jetzt damit beginnen willst, loszulassen. Das ist eine Umwidmung, bzw. Umkehrung: Gefühl wird zu Ratio, weil du weißt, dass Ratio (der Kopf) das Gefühl macht. Lass die Gedanken daher nicht ins Luftschloss aufsteigen, lass ihnen ihren Lauf nicht, begrenze sehr bewusst und sehr harsch/aktiv ("Stopp!").
Klingt nach einer positiven Form von Gehirnwäsche mit mir als Versuchsleiter und Proband in Personalunion. :grins: Das werde ich definitiv versuchen. Wann sollte diese Strategie Früchte tragen? Wird dies dazu führen, dass ich seltener an X denke oder werden die Gedanken dadurch neutraler? Vermutlich tritt zunächst das Zweitgenannte ein und dann folgt Punkt eins, richtig?
Das Problem, das ich nach wie vor bei dir sehe, ist aber, dass du’s nicht willst.
Ich schaffe es aber auch mich zum Sport aufzuraffen, wenn ich eigentlich gerne auf dem Sofa liegen möchte. ;)

Die Gedankenspiele begleiten dich auch bereits eine Weile, sie sind ja nicht wirklich unangenehm für dich und dir zu einer netten kleinen Prickelflucht aus dem Alltag geworden; eine Art Wanderurlaub für den Kopf und, da die Gefühle dem nachfolgen, auch für alles andere.
Der Hebel wäre da anzusetzen, entlarv das. Erkenne es als das, was es ist.
Prickelflucht und Wanderurlaub haben mich Schmunzeln lassen. Sehr treffend versinnbildlicht. Allerdings ist dieser Wanderurlaub aufgrund des zwei Nummern zu kleinen Schuhwerks ziemlich schmerzhaft.

Du kannst dir auch die Frage stellen, was du verlierst, wenn du nicht loslässt. Demgegenüber stellst du die Frage, was du gewinnst, tust du’s nicht.
Pro/Contra —> Abwägung. Auch wieder Ratio.
Auch ein anregender Impuls. Ich denke darüber nach.

Eventuell entzieht dir das auch Struktur und ein wenig auch einen gewissen Lebenssinn; du holst durch dieses Hervorholen eines Alternativlebens ja offenbar nach, was du versäumt, nicht erlebt hast und 'erträumst' dir so vermeintlich Verpasstes, packst dir dein Nichterlebtes ins jetzige Leben.
Dieser Gedankengang ist für mich neu und irgendwie gefällt er mir. Die Erkenntnis, dass diese Tagträumerei für mich ein lebenssinnstiftendes Ausmaß angenommen hat, ist allerdings ernüchternd. Das klingt geradezu kläglich, wird dadurch aber nicht weniger wahr. In gewisser Weise setzt hier ja auch Schmetterlings Gedanke an.
Vielleicht wäre es eine Möglichkeit, dass dir dein Leben insgesamt etwas zu unaufgeregt und alltäglich ist? Wenn man vermeintlich "alles" hat, gleichzeitig aber auch das Gefühl hat, dass man durch die frühe Beziehung etwas verpasst hat, kann ich mir gut vorstellen, dass deine Gefühle für deine Jugendliebe eine Art innere Rebellion gegen ein mögliches (so detailliert beschreibst du das ja nicht) Bilderbuchleben ist.
Danke Schmetterling für deine Beitrag. Sei ruhig völlig unverblümt, damit kann ich gut umgehen. :) Ich bin Mitte 30 und die Aspekte Ehemann, Kinder und ein Beruf, den ich gerne mache, entsprechen vielleicht dem "Bilderbuch des Lebens", aber auch mein Leben ist nicht aus dem Ei gepellt. Gesundheit ist unter anderem ein großes Thema, das wie ein Damoklesschwert über meiner Familie hängt.

Die Aussage, dass ich in meinem bisherigen Leben bisher alles mir vorgenommene erreicht habe, sollte zum einen meine Macher-Mentalität offenbaren und zum anderen durch das Wörtchen "bisher" die Option offen lassen, dass sich dies, was ja durchaus wahrscheinlich ist, noch ändern wird.

Ja, mein Leben plätschert dahin. Ich habe Angst Fehler zu machen und nachher zu bereuen. Ich wäge jede Entscheidung vielfach ab, riskiere wenig. Wenn ich mir allerdings ein Ziel setze, verbeiße ich mich, bis ich es erreicht habe. Luftschlösser liegen mir überhaupt nicht. In mir ist der unbändige Drang tätig zu werden. Mein Mann lebt eher nach dem Motto "Nimm die Dinge wie sie kommen", während ich gerne dafür sorge, dass die Dinge so kommen, dass ich sie nehmen möchte. Das sorgte schon für viele Reibereien. Wenn ich etwas möchte, versetze ich dafür Berge.

Und in diesem Fall muss ich das Luftschloss als ein ebensolches akzeptieren. Dies verursacht in mir eine kognitive Dissonanz, die manchmal schwer auszuhalten ist.

Deine Frage, ob es in meinem Leben Herausforderungen gibt, hat mich zum Nachdenken gebracht. Außer berufliche, die durch die Elternzeit jetzt auch erstmal auf Eis lagen, gibt es aktuell wenig. Dort liegt erhebliches, unausgeschöpftes Potential. Das werde ich angehen.

So und nachdem ich ja hier im Unterforum für Partnerschaftsprobleme bin, möchte ich nun doch mal eine aktuelle Kostprobe servieren. Nachdem ich am Freitag von Aufwind nach einer Krisenzeit in der Beziehung zu meinem Mann schrieb, hat es heute gehörig gekracht. Jeder von uns hat den Eindruck die umfangreichere Arbeitslast zu tragen. Es eskalierte und er warf mir an den Kopf, er könne mich nicht mehr ertragen. Traurigerweise fiel das Wort Trennung seit der Geburt der Kinder schon deutlich mehr als einmal. Ich bin jetzt Mitte 30 und habe vielleicht noch 5-6 fruchtbare Jahre. Wenn wir uns trennen, wenn ich über 40 bin, habe ich die Chance auf ein Kind mit einem neuen Partner vertan.

Auch frage ich mich manchmal, wozu man sich diesem ganzen Stress einer Partnerschaft überhaupt aussetzt. Ich erwische mich immer häufiger bei dem Wunsch, gar keine Beziehung mehr zu führen. Nochmal mit einem Mann zusammenwohnen würde ich definitiv nicht. Innere Rebellion beschreibt meinen Zustand tatsächlich ziemlich treffend.
 
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Admina Hira Eth

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Klingt nach einer positiven Form von Gehirnwäsche mit mir als Versuchsleiter und Proband in Personalunion. :grins:
Sowas in der Art. Ist das nicht cool? Und hilft (im positiven Sinne) dabei, neben sich zu stehen. :grins:

"Umtraining" klingt vielleicht etwas milder. So gesehen passt dein Sportvergleich von oben.
Wird dies dazu führen, dass ich seltener an X denke oder werden die Gedanken dadurch neutraler? Vermutlich tritt zunächst das Zweitgenannte ein und dann folgt Punkt eins, richtig?
Es ist nichts weiter als ein ein Trainings-/Übungseffekt. Mit der Zeit sollte sich das Gefühl den Gedanken anpassen.

Was "mit der Zeit" ist...
Wann sollte diese Strategie Früchte tragen?
...ist individuell verschieden, denke ich, und hängt von der Grundkonstitution ab, wie beim Sport auch. Bei einigen muss erst Fett abgeschmolzen werden, damit Muskeln kommen können, bei anderen ist der Baustein schon da, bei wieder anderen wird das Muskelgedächtnis aktiviert und manche brechen schnaufend ab, weil sie das Gewicht nicht heben können. Die fallen dann vom Sportgerät (oder hier: vom Glauben ab).
Allerdings ist dieser Wanderurlaub aufgrund des zwei Nummern zu kleinen Schuhwerks ziemlich schmerzhaft.
Es könnte auch sein, dass die Strecke dich überfordert. Wenn du nur das Schuhbeispiel siehst, dann wäre die nächste Überlegung nämlich eine recht zentrierte: sie ginge in Richtung Schuhwerk, weil das als Wurzel des Übels erkannt worden ist. Warum? Weil es am nächsten am Schmerz dran ist und alles andere überdeckt. Der Impuls wäre ja eher nicht: "Okay, ich schaue, wie ich meine Füße abhärten kann" oder "Puh, gebe ich eben die Wanderung auf!", sondern: "Ich brauche neue, passendere Schuhe!" oder "Weißte was? Ich zieh die Mistdinger einfach aus!". Muss nicht verkehrt sein, finde ich aber sehr einseitig da, wo "ziemlich schmerzhaft" von mehreren Seiten betrachtet werden sollte.
Die Erkenntnis, dass diese Tagträumerei für mich ein lebenssinnstiftendes Ausmaß angenommen hat, ist allerdings ernüchternd. Das klingt geradezu kläglich
Findest du? Möglicherweise ist die Wahl des Mittels, vermeintlich Versäumtes nachzuholen, hier ein wenig unglücklich. Aber das eigene Leben komplett(er) zu machen, dort, wo man eine Lücke wahrnimmt, ist weder kläglich, noch verkehrt. Es wäre halt gut, würdest du das Mittel überdenken, insbesondere seine Geeignetheit zur Erreichung des eigentlichen Zwecks (der Zweck heiligt nämlich eben NICHT immer die Mittel). Oder eben erkennen, für was es steht.
So und nachdem ich ja hier im Unterforum für Partnerschaftsprobleme bin, möchte ich nun doch mal eine aktuelle Kostprobe servieren.
Ich werde dir hier gleich mal den Begrüßungstext für´s Partnerschaftsforum setzen. Ich weiß nicht, ob du die in unseren Texten angepinnten Texte schon gelesen hast? Falls nicht: lies da mal. Denn es gibt dir Hintergrundwissen, das du hierfür:
Es eskalierte und er warf mir an den Kopf, er könne mich nicht mehr ertragen. Traurigerweise fiel das Wort Trennung seit der Geburt der Kinder schon deutlich mehr als einmal.
...ggf. brauchen kannst.
Ich bin jetzt Mitte 30 und habe vielleicht noch 5-6 fruchtbare Jahre. Wenn wir uns trennen, wenn ich über 40 bin, habe ich die Chance auf ein Kind mit einem neuen Partner vertan.
Ich finde den Gedankengang sehr krass. Denn für mich impliziert es, gut, vielleicht suggeriert es auch nur, dass du die Phase der mit deinem Mann begangenen seriellen Monogamie für dich gedanklich bereits verlassen hast. Du stellst in diesem einzigen kleinen Satz nicht die Frage, ob ihr euch trennen werdet, du stellst es vor allem nicht in Frage, sondern du schreibst: "Wenn wir uns trennen, wenn ich über 40 bin". Siehst du, was ich meine? Da fehlt die Fragestellung bezogen auf den ersten Teil. Was folgt, ist eine zeitliche Komponente; es liest sich für mich danach wie ein "wann" statt eines "ob".

Wie sind deine Ideen/Gedanken/Emotionen bezogen auf ein weiteres Kind mit deinem jetzigen Partner?

Das hier:
Auch frage ich mich manchmal, wozu man sich diesem ganzen Stress einer Partnerschaft überhaupt aussetzt. Ich erwische mich immer häufiger bei dem Wunsch, gar keine Beziehung mehr zu führen.
...kann ich total gut nachvollziehen. Den (hm) Wunsch... wohl eher den Gedanken hatte ich auch schon oft. Es ist eine Ambivalenz da, die hin und herrennen lässt zwischen "Ich kann ganz hervorragend mit mir alleine sein und BIN es auch gern!" und "Aber da war doch noch was...!? Wäre ja auch ganz schön!". Da es ja selten nur zwei Möglichkeiten gibt im Leben, läge die ideale Lösung wohl irgendwo auf der Mitte. Entweder, bis man weiß, welcher Seite man zugeneigter ist oder, bis man für sich feststellt, dass es sich auf der Mitte prima leben lässt.


Begrüßungstext folgt.
 

Admina Hira Eth

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Hallo Schrödingers Katze,

diesen Begrüßungstext schreiben wir allen neuen Mitgliedern.

Herzlich willkommen im Beziehungskummer Forum.

Um einen möglichst reibungslosen Start für dich zu gewährleisten, verschaffe dir bitte zuerst eine Orientierung und lies dich in grundsätzliche Texte von Wolfgang, dem Forenbetreiber, ein, auf dessen Gedanken und Erkenntnissen die Beratung hier im Forum basiert: Dazu gehört der Mann-Frau-Konflikt, der Text über die Kristallisation und alle anderen Texte auf Wolfgangs Startseite. Als Starthilfe für dich als Neuling, dient dieser Link.

Es ist einerseits verständlich, wenn du dich in deinem Kummer intensiv mit deiner Liebesgeschichte beschäftigst. Jedoch löst diese intensive und oft sorgenvolle Beschäftigung mit deinem OdB (= Objekt der Begierde) dein Problem nicht automatisch. Deshalb ist es sehr wichtig, dass du dich darüber hinaus ablenkst und unbedingt zu einem großen Teil den Fokus auf dein Wohlgefühl (unabhängig von deiner Liebesgeschichte) richtest. Hierzu eignet sich folgender Strang:
"Aktives 'Warten' - die Positivspirale".

Beachte bitte zudem: Ein Forum ist kein Selbstbedienungsladen sondern eine Selbsthilfegruppe. Wenn Du ausreichend Feedback von den anderen willst, musst Du Dich auch in anderen Strängen an der Diskussion beteiligen.

Kommunikation zwischen dir und deinem Partner stelle bitte in Fettschrift ein; deine Berater können sich so schneller orientieren und somit effektiver bei einem Antworttext helfen.

Partnerschaften sind vielfältig. Es gibt Paare, Familien, gleichgeschlechtliche Beziehungen, offene Beziehungen. Eines haben alle am Anfang gemeinsam: die Liebe.
Aber auch in Partnerschaften kann es zu Missverständnissen und Konflikten kommen. Das aus unterschiedlichsten Gründen... in einem langen, gemeinsamen Alltag hat man sich festgefahren, kann nicht mehr zusammen kommunizieren oder fühlt sich nicht mehr geliebt, kann sich nicht mehr als (Liebes)Paar sehen.
Hier bekommst du Tipps und Ratschläge, wie du wieder zurück in ein unbeschwertes Miteinander finden kannst.

Bitte achte darauf, dass du die Kommunikation deines Partners stehen lässt und nicht sofort editierst - denn dann hätte keiner was davon: Weder deine Berater im Strang können sich schnell orientieren, noch haben Mitleser die Gelegenheit, etwas zu lernen.

Und noch was: Bitte lege Dir einen Avatar zu, so dass du ein "Gesicht" für uns bekommst.

Für Deine Geschichte wünschen wir Dir viel Glück!
Hira aus dem Team.

P.S.: Wolfgangs E-Book ist bei Partnerschaftsproblemen eine große Wissensbereicherung. Auch wenn es noch nicht zu einer Trennung gekommen ist, ist es für Paare wichtig, die Dynamiken zu verstehen, wenn es kriselt.
 

Alvaro

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Hallo Schrödingers Katze,

anknüpfend an die "Kostprobe" eurer Ehekonflikte, die du im letzten Post serviert hast, möchte ich eine Frage ins Spiel bringen:
Wie viel weiß dein EM von deinen Projektionen X betreffend? Und was glaubst du, wie viel dein EM von deinen Projektionen X betreffend spürt?
Die Frage kommt nicht von ungefähr.
Wenn diese Projektionen, wie du ja schreibst, ein nicht unwichtiger Teil deines gedanklichen und emotionalen Lebens sind (und immerhin hast du dich hier angemeldet), dann werden sie spürbar sein. Einerseits, weil du eine Mauer um diesen Teil deiner emotionalen Wirklichkeitskonstruktion gezogen hast (zu deinem Schutz und zum Schutz deiner Familie und deiner Ehe) und diese Mauer aber für dir im Alltag eng verbundene Menschen spürbar, wenn auch nicht erklärbar sein wird. Andererseits, weil diese Mauer ja auch für dich spürbarer Teil deiner Wirklichkeitskonstruktion ist - und für dich sogar rational erfassbar.

Ich kann dir aus professioneller und vor allem aus eigener persönlicher Erfahrung sagen, wie massiv ein solches Kopfkino in reale Beziehungen eingreifen kann. Denn es macht genau das, was im quantentheoretischen Bereich mit "Schrödingers Katze" passiert - es erzeugt eine Unschärfe, die wir rational kaum erfassen können. Von einer emotionalen Erfassung will ich erst gar nicht anfangen.
Als Partner kämpfst du da nicht nur gegen Windmühlen sondern gegen unsichtbare Windmühlen.

Ich werde da jetzt mal kurz privat, obwohl ich mir vollkommen darüber im Klaren bin, dass deine Situation eine andere ist. Meine EF hat sich über mehr als ein Jahr in "Was-wäre-wenn-Projektionen" mit einem anderen Mann hineingesteigert und danach auch tatsächlich eine Affäre mit ihm begonnen, die dann wieder über ein Jahr ging. Ich habe in dieser Zeit des Kopfkinos immer wieder versucht, mit ihr darüber zu reden, wie belastend diese Projektionen für mich sind (ich kannte das Motiv des Bildes aber nicht dessen ganze Farbpalette) - sie hat es nicht verstanden. Weil sie meinte, das seien ja "nur" Gedankenspiele. Nun, in ihrem Fall hat die faktische Entwicklung sie eines besseren belehrt. Wir sind aus dieser Krise mit viel gemeinsamem Kampfgeist und ganz viel Liebe auch wieder herausgekommen - aber wenn ich heute daran zurückdenke, ist die Zeit des reinen Kopfkinos (also die Zeit vor der "echten" Affäre) fast meine hilfloseste Zeit gewesen. Denn ich wusste damals nicht, gegen was ich da antrete, ja, ich habe mir sogar selbst Vorwürfe gemacht, dass ich die Situation selbst zum Eskalieren bringen könnte, bzw. selbst zum Eskalieren gebracht habe. Das war eine sehr, sehr schmerzhafte Erfahrung, die meine EF in ihrem ganzen Umfang bis heute nicht begreifen kann - es war ja "noch nichts passiert". Aber es war Teil des Lebens. Ihres Lebens und damit auch unseres Lebens. Selbst unsere Tochter hat diese Zeit als beängstigend erlebt - doppelt beängstigend, weil für sie als Kind gänzlich unbegreiflich.

Und wenn ein Paar ein solch unscharfes Problem zwischen sich hat, dann führt das oft zu Stellvertreterkonflikten. Dann sucht man sich die Themen, an denen man den Streit emotional austragen kann, weil es "konkrete" Themen sind. Und die Wucht, die solche Streits haben können, sind der Themenproblematik, die offiziell verhandelt wird, dann auch vollkommen unangemessen.
Auf solche Stellvertreterkonflikte triffst du auch in fast jeder Paarberatung. Dann wird mühsam auseinandergedröselt, wo der Konflikt "eigentlich" hingehört.

Und all das wird durch die Unschärfe der "eigentlichen" Problematik befeuert.
Nur mal als Anregung.

Herzlich,
Alvaro
 
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Da Zeit aktuell ein rares Gut ist und ich an den vergangenen Abende zu müde war, um einen klaren Gedanken zu fassen, antworte ich erst jetzt. Zunächst einmal ausdrücklich DANKE, dass ihr euch so ausführlich mit meiner Thematik befasst. Das schätze ich sehr! :bow:

Hira, der abschließende Abschnitt meines letzten Beitrags war affektiv getönt, da der Streit noch so frisch war. Diese schroffen Worte würde mit kühlem Kopf nicht wählen. Ich gebe dir Recht, dass die Konjunktion in dem von dir als drastisch empfundenen Satz ungeschickt gewählt war. Das "wenn" hätte ich treffender durch "falls" ersetzen sollen. Dass ich den Pfad der seriellen Monogamie mit meinem Mann gedanklich bereits verlassen habe, kann ich nicht - zumindest nicht absolut - bestätigen. Temporär trifft das durchaus zu. Solche Phasen hatte ich in der Beziehung jedoch immer mal wieder, aber bislang folgte auf jeden Abschwung auch wieder ein Konjunkturhoch.

Weitere Kinder kann ich mir mit meinem Mann aus verschiedenen Gründen nicht vorstellen. Diese kann ich hier leider nicht erschöpfend darlegen, da unsere spezielle Fallkonstellation mich identifizierbar machen würde. Er wünscht sich noch ein weiteres Kind und unter anderen Umständen, wäre dies für mich ebenfalls denkbar.

Ich danke dir für die Texte. Manches davon habe ich bereits gelesen, wieder anderes nicht. Den Mann-Frau-Konflikt habe ich mir eben zu Gemüte geführt. Es fällt mir nicht leicht, unsere Dynamik exakt einzuordnen, da wir beide sehr reflektierte Menschen sind (zumindest wenn wir uns nicht gerade wutentbrannt anbrüllen ;)) und wir unser Beziehungsgefüge in seinem Archetypus bereits durch bewusstes Gegensteuern beeinflusst haben. Dies ist zumindest mein Empfinden.

Grob skizziert bin ich wohl der dominante, steuernde Part in der Beziehung. Ich bin mir meiner Sache sehr sicher, während mein Mann schon ab und zu die Sorge äußert, dass ich ihn verlassen könnte. Wobei ich glaube, dass er mich, zumindest in Streitsituationen, auch oft ehrlich satthat. Eine Trennung will er aber nicht (manchmal vermute ich, hauptsächlich, weil er die Kinder dann seltener sehen würde).

Ein Selbstwertproblem hat er definitiv, obwohl er optisch locker mit Brad Pitt mithalten könnte. Er ist klug, gebildet, witzig, wortgewandt, loyal, integre und gut im Bett. Er bekommt ständig Angebote von Frauen. Freunde hat er keine und er behauptet, er habe auch kein Interesse daran. Ich habe mitlerweile aufgegeben, ihn diesbezüglich zu animieren. Er begleitet mich (selbst zu Familientreffen) nur, wenn er unbedingt muss und ich ihn geradezu penetrant dazu dränge, aber meistens bleibt er dabei: Wenn er nicht will, will er nicht (und das ist fast immer der Fall). Dann gibt es hier eher einen riesengroßen Krach als dass er sich vom Fleck bewegt. Selbst an Feiertagen und Geburtstagen lässt er sich maximal einmal im Jahr animieren, mich (mitlerweile ja uns) zu begleiten. Für ihn sind solche Treffen die reinste Folter. Freunde von mir will er überhaupt nicht (mehr) treffen. Bekomme ich Besuch, ist er grundsätzlich nicht zuhause.

Er mag die meisten Menschen nicht und fühlt sich schnell, in meinem Augen nahezu immer unnötig, da vom Sender völlig unbeabsichtigt, angegriffen. Er hat lange Zeit versucht mit alles recht zu machen und jede Entscheidung von meiner Meinung abhängig gemacht. Das hat ihn irgendwann selbst so sehr genervt, dass er völlig ausflippte und mir verbot, mich nochmal irgendwo einzumischen und ich ihn seine eigenen Entscheidungen treffen lassen soll.

Er wünschte sich etwas mehr Unterwürfigkeit von mir. Fand ich gut, ich versuche mich daran zu halten, auch wenn ich oft denke, dass ich es eben wirklich besser weiß. Nach Streitigkeiten besteht er darauf, den Konflikt in einer Diskussion aufzuarbeiten und Präventionsmaßnahmen treffen. Auch ist es ihm wichtig, dass ich einsehe, wenn ich überreagiert habe. Leider bleiben wir dabei selten auf der Sachebene.

Ich hingegen finde (insbesondere redundante) Streitgespräche lästig und würde nach einem Streit oftmals gerne einfach zur Tagesordnung übergehen und den "Reset" - Knopf drücken.

Mir sind Sozialkontakte enorm wichtig und kann mir ein Leben ohne regelmäßige Treffen mit Freunden und Familie nicht vorstellen. Jeder Mensch ist anders, daher habe ich seine Eigenart schweren Herzens toleriert. Für mich bleibt es eine enorme Entbehrung, diese Erlebnisse nicht zumindest ab und zu mit meinem Partner teilen zu können und auch für die Kinder finde ich es schade.

Alvaro, danke, dass du deine Geschichte mit mir teilst. Sie regt mich zum Nachdenken an. Mein Mann weiß nichts von meinen Projektionen. Ich sehe den Mehrwert auch nicht, es ihm zu erzählen. Es würde seine Selbstzweifel womöglich nur verstärken und er wäre sehr wütend und verletzt. Dann würden diese Gedankenspiele nämlich, genau wie du es beschreibst, ein Teil seines Lebens und das würde für immer unsere Beziehung belasten. Treue und Loyalität sind für ihn die höchsten Werte in einer Partnerschaft. Eine Offenbarung würde ihn, auch wenn physisch rein gar nichts passiert ist, unfassbar treffen. Das muss ich einfach mit mir selber ausmachen.

Er spürt schon und hat diese Vermutung auch bereits geäußert, dass ich manchmal "ausbrechen" möchte. Auch hatte er lange Zeit Angst, dass ich ihm fremdgehen könnte. Mittlerweile weiß er, so schätze ich es zumindest ein, dass das für mich niemals eine Option wäre. Vielleicht befürchtet er, ich könnte ihn verlassen und mir einen anderen Partner suchen. In Streits höre ich manchmal "Such dir doch einen anderen". Er weiß aber auch genau wie er bei Frauen ankommt und dass er, wenn er wollte, bereits am nächsten Tag eine Neue haben könnte.

Stellvertreterkonflikte sind unser täglich Brot und das haben wir beide hinsichtlich vieler Situationen auch bereits enttarnt. Ob unbewusst meine persönliche Sehnsucht die Konflikthäufigkeit erhöht, kann ich natürlich nicht sagen. Es ist eher so, dass in einer krisenreichen Zeit, in der wir emotional weniger verbunden sind, meine Affinität zur Tagträumerei intensiver ist als in Zeiten, in denen wir als Paar auf einer Frequenz schwingen. Möglicherweise sind hier Ursache und Wirkung aber auch genau umgekehrt zu benennen. Die berühmte Frage nach dem Huhn oder dem Ei.

Meinst du, eine Paarberatung könnte uns helfen weniger zu streiten und wieder ein besseres Team zu werden? Meine Gefühle für X würde ich dort aber keinesfalls thematisieren wollen.
 

Alvaro

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Hallo Schrödingers Katze,

Ich sehe den Mehrwert auch nicht, es ihm zu erzählen.
Ich denke auch nicht, dass das aktuell einen Mehrwert hätte.

Es ist eher so, dass in einer krisenreichen Zeit, in der wir emotional weniger verbunden sind, meine Affinität zur Tagträumerei intensiver ist als in Zeiten, in denen wir als Paar auf einer Frequenz schwingen. Möglicherweise sind hier Ursache und Wirkung aber auch genau umgekehrt zu benennen. Die berühmte Frage nach dem Huhn oder dem Ei.
Ich schlage dir ein Alternativbild vor jenseits linearer Kausalität. Sieh deine Alltagsfluchten und die Zeiten weniger intensiverer emotionalen Verbundenheit auf eurer Paarebene mal als Kreislauf. Ursache und Wirkung sind dann nicht mehr auszumachen. Aber eines verstärkt das andere. Und die gute Seite daran: egal an welcher Stelle du den Kreislauf durchbrichst und einen Schubs in die Gegenrichtung geben kannst, wird der Kreislauf wieder einsetzen - nur diesmal als positiv verstärkender Kreislauf.

So wie du deinen Mann hier schilderst, stelle ich mir einen sehr rational gesteuerten aber eben durchaus auch empathischen Menschen vor - Situationen, in denen er spürt, dass du da "da aber doch nicht da bist" (in etwa die übliche Formulierung wenn Person A Alltagsfluchten bei Person B spürt), dann könnte das eine ziemlich große Irritation für ihn sein; denn solche fast schon paradoxen Wahrnehmungen lassen sich eben nicht so einfach rational aufarbeiten.

Meinst du, eine Paarberatung könnte uns helfen weniger zu streiten und wieder ein besseres Team zu werden?
Auf jeden Fall. Sie könnte auch dabei helfen, nützlicher zu streiten, wenn ein Streit nun mal notwendig ist. und nicht in eher destruktive Trennungsdrohungen, Trennungsaufforderungen oder andere passiv aggressive persönliche Muster abzugleiten.

Meine Gefühle für X würde ich dort aber keinesfalls thematisieren wollen.
Vielleicht müsste das auch gar nicht sein. Wenn ihr mit einem gemeinsamen Wunsch hingeht, kann dieser Wunsch bearbeitet werden. Wenn im Prozessverlauf andere Themen dazukommen, was immer passieren kann, dann liegt die Entscheidung, wie tief ihr in ein Thema einsteigen wollt, noch immer bei euch. Zumindest für die systemische Paartherapie gilt: ihr seid die "Kunden". Also die, die "kundig" sind, was euer Leben betrifft. Ihr seid die Experten.

Herzliche Grüße
Alvaro
 

Gardeness

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Verbiete es dir also nicht, sondern lass es bewusst zu.
Hallo Schrödingers Katze,

wie du in meinem Thema in der Plauderecke nachlesen kannst, habe ich mit einem ganz ähnlichen Problem zu kämpfen, wobei ich nicht gebunden bin. Würde daher - wenn es die Forenleitung gestattet - hier auch gerne etwas beitragen.

Ich bin nach über 30 Jahren meiner ersten unerfüllten Liebe begegnet. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich ihn bzw. meine Gefühle für ihn in einer hinteren Ecke meines emotionalen Gedächtnisses geparkt (zumindest stellt es sich heute für mich so dar). Das hat über all die Jahre auch ganz gut funktioniert, nun aber nicht mehr. Dazu muss ich sagen, dass wir nach unserer Begegnung kurz in Kontakt waren, bis ich diesen aus Vernunftsgründen beendete, da er ein verheirateter Familienvater ist und ich keine Affäre o. ä. eingehen wollte. Ich habe auch ziemlich lange gegen diese unerwartet starken Gefühle angekämpft, alles über die erste bzw. Jugendliebe gelesen, mir mein Hirn zermartert. Ablenkungen waren aber immer nur kurzzeitig und die (Wunsch-)Vorstellung, diese Gefühle dauerhaft runterfahren zu können, haben zu noch mehr Beschäftigung mit dem Thema geführt. Also gefühlt no way out plus Kontrollverlust en masse.

Mittlerweile bin ich an dem Punkt, dass ich versuche - wie Hira es als eine von mehreren möglichen Herangehensweisen beschrieben hat - diese Liebe anzunehmen. Ich bin auch zu der Erkenntnis gelangt, dass ich diesen Mann nicht in persona liebe - gar nicht lieben kann, da ich ihn praktisch nicht kenne. Was ich aber liebe, sind die Gefühle, die wir gegenseitig in uns ausgelöst haben - damals wie heute. Und die sind einfach zu schön, um sie aufzugeben! Die gelegentliche Sehnsucht und Wehmut, die damit einhergehen, gilt es für mich dann eben in Kauf zu nehmen.

Ich habe somit beschlossen, meine Gefühle nicht länger zu unterdrücken, aber in gewisse Bahnen zu lenken. Dazu gehört, diese während einer bestimmten Freizeitaktivität, die ich stark mit ihm assoziiere, (nicht immer aber häufig) zu zelebrieren. Um anschließend in meinen Alltag zurückzukehren, mental gesättigt und meistens positiv gestimmt. Bis zum nächsten Trigger oder Durchhänger, der mich dann wieder in das Land der Träume abdriften lässt. Mit der Zeit und ohne weiteren Kontakt werden diese Gefühle aber händelbarer. Und durch Beschäftigung und soziale Kontakte auch positiv beeinflussbar.

Mir ist auch bewusst, dass eine Beziehung, würde ich sie mit ihm führen, früher oder später genauso alltäglich werden würde wie alle anderen Beziehungen, die ich geführt habe. Dass er Schwächen haben wird und ich mir nicht sicher bin, ob wir überhaupt kompatibel wären. Rationalisieren hilft mir bis zu einem gewissen Grad also auch.

Die Beschäftigung mit dem Thema hat mir überdies gezeigt, dass das, was ich da gerade erlebe, kein Einzelphänomen ist. Sowohl hier als auch in anderen Foren/Medien liest und hört man immer wieder von Kryptonit-Menschen, Liebesgeschichten und Affären, die ihren Ursprung in einer ersten bzw. Jugendliebe haben. Es ist also gar nicht so besonders, was dir und mir da widerfährt (Stichwort: Entzauberung). Das hat wohl was mit dem jugendlichen Gehirn zu tun und dem Fakt, dass sich erste Erlebnisse - von was auch immer - besonders stark einprägen. Wenn diese frühe Liebe dann noch unerfüllt bleibt, gesellt sich im Kopf noch ein Cliffhanger dazu, der nach Fortführung und Auflösung verlangt. Was echt quälend sein kann.

Mir hat es im Übrigen geholfen, über diese Erfahrung zu schreiben und besser noch, im RL darüber zu reden. Hast du da jemanden? Das sollte vielleicht nicht gerade dein Mann sein, wobei auch das dem Ganzen seinen Reiz nehmen könnte. Da so ein Geheimnis, wenn es erstmal in der Welt ist, auch ordentlich Schaden anrichten kann, wäre dieser Schritt aber gut zu überdenken. Was du für dich bereits ausgeschlossen hast und angesichts deiner nicht ganz stabil wirkenden Partnerschaft vermutlich auch richtig ist.

Zusammenfassend würde ich sagen, dass es für mich nicht die eine Lösung im Umgang mit diesen Gefühlen gibt. Was ich weiß, ist, dass diese Liebe (nach über drei Jahrzehnten) wohl nicht mehr weggehen wird und es mir daher mehr hilft, diese als Teil meiner eigenen Biografie anzunehmen und das Positive daraus zu ziehen. Dabei einen Weg zu finden, der mich mit meinem Leben weiterhin zufrieden sein lässt und zugleich sein Ehe-/Familienleben nicht berührt, ist ein Balance-Akt, der viel Reflektion und Nachsicht mit mir selbst erfordert.

Und während ich als Single nur aufpassen muss, mich in diese Gefühle und Gedanken nicht übermäßig reinzudrehen, gilt es in einer Partnerschaft zusätzlich, diese vor der Fremdliebe und dem Kopfkino zu schützen. Das stelle ich mir sehr herausfordernd vor.

Da du sehr reflektiert wirkst und sicherlich auch Glück aus deiner familiären Situation ziehst, bin ich mir sicher, dass du einen gangbaren Weg durch dieses Gefühlswirrwarr finden wirst. Dabei wünsche ich dir viel Glück!
 
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  13. Admina Hira Eth @ Admina Hira Eth: An alle Neumitglieder hier (oder die, die erwägen, es zu werden): bitte macht euch doch vorab mit den Forenregeln bekannt. Es wäre wirklich toll, würdet ihr berücksichtigen, dass ihr ohne eigenen aktiven Hilfestrang nicht in unseren Unterforen 1-5 kommentieren dürft. Außerdem wäre es toll, würdet ihr berücksichtigen, dass wir nicht in Affären hineinberaten - also euch weder sagen, ob ihr´s tun sollt oder wie oder euch in der Anfangsphase der Affäre begleiten oder betreuen. Lieben Dank! :-)
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