Hallo KoC, hallo Bingo,
auch von mir noch einmal offiziell ein herzliches Willkommen in unserem Forum! Find ich gut, dass Ihr Euch hier der Diskussion "stellt" und die letzten posts von Euch fand ich vielleicht nicht inhaltlich in allem mit meiner Ansicht übereinstimmend, aber dennoch gut und argumentierend geschrieben.
Grundsätzlich sehe ich es ja auch so, jeder solle sich umschauen, wo er welche Hilfe und Anregungen findet und da bleiben, wo er das Gefühl hat, für sich weiterzukommen.
Dennoch haben wir ja nun die Betrachtung unserer unterschiedlichen Ansätze gestartet und die Diskussion finde ich spannend, so dass ich da gerne auch weiter mit einsteige.
Ich selbst habe mir nun angesichts der Diskussion die Frage gestellt, wieso schwappt zu uns in so nachhaltiger Weise der Eindruck rüber, dass dort mit Hilfesuchenden nicht so umgegangen wird, wie es angemessen wäre, wenn doch bei Euch die Persönlichkeitsentwicklung so eine bedeutsame Rolle spielt. Und daran schloss sich für mich die Frage an - habe ich auch bei uns das Gefühl, dass wir die "Selbstfindung" unbedingt mit im Auge haben - was genau versteht Ihr bei Euch eigentlich unter Persönlichkeitsentwicklung?
Eines ist sicherlich klar - das wurde ja auch schon herausgearbeitet - dass in unserem Forum sicherlich schon das Ex-Back im Vordergrund steht, bei Euch eben eher die "Persönlichkeitsentwicklung".
Und hier setzt bereits mein erster Gedanke ein - es schlagen in dem Forum Menschen auf, die gerade eine frische Trennung durchleben. Sie stehen neben sich, sind aufgewühlt und verzweifelt, aus der Situation heraus. Es ist ganz klar, dass sie (wieder) zu sich selbst finden müssen, aus dem Schmerz heraus. Und, da es zu einer Trennung kam, die von den Verlassenen nicht gewünscht war, deutet dies auch daraufhin, dass es zumindest in der letzten Zeit der Beziehung zu einer Schieflage kam, die eine Ursache gehabt haben muss.
Aber ich sehe da auch die Möglichkeit, dass es aufgrund bestimmter Beziehungsmechanismen - wenn man sie nicht kennt bzw. von ihnen falsche Vorstellungen hat - auch fast selbstläuferartig zu bestimmten Verhaltensaspekten kommen kann, in die man strudelartig hineingerissen wird, eben wenn man sie nicht kennt und so auch Menschen mit einem sehr guten Selbstwertgefühl und recht reifer Persönlichkeit vorrübergehend ausgeknockt werden können. Mir klingt die dann so in den Vordergrund gestellte Persönlichkeitsentwicklung für einige Fälle zu weitgreifend.
Die Menschen, die hier ankommen, müssen wieder mehr Selbstwertgefühl entwickeln, sollen sich selbst reflektieren, sich mit sich selbst beschäftigen - ganz klar. Aber diese Bezeichnung Persönlichkeitsentwicklung klingt so, als wäre die Persönlichkeit arg defizitär. Natürlich kann man immer an sich arbeiten, und bestimmte Aspekte an sich verbessern. Aber dieses grundsätzlich dem Hilfesuchenden gegenüber so sehr zu priorisieren, hm, da bin ich skeptisch. Weil man da schnell auch pathologisiert und einen Defizit-suchenden Blick einnimmt, wo nichts arg defizitär ist, es nur einer einfühlsamen Begleitung aus dem Schmerz zu sich selbst wieder hin benötigt und eine Aufklärung über destruktive Beziehungsmechanismen den Betroffenen sehr weiterbringt.
Aber dennoch - folgend einem Grundsatz: man kann immer an sich arbeiten und nun gerade diesen Anlass der Trennung dafür nutzen, zeigt er vielleicht wirklich auch eigene Defizite auf - habe ich mir angesehen, was genau die Persönlichkeitsentwicklung bei Euch enthält.
Mir schwebt bei dieser Begriffsnennung immer ein Ideal vor Augen, das auf ein gesundes Selbstwertgefühl abzielt, ein Mensch, der seine Stärken und Schwächen kennt, beides annimmt.
"Echt" sein kann, mit seinen ihm ganz eigenen Facetten keine Maske trägt und auch eine gute Sozialkompetenz aufweist, ebenso wie eine gute Beziehungskompetenz, mit sich selbst möglichst im Reinen ist und auch eine gesunde Beziehung auf verschiedenen Ebenen zu anderen Menschen pflegt, diese respektiert, wertschätzt. Aber auch ein gesundes Gefühl hat dafür, wenn andere Menschen ihm nicht gut tun und dann Grenzen ziehen kann.
Mit diesem Bild im Kopf habe ich mich in Eurem Forum umgesehen und geschaut, was Eure Persönlichkeitsentwicklung bedeutet.
Hm. Ich finde einiges gut. In der Anleitung zum Inner Game ist vieles, was sicherlich hilfreich und förderlich sein kann (Ängste überwinden, Erfahrungen sammeln, mit Bewusstsein/Präsenz leben etc.). Auch gibt es echt gute Texte, z.B. zum Thema Eifersucht etc.
Aber was ich weniger überzeugend finde, ist meinem Eindruck, dass über allem ein ganz bestimmtes Dogma bzw. Bild schwebt, wie man als Mann (als Frau?) zu sein hat (a la "Ich bin der Preis" ). Klar, ein gesundes Selbstwertgefühl ist wertvoll und wichtig. Aber ich finde da mehr so plakative Ansichten: verhalte Dich so bzw. so gegenüber Frauen, dies ist erfolgreich, jenes nicht, es wird ein ganz bestimmtes Bild gezeichnet, wie Mann/ Mensch sein soll (siehe die 15 Lehren des Pook). Da hätte ich dann das Gefühl, das sind dann in der Interaktion gar keine interessanten Persönlichkeiten mehr, sondern Personen, die einfach bestimmte Verhaltensweisen ausführen. Sicher ist an diesen "Lehren" etwas dran, aber insgesamt empfinde ich dies für das Label Persönlichkeitsentwicklung als zu einseitig und zu extrem.
Für mich würde eine gute Persönlichkeitsentwicklung mit der Frage starten: wer bin ich eigentlich und welche Facetten an mir lohnt es sich zu schleifen. Dabei ist es klug, eben auch ein gewisses Wissen im Hinblick auf Beziehungen im Kopf zu haben, wie es hier z.B. gelehrt wird.
Bei Euch habe ich das Gefühl, das Persönlichkeitsideal steht bereits fest und ist ziemlich uniform und heraus kommen dann gar keine spannenden, facettenreichen Persönlichkeiten, sondern Menschen, die versuchen,im Wesentlichen ganz bestimmte vorgezeichnete Masken zu tragen. Vielleicht ist hier noch die Praxisanleitung des Inner Games am ehesten die Individualität fördernd -da sind tolle Ansätze, keine Frage - aber es klingt auch recht "leistungsorientiert", getrieben und auf eine Weise "aktionistisch".
Hm - ich finde da eine Trauerphase, in der man einigermaßen in Ruhe zu sich selbst zurückfindet eher hilfreich.
Und so könnte auch dieses Gefühl zustande kommen, das wir hier haben, dass Menschen nicht da abgeholt werden, wo sie stehen, sondern dass man auch hier von Anfang an ein bestimmtes Verhalten erwartet/erreichen möchte.
So zumindest mein Eindruck. Ich diskutiere gerne hier weiter
Zuletzt modifiziert von Mod Klari am 08.12.2014 - 21:43:06