Liebe Ramona,Liebe Lali, that's the point? Tut sie das, tut sie das immer? Tut sie das zu Beginn? Ich fühle mich von Deiner Geschichte sehr angezogen. Mein Input wird wohl von den bisherigen ziemlich abweichen. Möglicherweise bin ich hier der advocatus diaboli oder auch in heteronormativer Sicht gesprochen: die Männerversteherin (der Ruf eilt mir voraus, das hilft mir allerdings wenig in meiner Ehe und auch wenig in meiner AF).
Ich finde seine Nachricht im Grunde sehr schön, zugewandt und ehrlich. Ich habe in meinem Umfeld eine Reihe von Beziehungen erlebt, die holprig anfingen, mit F...beziehungscharakter, on-off, eine/r hat nicht genug Gefühle, hängt noch an dem/der Ex, es ist nicht der Crush, wie im Hollywood-Blockbuster etc. Eines dieser Paare ist mittlerweile 4 Jahre liiert und vor kurzem zusammengezogen, ein anderes hat gerade das erste gemeinsame Kind, das in die Windeln kackt. Diese Paare sind ultra-glücklich heute.
Das heißt nicht, dass Du Dich nicht schützen sollst, wenn es für Dich absolut nicht so geht, aber ich will damit bekräftigen, dass im Feld der Liebe mehr möglich ist, als sie trafen sich, es war zwischen dem Abrollen des ersten und des zweiten Kondoms alles klar, man wusste, wo man den Bausparvertrag für das erste Haus abschließt, wie das erste Kind heißt... alles geritzt. Ich übertreibe bewusst, sehe es mir BITTE nach.
Aber ich habe in meinem Milieu (Akademiker und Künstler zugegeben) schon Dinge erlebt und Beziehungen wachsen sehen, auf die niemand was gegeben hätte und andere scheitern sehen, bei denen alles zu passen schien...also keep cool!
Über die Max-Frisch-Anspielung habe ich mich zwar intellektuell gefreut, aber damit hast Du ihn, sollte er auch nur die Zusammenfassung des Romans bei Abipur kennen, natürlich ganz schön in eine Schublade gesteckt. Und vergiss nicht: Walter Faber kommt zur Einsicht über Sabeth, es ist nur zu spät!
Was hätte denn dagegen gesprochen, es mit einer Situationship auf Entfernung zu probieren? Ich habe daraus schon Familien erwachsen sehen mit der Zeit. Auf die Entfernung New York und Bochum, Köln und Berlin, München und Bremen und dort war es auch nicht von Anfang an klar, ob beide das selbe wollen.
Fühle Dich gedrückt! Ich weiß, wie hart es ist, meine Verzweiflung ist ähnlich, nur anders motiviert, aber ohne Hoffnung geht es nicht, sonst verhärten wir so, dass wir uns keinem Menschen mehr öffnen können.
Herzlich: Ramona.
ganz lieben Dank für Deine Perspektive. Ich entschuldige schon Mal meine etwas längere Antwort.
Sicher muss nicht alles gleich von Anfang an funktionieren und holprig oder chaotisch darf es auch sein, wenn es denn so ist. Aber irgendeine Art des Commitments brauche ich einfach, schätze ich. Ich hätte ja die Situationship weitergeführt, wenn ich denn wüsste, dass es ein „gutes“ Ende hat. Das Problem, welches ich an der Sache sehe, ist meine „schlechte“ Position, in der ich eigentlich nur verlieren kann. Was mache ich, wenn er sich in eine andere Person verliebt? Was mache ich, wenn er zurück zu seiner Ex-Freundin geht oder ihm doch einfällt, dass er das mit mir nicht kann (wegen der Entfernung oder aus welchem Grund auch immer)? Es ist mir einfach zu unsicher. Die Chance besteht zwar auch in einer Beziehung, aber wenn man jemanden will, dann ist sie wohl geringer als bei solch großen Unsicherheiten. Und der zweite Grund ist, dass ich nicht einfach eine Option sein will.
Ich möchte, dass die Person, der ich mein Herz schenke, mir auch ihres schenkt. Vielleicht habe ich auch zu viele Bücher gelesen und Filme gesehen und schwelge deshalb in utopischen (Liebes-)Sphären, aber nur 50 % oder ein „Jein“ zu bekommen, ist nicht das, was ich mir unter einem echten Gefährten als solchen vorstelle.
Im Gegenteil. Ich finde das sogar fast schlimmer als eine gänzliche Ablehnung. Dazu muss ich vielleicht noch erwähnen, dass ich gebrandmarkt bin, was Unsicherheiten über meine Person betrifft. Ich hatte mich einmal, als ich noch sehr jung war, in einen Amerikaner verschossen. Ich war damals sehr… naja schwach und ängstlich. Wir hatten uns ein halbes Jahr kennengelernt, ehe ich fragte, ob er sich was Langfristiges vorstellen könne. Auch er war ein ziemlich smarter Typ, allerdings vom Äußeren nicht so meins. Er hatte aber diese urkomische, echte und witzige Persönlichkeit, die ich so sehr mochte. Die Situation mit ihm war ein bisschen ähnlich zu meiner jetzigen, denn auch er war sich meiner nicht sicher. Damals habe ich mich allerdings regelrecht angebiedert, fast schon gefleht, dass er mehr will mit mir. Das Ganze ging monatelang. Irgendwann meinte er dann, dass er mich sehr gerne hat und unter anderen Umständen mit mir zusammen wäre, er sich aber jetzt auf seine wissenschaftliche Karriere konzentrieren müsse. Mein erster (und bis dato einziger) Liebeskummer war also entfacht. Zwei Wochen später schrieb er mir plötzlich, dass er ein Idiot sei, ich ein Babe wäre und er es gern mit mir probieren wollen würde. Natürlich noch mit dem üblichen Blabla, dass er mich vermisst usw. Ich bin darauf eingegangen und habe mich gefreut wie ein Schnitzel. Aber weißt Du was das Resultat war? Eine heulende Lali beim Mittagessen im Klassenzimmer. Er hat mit mir über WhatsApp Schluss gemacht. Er hätte sich verkalkuliert und könne es doch nicht. Nach dieser Erfahrung habe ich mir geschworen, dass ich nie wieder mit jemandem eine Beziehung eingehe, der sich nicht für mich entscheidet. Dass ein „Jein“ ein „Nein“ ist und ein „Nein“ auch nicht mehr in ein „Ja“ umgetauscht wird, es sei denn derjenige steht vor meiner Haustür und sieht es wirklich(!) als Fehler. Als ich Mal mit meiner Mutter darüber geredet habe, meinte sie nur, ich wäre sehr jung gewesen und ich soll das nicht auf meine nächsten Verbindungen projizieren. Ja, ich war sehr jung (18 oder so), aber ich kann mich noch an alles erinnern, als wäre es gestern gewesen. Das hat sich einfach eingebrannt. Für mich stehen Loyalität und Integrität in einer Partnerschaft im Fokus und wenn es schon bei der Entscheidung FÜR mich scheitert, wie soll das dann überhaupt funktionieren? In meiner momentanen Situation hätte er vielleicht auch einfach mehr Zeit gebraucht, um sich richtig zu verlieben/emotional zu öffnen, aber dann hätte er nicht wegziehen dürfen oder er mich zumindest fragen können, ob ich mitkomme. Hat er nicht. Einen Versuch gab es nie. Abgesehen davon hat er mich fast fünf Tage auf eine Antwort warten lassen. Da kam auch kein „Sorry, grad ist viel los bei mir. Ich melde mich zu einem anderen Zeitpunkt.“ Ich bin keine Ivy, ich klammere nicht und ich gebe viel Freiraum, weil ich den selbst auch brauche. Aber wenn mir jemand sagt, er schreibt mir morgen und lässt mich - bei einem so „heiklen“ Thema - fast fünf Tage links liegen, ohne etwas zu sagen, dann ist das genau das Gegenteil von Integrität.
Übrigens: Ich glaube auch nicht zwingend, dass bedingungslose Liebe Exklusivität voraussetzt. Das habe ich ihm auch so gesagt. Nur muss man doch erstmal das Band festigen und eine offene Beziehung braucht meiner Meinung nach auch eine sehr gute, ausgebaute Kommunikationsebene. Die hat man nicht nach drei Monaten. Sehe ich das „falsch“?
Zu der Faber-Anspielung: Er hatte mir mal gesagt, dass er die Welt so sieht - wie Walter Faber. Irgendwann habe ich dann gecheckt, dass er Angst vor einer Ivy hat. Seine Antwort darauf war „Ja. Du hast recht. Das wäre mein Alptraum.“
Und ich verstehe die Gedanken hinter Fabers Sichtweise, aber das ist es nicht. That‘s not the spark. Es ist das Irrationale im Rationalen, was das Leben ausmacht - die Ausschläge der Lebenslinie. Das stellt Walter ja am Ende selbst fest, soweit ich mich erinnere.
Ich hätte mir einfach so sehr gewünscht, dass ich ihm genauso viel bedeute wie er mir. Dann wäre ich mit ihm jeden Weg gegangen, egal wie schwer oder kompliziert er ist. Ob es die richtige Entscheidung war zu gehen, weiß ich trotzdem nicht. Insgeheim habe ich auch gehofft, dass er unsere besondere Verbindung als solche erkennt. Aber wenn wohl eine Sache wahr ist, dann, dass man niemanden von etwas überzeugen kann, wenn dieser nicht dasselbe fühlt. Dieses Brot muss man wohl einfach fressen.
Da muss ich glatt an eine Situation denken. Er hatte mich mal gefragt, was mein Lieblingszitat sei. Ich sagte „Liebe ist, dass Du mir das Messer bist, mit dem ich in mir wühle.“ von Kafka. Für mich hatte es immer den Kern von Liebe erwischt, sie so stark gewichtet. Aber erst jetzt verstehe ich die eigentliche Tragödie dahinter. Vor drei Monaten habe ich diesen Satz noch mit glänzenden Lippen und einem Lächeln stolz vor mich hin gesagt. Jetzt zieht sich in mir alles zusammen, wenn ich nur darüber nachdenke. Ich kann das Messer förmlich spüren.