Ich sitze an einem See und empfinde Befreiung, Wehmut und Frieden.
Ich habe ihn auf dem Festival gesehen, er mich nicht.
Er war mit Freunden und einer ungepflegten Rastafrau anfang zwanzig dort, die er ab und zu küsste und ihr über den Rpücken strich. Als ich das sah legte sich ein Schalter um. Ich fühlte was ich bereits vorher erkannt hatte, ich habe mein Bild von ihm geliebt, nicht ihn. Alles war ruhig, sein Wert war weg.
Dannach hatte ich keine Lust mehr ihn nochmal zu sehen. Gestern nachmittag kam aber eine sms von ihm, in der er nachfragte (Wir waren ja eigentlich verabredet) Ich entschied mich für ein Treffen, damit ich nicht wieder an den Punkt komme, wo ich Rache, Hass und Unruhe empfinde. Ich wollte ein für alle Mal alles klären.
Das Treffen lief völlig anders als geplant und erwartet.
Wir haben uns ausgesprochen.
Alle offene Fragen beantwortet. Ich sagte, dass ich einen Freund habe und es mir gut geht. Er freute sich darüber und wünschte mir, dass dieser mich glücklich machen würde als er selbst. Er erzählte mir, dass er etwas ganz lockeres mit einer habe und absolut keine Beziehung mehr wolle, das habe er der Frau klar kommuniziert. Niemand werde ihn mehr einengen.
Wir redeten ganz viel über alles was schief gelaufen war und den anderen verletzt hat, welche Gefühle im Spiel waren und wo die Gründe für die Trennung lagen. Es bliebt nichts ungesagt, weder von seiner noch von meiner Seite. Ich kenne jetzt alle Antworten und durfte meine Wut loswerden. Er gestand sich Fehler und Schwächen ein und sagte er habe mich geliebt und versucht die heile Welt so lange es ginge aufrecht zu erhalten.
Er erzählte mir auch, dass er in den beiden Wochen der Schwangerschaft jeden Abend völlig betrunken war, weil er da it nicht klarkam. Er habe das alles gewollt und den Käfig mitgebaut, aus dem er dann ausgebrochen ist. Ich fragte warum er das mit sich ausgemacht habe und nicht mit mir über alles geredet habe, so wie jetzt. Er habe sich seine Fehler nicht eingestehen wollen, wollte perfekt sein und alles richtig machen. Irgendwann war dann ein übermächtiges Gefühl der Ablehnung hochgestiegen, weswegen er alles auf diese eiskalte Art beendet habe. Ich sagte ihm nochmal, wei mies das war. Das wüsste er, aber er habe nicht mehr anders gekonnt.
Ich konnte ihm plötzlich ehrlich verzeihen.
Er öffnete sich vollkommen.
Das war wohl unser Abschiedsgeschenk füreinander.
Dorian Grey kannt er bereits, aber es überraschte ihn, dass ich ihn so sehe. Als ich ihm meine Sicht darlegte erkannte sich tatsächlich selbst darin. Der selbstgewählte Hedonismus und die Oberflächlichkeit durchziehen ihn gerade durch und durch und machen ihn glücklich. Er wolle und brauche das jetzt.
Hätte ich ihn so wie er jetzt ist kennengelernt, hätte ich mich nicht in ihn verliebt.
Auch das ist eine wohltuende Erkenntnis.
Er habe viel aus dieser Beziehung gerlernt, über sich und über das Leben. Er könne keine Verbindlichkeit geben, habe viel über den von mir angesprochenen Kontaktabbruch nachgedacht und sei zum dem Schluss gekommen, dass er keinen regelmäßigen Kontakt schafft, es gäbe zuviel Trotz in ihm, wenn Menschen Erwartungen an ihn haben. Er habe sich vorgenommen den Kontakt zu beenden, genau wie ich.
Wir haben auch über das Kind gesprochen, uns total geöffnet. Es gab keine Spielchen und Strategien mehr. Irgendwann nahm ich seine Hand und er zuckte zurück. Ich sagte: Wir sehen uns nie wieder, warum distanzierst du dich noch.
Er meinte er wüßte bei mir nie woran er ist, ob ich ihn testen und analysieren will. Anfangs hätte ihn das fasziniert, später abgestoßen.
Ich sagte ihm, dass ich Dinge hinterfrage und keine Oberflächlichkeit brauche, das er das anders sieht ist ok. Nichts was er sagte verletzte mich.
Als wir über das Kind sprachen, kamen mir die Tränen, ich kann und muss das nicht verhindern. Das hat nichts mit ihm zu tun. Er legt seinen Arm um mich zog mich an sich und wir drückten uns ganz fest. Er sagte, auch ihn wird das immer begleiten. Einen Augenblick saßen wir an diesem See und hielten uns in den Armen und blickten aufs Wasser. Dann fragte er: Glaubst du wir können nun unseren Frieden miteinander machen?
Nach diesen zwei Stunden, die eigentlich nur eine halbe werden sollten, war alles gesagt. Am Auto drückte er mich nocheinmal und sagte: Pass auf dich auf. Wirklich! Wir sahen uns an und ich sagte: Jetzt verlieren wir uns. Er nickte. Dann ging er und drehte sich noch ein paar mal um, um zu winken.
In mir herschte Frieden, Traurigkeit, Befreiung und Dankbarkeit.
Was bleibt ist das Gefühl von Liebe, die nichts mehr erwartet, alles verzeiht und ihm nur noch wünscht, dass er glücklich wird.
Zuletzt modifiziert von Lichtgestalt am 29.06.2016 - 12:35:17