Hallo Felis, hallo Philipp,
Danke für eure ehrliche Einschätzung!
Also, dass er uns im Stich lässt, wenn wir dort sind, glaube ich nicht. Da schätze ich ihn als verlässlich ein. Ich habe während der Streitereien immer wieder gedroht, den Umzug abzublasen, da wäre es ihm ein Leichtes gewesen, dem zuzustimmen, wenn er es denn gewollt hätte. Aber darüber, dass ich doch nicht zu ihm ziehe, war er immer sehr traurig.
Die Alternative, die ich jetzt sehe, ist:
Ich breche meinen ganzen Zukunftstraum ab. Auf diesen Neuanfang mit ihm und bei ihm freue ich mich schon seit langem. Es würde meine Laune also in dem Keller befördern, wenn ich jetzt doch hierbleibe, allein, an einem Ort, den ich nicht mehr ertragen kann, schon seit Jahren nicht mehr.
Mein Kind wäre enttäuscht und verunsichert, wenn jetzt alles doch nicht losgeht. Es freut sich schon lange auf die Veränderung.
Diesen Umzug zu vertagen, würde bedeuten, dass ich ihn für seine Affäre nachträglich bestrafe und ihm signalisiere, dass ich unter diesen Umständen nicht mit ihm zusammenleben möchte bzw kann. Er hat seine Wohnung vorbereitet, er hat für das Kind eine Schule gesucht, er freut sich auf uns. Das spüre ich die Tage gerade sehr. Unsere Stimmung ist aktuell sehr gut.
Jetzt da einen Cut zu machen, fühlt sich seltsam an.
Was würde dann passieren: Er und Kind sind enttäuscht. Ich bin verärgert und frustriert, weil ich meinen Traum ad acta bzw auf Eis lege und noch länger hier bleiben muss, als ohnehin schon (und ich fühle mich schon viel zu lange hier am falschen Ort), und das, um ihn nachträglich zu bestrafen für etwas, das er nicht mehr rückgängig machen kann.
Stimmung wird also sein: enttäuscht, frustriert, Schritt zurück gemacht (was ich hasse) , die Frage: Wie wäre es geworden, wenn ich es durchgezogen hätte?
Das hat zur Folge: Er weiß dann aufgrund der Strafe nicht nur, dass sein Tun (Lügen und Betrügen) Konsequenzen hatte, sondern auch, dass ich es vorziehe, etwas abzublasen, auf das ich mich seit Langem gefreut habe, um ihm zu zeigen, dass ich keine Frau bin, die man ungestraft betrügt.
Momentan aber zweifle ich ganz stark daran, ob Strafe der richtige Weg ist. Wem nützt sie?
Schade ich nicht in erster Linie mir selbst damit, wenn ich einen Zukunftstraum begrabe? Ist es wirklich ratsam, einem Kind, was jeden Tag erzählt, dass er es kaum erwarten kann, umzuziehen, zu sagen: Hör zu, wir bleiben doch hier?
Wenn ich den Plan nur auf Eis lege: Was ist gewonnen? Bekomme ich tatsächlich Klarheit, wenn ich in eine Situation zurückgehe, die ich dringend verlassen wollte?
Mein Freund ist seit Wochen jetzt bei uns, kümmert sich um uns, hat nach jedem Streit die Hoffnung , dass es jetzt gut ist, ist richtig gelöst und glücklich, wenn wir uns gut verstehen und umso mehr frustriert, wenn ich das Thema wieder hervor hole. Ja, er war auf Rückzug, ja, er war auch zuweilen ungerecht, aber ausschließlich im Streit. Ich habe ihm Dinge um die Ohren geworfen, die es in sich hatten, weil ich glaubte, ich hätte das Recht dazu, da er mich betrogen hat. Aber irgendwann mal muss es genug sein, er ist der Mann, den ich liebe, der einen massiven Fehler gemacht hat, und kein Freiwild, an dem ich bis in alle Ewigkeit meine miese Laune abreagieren kann und damit entschuldigen kann: Tja, du bist fremdgegangen, ich darf so böse zu dir sein, und zwar so lange, wie ich will.
Er war es auch, der eine Paartherapie vorgeschlagen hat, als er am Punkt war, nicht mehr weiterzuwissen ohne externe Hilfe. Ich habe ja gesagt und wir fanden durch Zufall schnell eine Art Paar-Coach, er hat Unmengen Geld bezahlt für die Sitzungen, freiwillig und in der Hoffnung, dass es uns hilft. Der Coach hat sich leider als nicht sehr brauchbar erwiesen, er wurde gegen Ende sehr parteiisch. Das hat auch meinen Freund frustriert, er meinte, er hätte auch nichts davon, wenn der Coach mir jetzt einzureden versucht, was für einen tollen Partner ich doch habe (der Coach fand meinen Freund toll und wollte uns dann halt in die Richtung coachen, es miteinander zu schaffen). Dass ich verletzt und betrogen wurde, war bald kein Thema mehr beim Coach, da er so viel Potential bei uns sah. Ich war damals aber noch in der Phase, dass ich mir gewünscht hätte, dass der Coach meinem Freund die Leviten liest. Aber auch das hätte mir wohl nicht geholfen. Dass er Mist gebaut hat, weiß er, es tut ihm leid, er möchte es so gern ungeschehen machen.
Es brauchte keinen Dritten, der verbal auf ihn einhaut.
Und was das Thema Abstand angeht:
Das haben wir auch schon durch. Ich blieb ein paar Wochen allein, er bei sich. Ich hatte mir Ruhe zum Nachdenken erbeten. Er hat es akzeptiert und hat sich nur gemeldet, wenn ich es wollte.
Es hat nicht lange gedauert, bis mir die Situation zu doof wurde; Ich wollte nicht länger kostbare Lebenszeit verschwenden und habe ihn gebeten, zu uns zu kommen, was er unverzüglich und voller Freude getan hat. Die Wiedersehensfreude war immens, bei allen dreien.
Soll heißen: Der Abstand , die Bedenkzeit und die Ruhe haben bei mir nicht ergeben, dass ich mich wohler fühlte und geordneter, im Gegenteil. Ich habe weder die Erkenntnis gewonnen, dass ich ohne ihn besser dran bin langfristig, noch, dass ich noch einen besseren finde, für mich war er trotz allem der beste...
Ich weiß auch nicht...
Und überhaupt weiß ich auch nicht, was sich dadurch zum Positiven ändern soll.
Ich kenne aus meinem Bekanntenkreis einen Fall, wo der Mann eine Liaison mit einer anderen Frau hatte, was eines Tages herauskam.
Die Partnerin war super sauer und verletzt, das ganze Programm. Die ganze Familie und der ganze Freundeskreis wurden eingeweiht, er war für alle das A**"loch, die Persona non grata, der Unmensch, der böse Junge, der einen umverzeihlichen Fehler gemacht hat.
Er wurde mit Pauken und Trompeten aus der Wohnung geworfen von ihr (deren Miete er zahlte) sie blieb mit dem Kind allein darin.
Wäre es rechtlich durchsetzbar gewesen, hätten sie ihn geteert und gefedert und zu den Stadttoren hinaus gejagt. So war die Stimmung.
Ein ganzes Jahr lang ist er vor ihr durch den Staub gekrochen, hat sich beschimpfen lassen, seine Annäherungsversuche wurden massiv abgewehrt, er holte sich eine Watsche nach der anderen ab. Nach einem Jahr durfte er wieder einziehen. Sie hatte sich entschlossen, ihm zu vergeben.
Ich habe keine Ahnung, wie es den beiden als Paar mittlerweile geht. Aber ich weiß für mich, dass ich, wenn ich meinen Partner wirklich liebe, nicht will, dass er durch den Staub kriechen soll. Ein bisschen leiden schon, aber nicht lange Zeit sich demütigen lassen.
Er bleibt trotz allem, was er getan hat, ein Mensch und ich als Mensch kann nur sagen, dass ich für Fehlverhalten nicht gedemütigt werden möchte. Ich glaube nicht, dass es gut für ein Kind ist, mitzuerleben, wie Mama den Papa erbarmungslos herumkriechen lässt, ein ganzes Jahr lang nicht wissend, ob sie ihn noch liebt und zurück will oder nicht. Zumal ein Kind ja nicht weiß, was der Papa getan hat, weil man das ja im Regelfall nicht erzählt.
Was ist also der Gewinn einer Strafaktion? Und bin ich als seine Freundin in der Position, ihn zu erziehen?
Liebe Grüße.