Wir haben heute telefoniert und es war gut. Nochmal vieles angesprochen und ausgesprochen.
Ich habe mich für meinen emotionalen Gefühlsausbruch gestern entschuldigt und ihm nochmal meine Situation gestern erklärt. Aber für ihn war es ja sowieso ein schönes Gefühl, von mir zu hören. Insofern musste ich mich nicht weiter entschuldigen.
Wir haben eigentlich sehr viel besprochen. Ich habe ihm gesagt, dass es für mich nicht nur traurig ist, eine (für mich) große Liebe zu verlieren, sondern auch meinen besten Freund. Der fehlt mir im Moment genauso, manchmal fast mehr. Wir haben uns in den vergangenen zwei Jahren alles erzählt und waren immer füreinander da, egal bei welchem Problem. Täglich mehfach. Dass das nun wegfällt, ist hart. Er empfindet dasselbe.
Er hat erzählt, dass er das Gefühl hat, niemandem mehr trauen zu können. Ich habe nachgefragt, wie er das meint und ob er mir auch nicht mehr traut. Dazu meinte er, dass ich wohl die einzige Person sei, der er noch traue. Aber sonst habe er das Gefühl, ständig beobachtet zu werden und schaue permanent hinter sich, als ob da jemand wäre.
Er meinte, seiner Frau traue er gar nicht, machte eine kurze Pause und sagte dann, sie ihm logischerweise auch nicht. Ich musste lachen und hab ihm gesagt, dass sich das doch sehr harmonisch anhört.
Wenn er von der Arbeit heimkommt, würden alle in ihre Zimmer verschwinden.
Dazu habe ich ihm gesagt, ja, natürlich, es ist ja auch keine schöne Geschichte, wenn der Papa eine Affäre mit einer anderen Frau hatte. Wenn er erzählen würde, dass er sich verliebt hat, hätte die Sache nochmal eine andere Bedeutung.
Er meinte, dass das wohl alle diese Woche an seinem Verhalten gesehen hätten, dass ich für ihn eine größere Bedeutung habe und deswegen alle so enttäuscht seien.
Seine Frau sei die erste Zeit völlig ausgetickt und habe ihn sehr niveaulos beschimpft (das kann ich bestätigen, sie hat mir auch solche sms geschickt, auf die ich aber nicht eingegangen bin). Nun habe sie ihr Verhalten ein wenig geändert und sei verständnisvoller. Sie sage zum Beispiel Dinge wie, dass ihn ja nicht allein die Schuld an der Affäre treffe.
Er traut ihr überhaupt nicht. Sie sagt zwar, dass sie nicht mehr nach seinen Nachrichten schaue, aber als er diese Woche seine PIN am Handy geändert hat, habe sie ihn sofort gefragt, warum er eine neue PIN hat.
Sein Kopf sei voller Gedanken, ich könne mir überhaupt nicht vorstellen, wie viele Gedanken er sich um alles mache. Er hätte diese Woche darüber nachgedacht, einfach alles hinzuschmeißen, zu mir zu kommen und mir zu sagen, dass er für mich alles "aufgegeben" hat, aber dann hätte er Angst gehabt, dass ich ihn vielleicht nicht mehr will, dass ich sage, es ist zu spät.
Ich habe ihn ein wenig beruhigt und ihm gesagt, dass ich ungefähr weiß und auch verstehe, welche Gedanken er sich macht. Und dass er in einer etwas anderen Situation als ich ist. Ich habe schon Trennungen hinter mir und weiß, dass ich es überlebe. Ich habe "nur" zwei Kinder. Ich habe keine 30-jährige Beziehung und kein Haus, das aufgeteilt werden muss. Ich bin nicht der Mann, der Familienvater, der Ernährer, der seine Familie für eine andere verlässt.
Insofern verstehe ich, dass er nicht von jetzt auf gleich abhauen kann und will.
Daraufhin ist er offener geworden und hat seine Gedanken mitgeteilt. Er meinte, was für ein Sch**ß-Vater wäre er denn, wenn er sofort ausziehen würde und abhauen würde? Und dass ich so einen Mann doch auch nicht wollen würde.
Ich musste ein wenig lachen und habe ihn gefragt, ob er noch eine Zeit lang leidend bei seiner Familie bleiben will, um dann zu gehen und sagen zu können, er habe es doch versucht.
Wir haben auch über seine Ehe gesprochen. Er sagt, dass er sich nicht vorstellen kann, dass seine EF ihm jemals wieder trauen kann. Er wisse ja, wie es ist, wenn der Ehepartner eine Affäre hatte. Er hätte seiner Frau auch nicht mehr trauen können nach ihrer Affäre. Und dass er ab jetzt kein Leben mehr in dieser Ehe habe. Er könne sein Handy nicht einmal in die Hand nehmen, um zu schauen, wieviel Uhr es sei, ohne dass alle Blicke auf ihn gerichtet seien. Er könne nun quasi nichts mehr im Internet nachlesen, weil er zuhause sein Handy nicht mehr in die Hand nehmen darf. Er kann nirgendwo mehr hingehen, nicht einmal zu seinem Kumpel um die Ecke, um mit diesem ein Bier zu trinken. Oder sein Auto waschen. Er hat schon Angst vor dem Tag, an dem er länger arbeiten muss, weil er dann ein Foto von der Wanduhr in der Firma schicken müsse, damit seine EF ihm glaubt. Alles wird kritisch betrachtet.
Ich habe ihm gesagt, dass es passieren könne, dass seine Frau sich wieder mehr ins Zeug legt bei ihm. Dass sie Zuwendung will und eben Bestätigung von ihm.
Dazu hat er gesagt, dass sie an dem Tag ja spätestens komplett Bescheid weiß, denn das kann er nicht mehr.
Und dann meinte er:
Vielleicht will sie es ja von mir hören.
Ich habe überlegt und dann gefragt:
Dass du ihr sagst "Ich liebe dich"?
Er:
Dass ich dich liebe.
Dazu habe ich nichts gesagt. Ich weiß ja nicht, was sie hören will und was nicht. Sie ist letztendlich auch in keiner schönen Situation. Sie hat nun die Gewissheit über die Affäre, was sie sicher länger schon vermutet hat. Aber mehr Gewissheit, wie es weiter geht, hat sie aktuell nicht.
Aber ich habe ihm gesagt, dass er ein völlig normaler Durchschnittsmann sei, denn der durchschnittliche Mann geht nach Auffliegen der Affäre wieder zurück in die Ehe. Damit sei er nicht alleine. Nur ganz wenige würden es schaffen, sich für die AF zu trennen. Da musste er lachen und meinte, Okay, also doch nur Durchschnitt.
Und ich habe ihm gesagt, dass er es vergessen kann, sich alle paar Monate mit einer doofen SMS in mein Gedächtnis zurückschieben zu können, immer dann wenn es ihm in seiner Ehe zu blöd wird. Irgendwann steht in meiner Antwort-SMS, dass ich jemanden kennen gelernt habe und keinen Kontakt mehr will.
Wir haben eigentlich viel gelacht und er hat seine Pause einfach überzogen, um mit mir ausführlich reden zu können.
Es ist im Moment ein gutes Gefühl.
Vermutlich schütteln die Erfahrenen hier gerade den Kopf und denken sich: WAS MACHT SIE NUR?
Aber das Gespräch hat mir irgendwie gut getan. Weil ich irgendwie Verständnis für ihn habe, auch wenn er niemals ausziehen wird.