Liebe Chocolat,
Ich habe in meinem Leben schon viele Menschen zurück gelassen, weil ich seit meiner Kindheit sehr häufig umgezogen bin, immer wieder in andere Städte. Und ich habe es mir einfach zur Gewohnheit gemacht, mich von liebgewonnenen Menschen ganz bewusst zu verabschieden und diese letzten Minuten als Erinnerung für immer in meinem Herzen zu speichern.
Glaubst du dir ehrlich, dass es dir besser ergangen wäre, wenn du dich ganz bewusst von ihm verabschiedet hättest um ihn für immer in deinem Herzen zu speichern und dann mit deinem Seelenfrieden zu gehen von ihm - innerlich wie äußerlich?
Ich glaube dir unbenommen, dass du es dir zur Gewohnheit gemacht hast, dich von Menschen nochmal zu verabschieden... In diesem Fall mit deinem AM denke ich jedoch tatsächlich, dass du dir diesbezüglich was vormachst. Ich denke ganz ehrlich, dass es dir keinen Schritt leichter gefallen wäre, von ihm rundum friedlich Abschied zu nehmen und von nun an in emotionaler Freiheit zu leben.
Zudem von mir die Frage: Woher weißt du tatsächlich, ob es dir in diesem Fall auch den Seelenfrieden verschafft hätte, wie sonst? Du hast diese Situation ja nur in deiner Vorstellung und hast keinen realistischen Vergleich. Du
denkst dir wahrscheinlich eher, dass es dir dann viel leichter gefallen wäre, wenn du dich standesgemäß und so wie du es dir immer zum Ritual gemacht hast, verabschiedet hättest.
Dann wie gehst du mit einer Situation um, wenn du dein Ritual nicht erfüllt bekommst? Weißt du, ob du dich jemals von deiner Mutter oder deinem Vater wirst "standesgemäß" verabschieden können? Wenn dem nicht so ist in hoffentlich ferner Zukunft, obwohl du es dir zu Gewohnheit gemacht hast dich standesgemäß zu verabschieden, was dann? Wirst du diesen nicht gewohnheitsmäßigen Abschied überwinden können oder wird dich ein etwaiger überraschende Abschied ohne standesgemäße Verabschiedung davon abhalten, dich wieder normal gut zu fühlen jemals im Leben?
Hätte er mir gestern nicht einfach alles Gute wünschen können und fertig? Nein, seine letzten Worte sind so eiskalt und am Ende blockiert er mich, entsorgt mich wie ein Stück Müll.
Choco, du weißt doch und wusstest immer, wie eure Dynamik ist. Es ist keine Überraschung und nichts Neues, was du hier schreibst. Was Freudvolles ist höchstens am Anfang eurer Affäre rausgekommen.
Nein, er hätte dir nicht alles Gute wünschen können, einfach deshalb, weil er es nicht gemacht hat. Er ist ein Mensch mit eigenen Wünschen, Gedanken und Bedürfnissen. Und er hat es schlicht nicht gemacht. Ganz wertfrei. Es ist einfach wertfrei. Er hat es nicht gemacht. Punkt. Fertig. Aus. Auch, wenn DU dich wohler gefühlt hättest, hätte er es getan. Es war aber nicht so. Er hat es nicht getan. Es ist genauso sinnlos über solch einen Umstand nachzudenken, wie darüber, wieso Gott mir nicht blonde Haare gegeben hat, sondern dunkle. Es ist einfach, wie es ist. Die Bedeutung, dass du dich wie Müll fühlst und die ERWARTUNG dahinter, die kommt von dir allein.
Sag: fühlst du dich auch sonst wie Müll? Allgemein oder in Liebesdingen? Oder, oder, oder... Wieso eigentlich? Weil ER dir das Gefühl gibt? Nein, du gibst dir selbst das Gefühl! Kein anderer Mensch kann dir ein Gefühl einimpfen und GEBEN. Das kannst nur du selbst. Also, gehe ich davon aus, dass du dich selbst wie Müll fühlst. Ganz unabhängig von ihm.
Du kannst schon sagen (das kennst wohl jeder): "Ich weiß nicht recht, mit diesem Menschen fühle ich mich nicht wohl, ich nehme lieber Abstand. Irgendwie fühle ich mich bei diesem Menschen nicht wohl. Er behandelt mich geringschätzig".
Es gibt Menschen, die behandeln einen sehr geringschätzig. Sag, wenn du dich in Gegenwart eines Menschen wie Müll (also geringschätzig behandelt) fühlst, wieso bleibst du dann mit ihm verbunden und willst dich noch dramatisch und herzzerreißend von ihm verabschieden, so wie du es gewohnt bist? Das passt für mich nicht zusammen. Das ist ein Widerspruch. Wo also ist dein Widerspruch in deinen Gedanken? Wieso fühlst du dich nicht mehr lebenswert, wenn ein Mensch, bei dem du dich wie Müll fühlst, dich nicht will und geringschätzig behandelt? Das ist ein einziger Widerspruch. Du willst, dass dieser Mensch dich wertschätzend behandelt...Er tut es aber nicht. Punkt, fertig. Dann nehm ich Abstand von solch einem Menschen. Wieso aber nimmst du keinen Abstand und wieso willst du das Gegenteil erzwingen, wenn du es doch längst weißt, dass er es nicht bringt?
Mir wird ganz schwummrig im Kopf bei all diesen Verzerrungen. Ich meins nicht böse, aber es ist von außen so klar und deutlich, dass da so viel Verschwurbeltes ist, was mit deinem AM nichts zu tun hat und ich finde die Idee, dass du dir professionelle Hilfe holst, schon lange außerordentlich gut.
Und, das was Resi meint mit Nährboden...So interpretiere ich das zumindest: Hol dir professionelle Hilfe und nicht mehr hier. Der Leidensdruck, wenn du hier schreibst, kann geringer gehalten werden, so dass du dir eben keine professionelle Hilfe suchst, weil du ja weißt, dass du hier deinen Schmerz kommunizieren kannst. Das ist erstmal noch okay. Aber, es ist hier nicht der richtige Ort, um das aufzuarbeiten. Dafür leidest du zu sehr. Mach das noch die paar Wochen und such dir derweil im Realleben ehrlich Hilfe von einem professionellen Menschen, der dein gesamtes Thema angeht.
Alles Liebe und Gute Dir!