Ich war heute doch noch nicht im Training. Irgendwie war mir nicht so richtig danach ihn zu sehen. (Hab schliesslich einfach eine Münze geworfen um zu entscheiden.) Ich bin echt müde und habe jetzt grade auch einfach viel zu sehr mein Date im Kopf. Wir haben nachmittags ein bisschen geschrieben, er wollte sich etwas Sicherheit abholen (ob ich ihn wieder sehen mag, ob ich es auch schön fand etc) und ich hab ihm auch gern paar liebe Sätze geschrieben aber seine letzte Frage stehen lassen (beantworte ich morgen).
So gern er meine distanzierte Passivität auch mag, er möchte sich trotzdem willkommen und gemocht fühlen. Er läuft Keiner hinterher die ganz offensichtlich nicht will, hat er gesagt. Mein Verhalten hat ihn da schon ordentlich zum Nachdenken gebracht. Ich war zwar zugewandt aber dann auch kühl und autark, er war sich nicht richtig sicher ob ich tatsächlich ein Date will... (Wir haben uns letzte Woche auf einem Forumstreffen kennengelernt und Nummern ausgetauscht.)
Wie Casandra ganz richtig bemerkt, die Stichworte sind hier:
kühl, herzlich, autark, leicht zickig (frech) und passiv. Also von 5 Eigenschaften ist nur eine Zuckerbrot, der Rest eher Peitsche.
Ich denke das dürfte man ihm so nicht (besonders nicht so früh im Kennenlernen) ins Gesicht sagen aber der Gute braucht es schon hart...
Womit wir auch bei Ex wären. Der ist aus dem gleichen Holz geschnitzt. Mir war damals einfach nicht klar wie sehr er die Peitsche braucht um die Gefühle hoch zu halten. Er ist mir weggekippt weil ich zu viel Zucker gegeben habe und das ist wahrscheinlich auch der Grund warum ich immer wieder in Beziehungen gescheitert bin. Ich stehe eben auf einen Typ Mann der auf zu viel Zucker allergisch reagiert und bin selbst so erzogen worden dass ich immer lieb und folgsam sein sollte, zurückstecken und mich anpassen. Zucker, Zucker, Zucker um Andere zu besänftigen.
Ich frage mich an der Stelle natürlich was ich aus der Erkenntnis machen will. Die eine Option ist lieb zu bleiben und mir eben in Zukunft Männer zu suchen die nicht so diesem Typus entsprechen. Die finde ich aber leider furchtbar langweilig und klammerig!
Die andere Option ist mich in Zukunft kühler und distanzierter zu geben, zu den Männern auf die ich stehe nicht mehr so lieb zu sein und ihnen zu erlauben sich an mir abzuarbeiten wie damals an ihren Müttern... Uff... Will ich denn so ein Mensch sein?
Wenn ich mir das so ganz ehrlich durchüberlege und mich frage womit ich glücklicher wäre ist die Entscheidung klar. Ich will lieber ein Bad Girl sein, schwierige Männer daten und Spaß haben als mir einen netten Bettvorleger zu angeln.
Aber eine Familie mit so einem Mann zu gründen kommt nicht in Frage denn ich will keine Frau sein die so fies zu ihren Kindern ist! Das ist also auch eine Lebensentscheidung, denn ich bin ja auch nicht mehr die Jüngste, die Menopause nähert sich mit Riesenschritten...
Die Mütter meiner Männer habe ich alle als mehr oder weniger schreckliche, kalte Hausdrachen empfunden bzw wenn sie von ihrem Verhalten erzählt haben fand ich das alles andere als liebevoll. Aber beinahe alle haben ihre Mütter auch total in Schutz genommen und das verletzende Verhalten entschuldigt. Irgendwie erinnert mich das an die Ursachen vom Stockholmsyndrom:
"Identifizierung mit den Zielen der Täter als Selbstschutz bzw. Kompensation des maximal eingetretenen Verlustes der Selbstständigkeit und Kontrolle" (von https://flexikon.doccheck.com/de/Stockholm-Syndrom)
Passt doch irgendwie total oder? Ein Kind identifiziert sich mit den Zielen der Eltern um zu überleben, egal wie schlimm diese zu ihm sind, es muss sich der Situation anpassen und die Eltern besänftigen. Koste es was es wolle. Das ist mir an Ex besonders aufgefallen. Er hat von seiner Mutter erzählt und mich dabei mit großen verletzten Augen wie ein trauriger kleiner Junge angesehen aber sich gleich darauf wieder ganz abgebrüht und hart gegeben und sie entschuldigt. Da wo er geboren wurde war das halt so, da war das Leben hart und man musste stark und gefühllos sein um zu überleben...
Das ist eben diese Zerissenheit. Einerseits sehnen sie sich nach der herzlichen Wärme, engen Bindung und Zärtlichkeit die sie als Kind vermissen mussten aber andererseits haben sie den Glaubenssatz dass man stark sein muss und Gefühle Schwäche sind. Da pendeln sie zwischen extremer Nähe und Flucht. Wie Wolfgang hier auch oft beschrieben hat, Menschen mit Nähe-Distanz-Problemen sind schnell übersättigt und brauchen einen Partner der ihnen den richtigen Abstand bieten kann...
Ich kann es leider nur zu gut verstehen, bei mir lief ja auch Einiges nicht gut. Meine Großeltern waren sehr damit beschäftigt das Überleben der Familie zu sichern (Krieg ist Scheisse) und die Kinder sind emotional zu kurz gekommen. Dadurch waren sie dann nicht in der Lage mir eine stabile Familie zu geben und ich bin auch oft zu kurz gekommen. Kann ich inzwischen alles irgendwie nachvollziehen. Meine Eltern haben sich früh getrennt und mein Vater blieb alleinerziehend zurück. Er hat sich daraufhin als Opfer der bösen Welt und der Anderen, der Umstände hingestellt. Mich als Vorwand benutzt um jahrzehntelang in einer Stadt die er nicht mag und in einem Job für den er eigentlich völlig überqualifiziert war zu verharren. Er hat mir die Schuld gegeben dafür dass er sich "für die Familie aufopfert" statt seine Träume zu leben. Er hat mir Schuldgefühle eingeredet und über seine Mutter (und meine sowieso) geschimpft aber gleichzeitig sie auch erbittert verteidigt. War halbtags arbeiten (nur wegen mir, Schuldgefühle), zuhause dann müde und wollte Ruhe, hat Vorwürfe gemacht wenn ich "unangepasst" war, hatte emotionale Ausbrüche bei denen er schreiend mit Geschirr geworfen hat und hinterher hat er bitterlich geflennt weil ihm alles so leid tat. Komplett uneinsichtig und bockig, nie ist er selbst schuld, immer Jemand anderes. Emotionale Achterbahn. Ich habe mich immer eher ungeliebt und als Klotz am Bein gefühlt...
Dabei hatte er einfach bloss Angst vor Veränderungen, davor Eigenverantwortung zu übernehmen. Das haben wir gesehen als ich endlich alt genug war um Abstimmung mit den Füßen zu machen. Da konnte er dann toben wie er wollte, ich hatte nach jahrelangen erbitterten Streitereien einfach die Nase gestrichen voll davon dass er mir den Mund und eine eigene Meinung verbieten will. Zuhören und mich ernst nehmen wollte er nicht. Aber mich verlieren auch nicht. Tja er konnte mich aber nicht länger zwingen zu bleiben. Bin ausgezogen und habe den Kontakt konsequent auf ein Minimum beschränkt. Er hat angeblich nicht verstanden warum... Aber das ist nicht verstehen
wollen! Erst als ich mich endgültig davon verabschiedet habe von meinem Vater ein Verständnis zu bekommen um das ich immer gekämpft aber nie bekommen habe, habe ich mein Leben langsam in den Griff bekommen. Er hat immer versucht mir meine eigene Wahrnehmung schlecht zu reden und mein Selbstvertrauen zu untergraben. Fällt mir selbst jetzt noch schwer den Begriff "Gaslighting" in den Mund zu nehmen, aber ich habe die Wahrnehmung genau das hat er mit mir gemacht.
Mein Vater ist für mich der Inbegriff eines schwachen, sturen Jammerlappens der Eigenverantwortung ablehnt und die Schuld immer bei Anderen sucht, noch im Rentenalter an Mamas Rockzipfel hängt und sich an ihr abarbeitet. So Jemanden will ich gewiss nicht als Partner. Wenn mir Jemand einreden will dass ich meinem eigenen Verstand nicht trauen kann und eine Version der Geschichte annehmen soll in der ich daran schuld bin dass alles doof ist da werde ich so richtig giftig... Ich möchte mich ernst genommen fühlen, Eigenverantwortung übernehmen, meine Freiheit und Unabhängigkeit bewahren. Wenn Jemand mir Vorwürfe macht weil ich mich nicht genug anpasse finde ich das echt beklemmend. Ich neige sowieso dazu mich viel zu sehr an Andere anzupassen, es recht machen zu wollen und meine eigenen Wünsche zurückzustellen, mich da zu verlieren. Irgendwo sind da jetzt nach jahrelanger Auseinandersetzung mit diesen Kindheitstraumata einfach Grenzen.
Tja nun, ich kann mit einem Mann der immer lieb und zugewandt ist also einfach nichts anfangen. Er muss bisschen unberechenbar und gemein sein sonst ist mir die Beziehung einfach zu langweilig...
Also ich muss ehrlich sagen: Ja ich hab einen Schaden. Nähe-Distanz-Probleme und Daddy-Issues.
Dabei ist es doch eigentlich nicht optimal, wenn der Mann gleich von sich sagt, er hätte einen Schaden, aber wir lassen uns dennoch ein, da es spannender erscheint?
In dem Sinne war auch dieser Spruch vom Date gemeint. Er hat für sich reflektiert dass er nicht ganz rund läuft und geht humorvoll damit um. Er weiss was er will und kommuniziert offen worauf eine Frau sich bei ihm einlässt. Da ist er ganz direkt und ehrlich über seine Vorlieben und Erwartungen. Das kann man man mögen oder nicht. Aber man kann nicht sagen man wäre nicht gewarnt worden.
Also ich mags...
Und so steht ich jetzt eben da. Nach all den Monaten in denen ich Ex hinterher weine und ihn unbedingt zurück haben will habe ich jetzt auch andere verlockende Optionen und werde immer ambivalenter was diesen wundervollen schwierigen Doofmann angeht...
Um was wetten wir dass er das spüren und sich die nächsten Wochen total ins Zeug legen wird?